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  • Axel Farr

mehr als 1000 Beiträge seit 06.05.2002

Er ist Philosoph und hat Recht!

Interessanterweise decken sich seine Vorstellungen von den Zielen weit mit denen der ukrainischen Regierung und der Armee:

Ein Sieg für die Ukraine bestehe darin, Menschenleben zu retten und strategische Überlegungen für den Wiederaufbau des Landes anzustellen.

Die Kriegsführung Russlands ist leider darauf ausgerichtet, die Ukraine so wie sie jetzt besteht zu vernichten. Was die Ukraine in diesem Krieg im Moment macht, das ist im Prinzip die totale Niederlage zumindest hinauszuzögern. Dass die Armeeführung der russischen Föderation immer noch nur wenig sinnlos dagegen anrennt, kommt der Ukraine dabei zugute - die Moral war aber im letzten Sommer angesichts geringer Erfolge insgesamt besser.

Die Aussage

Mir scheint aber, dass Russland auch nach den Gebietserwerbungen, die den Russen als "Sieg" präsentiert werden, sehr schwerwiegende Folgen haben wird. Das Land wird die Möglichkeit verlieren, innovativ, modern und konzentriert zu sein. Alle werden verlieren: die Ukraine und Russland

kann ich nur unterschreiben.

In der Aussage

Wenn der Krieg vorbei ist, besteht die Gefahr eines Bürgerkrieges in der Ukraine, und Selenskyj wird keine Mittel haben, diese Gruppen von Menschen zu kontrollieren. Er versteht, dass er, solange es Krieg gibt, genug Autorität sowohl gegenüber dem Westen als auch seinen Bürgern gegenüber hat, weil er der Präsident des Krieg führenden Landes ist. Denn der Krieg rechtfertigt zum Teil eine Reihe schwieriger innenpolitischer Entscheidungen. Sobald der Krieg vorbei ist, wird alles verschwinden. Deshalb würde ich sagen: Selenskyj hat Angst vor einem internen zivilen paramilitärischen Konflikt


liegt nicht nur für die Ukraine eine tiefe Wahrheit. Es gilt sinngemäß das identische für Russland: Moskaus Kontrolle über die Russen funktioniert im Moment so tadellos, weil die Propaganda mit der "militärischen Spezialoperation" und des Schürens von Hass gegen "den Westen" als angeblichen "Hauptakteur" / Hauptgegner zusammen mit rigorosen Kontrollgesetzen den Menschen, die nicht mit der Moskauer Politik einverstanden sind nur die Wahl lässt, ins Ausland zu gehen oder schlicht den Mund zu halten. Die Alternative sieht man an Oppositionellen, die in sibirischen Straflagern landen - man bekommt es denke ich aber auch im Volk mit, wenn einer der Soldaten Nachrichten geben kann wie es läuft wenn man den Vorgesetzten nicht gehorsam genug erscheint.

Es mag sein, dass Selensky Angst hat dass der Krieg aufhören könnte - ich vermute aber, dass die Angst davor auf der anderen Seite der Front noch viel größer ist.

Insgesamt sehe ich aber wegen des russischen Kriegsziels "Denazifizierung der Ukraine" keinerlei sinnvolle Chance auf Frieden. Dieser Ausdruck der Russen bedeutet auf Deutsch Völkermord - denn der Kreml hat schon sehr früh deutlich gemacht, dass er die gewählte ukrainische Regierung als "Nazis" betrachtet, egal was diese Regierung mit der von Russland als "Machtergreifung" betrachtetem Maidan 2013 überhaupt zu tun gehabt könnte. Der Kreml betrachtet auch jeden als Nazi, der in einer Schule der Ukraine die Landessprache unterrichten oder in einem offiziellen Dokument Ukrainisch verwenden möchte. Von den Menschen, die derzeit in der Ukrainischen Armee, Polizei oder in einer Behörde dienen oder arbeiten ganz zu schweigen.

Warum Völkermord? Weil die UN Völkermord so definiert, dass er auch nicht-tödlich ablaufen kann, indem die Sprache und Kultur eines Volkes vernichtet wird. Genau das beabsichtigt Moskau mit den Ausdruck "Entnazifizierung" nämlich.

Es war übrigens der ukrainische Präsident Selensky, der 2022 der russischen Föderation einen Völkermord an Russen in der Ukraine vorgeworfen hat - weil ein Großteil der vor der russischen Armee geflohenen Bürger der Ukraine russisch-sprachig waren, und bis heute dürfte der Anteil der russischsprachigen Ukrainer an den Toten des Krieges nicht unerheblich sein. Die Ukraine wirft Russland zu Recht also gerade das vor, was der angebliche Kriegsgrund Russlands war!

Die von Moskau im Rahmen des Krieges angestoßenen Gesetzesänderungen haben so ziemlich dem letzten Russland-Freund in der Ukraine die Augen geöffnet, was es bedeuten würde wenn die Ukraine sich spontan entscheiden würde, nach Moskaus Vorstellungen den Weg für Friedensgespräche zu öffnen indem man die Kämpfe einstellt und sich hinter den Dnipro zurückzieht (bzw. in Bezug auf die Forderung, die Oblaste Cherson und Saporischia aufzugeben sogar die Russen auf die andere Seite des Dnipro zu lassen). Statt Freiheit und Toleranz wird dann Obrigkeitshörigkeit angesagt sein, und wenn einer rausfindet, dass man selbst, Vater, Sohn oder Tochter im Krieg auf der Seite der Ukraine gekämpft haben kann es tödlich werden.

Da es umgekehrt (siehe oben) für Russen gefährlich ist, offen zu sagen dass die "militärische Spezialoperation" ein Desaster und eine Gefahr für Russland und den Weltfrieden ist wird in derzeitigen Situation einfach nur schön gemütlich weitergemetzelt (sorry, ich entschuldige mich gleich wieder für diese herzlose Bemerkung).

Anstöße das zu ändern sehe ich nur, wenn sich entweder der Westen oder große Staaten wie China oder Indien durchringen könnte effektiver auf ein Kriegende hinzuarbeiten. Der Westen will aber nicht, weil man ja vor dem Krieg laut gesagt hat dass man keine eigenen Truppen in diesen Konflikt schicken will, und China und Indien wollen sich das tolle Geschäft mit diesem Krieg halt nicht kaputtmachen. Der Westen will sich aber auch nicht mehr komplett heraushalten, denn dann könnte man die UN und das Völkerrecht ja gleich komplett beerdigen.

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