Man hört in in der Tat seit etwa Mitte März zunehmend stärker unter Ukrainern die Meinung, dass die russischen Truppen demoralisiert seien und den Krieg quasi bereits verloren hätten. Diese Meinung scheint vor allem unter denjenigen verbreitet zu sein, die selbst nicht im wirklichen Kampf standen und auch nicht selbst am eigenen Leib von Bombardierungen oder Kampfhandlungen betroffen waren.
Objektiv betrachtet schlagen sich die russischen Truppen zweifellos schlechter als von vielen erwartet, scheinen chaotisch, unorganisiert und irgendwie wild zu agieren. Vielfach publizierte Erinnerung der Altvorderen beschreiben für 1941 ein ähnliches Bild, mit einem damals wohl noch größeren Ausmaß an Chaos. Gleichwohl sagte das nichts über den Kriegsausgang aus, am Ende bekam Deutschland bekanntlich gewaltig aufs Dach - eine Mahnung, Russland und sein Militär immer mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln. Vorbei und entschieden ist dieser Konflikt trotz massiver Parteinahme des sogenannten Westens Stand heute noch nicht.
Übrigens hat sich das Land auch korruptionsmäßig nach 6 Wochen Krieg einigermaßen eingespielt: Während am Anfang des Krieges wirklich kaum Männer rauskamen, kann man sich nunmehr für relativ moderate Bestechungstarife um ca. USD 3.000 auch als nicht-berechtigter Mann zu Fuß über die grüne Grenze (ich weiß es sicher nur von der Grenze nach Moldawien) rausschleusen lassen. In Wien jedenfalls tauchen mehr und mehr ukrainische Männer auf, was etwa auf derstandard.at intensiv kommentiert wird.