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  • tallinn

mehr als 1000 Beiträge seit 01.04.2004

Rationalismus

the observer schrieb am 3. August 2005 12:18


> Nochmals - der Wahrheitsbegriff kommt auch in der Mathematik vor, die
> nur wirklich keine Naturwissenschaft ist. Die Logik hat das Ziel,
> wahre Aussagen zu liefern. Und man kann auch eine treffende
> Definition der Wahrheit aufstellen: Eine wahre Aussage ist eine, die
> einen Sachverhalt so beschreibt, daß wir ihn bestätigt finden, wenn
> wir ihn überprüfen. Der Sachverhalt muß also überprüfbar sein, und er
> muß uns eines der beiden Resultate "ist wahr" oder "ist nicht wahr"
> liefern können. Das sind die beiden Voraussetzungen.


Du kennst doch den Satz von Gödel. Jedes logische System enthält
wahre Aussagen, die innerhalb des Systems weder als wahr noch als
falsch identifiziert werden können. Beweisbarkeit ist nicht
equivalent zu Wahrheit. Nicht jede mathematische Aussage ist
beweisbar oder widerlegbar. Trotzdem ist jede mathematische Aussage
immer entweder wahr oder falsch. Einen Zwischenzustand gibt es nicht.
Wir können es nur mitunter nicht entscheiden. 

Ich wundere mich schon die ganze Zeit, welche Schwierigkeiten die
Rationalisten hier im Forum mit nicht entscheidbaren Fragen haben.
Irgendwie sehe ich immer den gleichen Reflex: sinnlos, darüber zu
reden, alles Quatsch, nicht wissenschaftlich, kein Erkenntnisgewinn.

Und doch gibts nicht beweisbare wahre Aussagen in der exaktesten
aller Wissenschaften, der Mathematik. Sollten wir da nicht alle ein
wenig ruhiger sein? Das eine Aussage nicht als wahr oder falsch
bewertet werden kann, macht sie nicht sinnlos. Wenns was nutzt, kann
man mit ihr wie mit einer Vermutung arbeiten. Wenn man die Frage
bejaht, macht es Sinn, nach einer Ethik zu suchen, dann macht es auch
Sinn, über religiöse Fragen nachzudenken. Mann kann auch dort
Erkenntnis gewinnen, über den Menschen und seine Bedürfnisse, und
über die beste Art, diese zu befriedigen. Über unser Bild von uns
selbst, und wie wir behandelt werden wollen.

> Daß alles, was nicht überprüfbar ist, in diesem Sinn weder als falsch
> noch als wahr gelten darf.


Rationalisten sagen dann, eine nicht beweisbare Aussage ist keine
Aussage, auf die ich mich stützen kann.  Dabei verzichten sie
natürlich auf die Chance, eine möglicherweise wahre Aussage zu nutzen
- vermeiden selbstredend aber auch das Risiko eines Irrtums. Hmmh,
Feiglinge, scnr. Die Entscheidung dürfen sie natürlich so fällen.
Aber sie können sich dabei wie Gläubige auf gar nichts berufen. Eben
die Entscheidung: glauben oder nicht glauben.

These: Ein konsequenter Rationalist muss jede Entscheidung anderer
über Gut und Böse akzeptieren. (Hier bin ich gespannt auf den
Widerspruch.)

> Wenn Du dieser Definition zustimmst, ist es gut. Dann brauchen wir
> nur noch zu überprüfen, ob Allah der einzige Gott ist, und wir
> wissen, ob der Koran recht hat. dasselbe machen wir mit der Bibel.
> Spätestens hier werden wir einen eklatanten Unterschied bemerken, und
> eine der Religionen muß unserer Definition nach falsch sein.


Hmmh, der Vergleich zwischen Wellen- und Matrizenmechanik sollte uns
jetzt auch nicht zu dem Schluss führen, dass eine dieser beiden
Theorien falsch ist. Es kommt schon auf die Art des Widerspruchs an.
Nur weil etwas nicht gleich aussieht, kann es trotzdem beides ein
funktionierendes Modell sein.

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