andre... schrieb am 1. August 2005 22:11
> Ja, aber so offensichtlich ist sie doch gar nicht. Oder anders
> gesagt: das hängt vom Betrachter ab, wie detailliert und tiefgehend
> sein spezielles Wissen über ein konkretes Phänomen ist. Leibniz und
> m.W. auch Pascal (?) zogen ja das Fazit, dass "für einen Gott kein
> Platz" in dem von ihnen erforschten Gebiet zu finden war. Irgendwas
> müssen sie sich ja auch dabei gedacht haben. - Auf den Gedanken, dass
> eine Sache nicht "mit rechten Dingen" zugehen könne, kommt man doch
> um so mehr, je weniger man von dieser Sache weiß und folglich
> versteht.
Manche Denker (ausgerechnet Leibniz?, kann ich mir kaum vorstellen)
haben wohl gemeint, daß Gott als Vorwärtskraft und Lenker für die
Bereiche, deren Zusammenhänge man auch so erkennen konnte, nicht mehr
nötig wäre. Also die Blitze braucht ja nicht mehr Zeus zu schleudern,
nachdem man erkannt hatte, wie sie zustande kommen, sozusagen wie bei
einem wegrationalisierten Arbeitsplatz. Aber eigentlich ist doch
genau dieses Denken naiv. Schließlich nimmt man beim Begriff des
Urschöpfers doch an, daß er ohnehin hinter allem steckt. Wieso sollte
er also aus den begriffenen Bereichen verdrängt sein? Das scheint mir
ein Denkfehler zu sein, der auf dem Grundsatz beruht, Gott sei
unserem Begreifen nun einmal entzogen, ergo könne er sich nicht dort
aufhalten, wo wir etwas begriffen haben.
> Aber konkret: es gibt als Alternative zum Schöpfer noch die m.E.
> ebenso offensichtliche Möglichkeit, dass das Universum schon ewig
> existiert und deswegen logischerweise auch nicht erst geschöpft
> werden musste bzw. konnte (woraus folgt, dass es dann auch keinen
> Schöpfer gibt, denn es wurde ja nichts geschöpft).
Diese Erklärung ist mir zu sehr in der Kategorie der Zeit verhaftet.
Klar, auch Kausalität ergibt sich aus Zeit, daß eben Dinge
aufeinander folgen und auseinander hervorgehen. Und durch die
Kausalität kommt man ja erst auf die Idee, nach dem absoluten
Ursprung zu suchen. Aber dimensional gedacht würde auch ein ewiges
Universum gewissermaßen auf einer quer zur Zeit stehenden
Dimensionsachse erschaffen worden sein. Das ist zwar natürlich völlig
aus den Fingern gesogen, aber Einstein hat ja ebenfalls mit solchen
Kunstgriffen operiert, trotzdem wird er als großer Wissenschaftler
gefeiert (allerdings nicht von Anfang an, wohlgemerkt). Aber auch in
einem zeitlich in jeder Richtung unendlichen Universum wäre Platz für
etwas, auf das sich die Bezeichnung Gott anwenden ließe, als
grundlegendes Prinzip, das möglicherweise in eine bestimmte Richtung
steuert. Der Schöpfungsakt wäre dann kein Zeitpunkt, sondern die
grundlegendste Stufe der Existenz des Universums, das elementarste
Prinzip.
> Aber eine Annahme bleibt solange eine Annahme, bis sie so gut
> belegt ist, dass man sie als wahr betrachten kann. Eine Annahme wird
> aber nicht von allein wahrer, weil sie schon sehr alt ist und weil
> viele Menschen dieser Annahme zustimmen und sie als gegeben
> betrachten.
Was machen wir dann mit den mathematischen Axiomen? Daß es einen
intelligenten Schöpfer gibt, ist ebenfalls ein Axiom. Auch die
nüchternste Wissenschaft operiert sehr wohl mit Annahmen, die man
weder belegen noch widerlegen kann.
> Ich spiele damit auf einige biblische Kernaussagen an.
> Ich will damit nun nicht die ganze Diskussion totschlagen, sondern
> lediglich allzu naive und allzu unreflektierte Feststellungen
> heraushalten, die bei der Suche nach Erkenntnissen niemandem
> weiterhelfen.
Da muß man sicher differenzieren. Aber dafür muß man auch die
entsprechenden Schriften genau erforschen und ebenso die Umstände
ihrer Entstehung, um den Kontext zu erkennen und daher, was nun
wirklich der Kernsinn des Ganzen ist, nachdem man die ganzen
historischen Schichten abgetragen hat. Bei institutionalisierten
Religionen ist es nun oft so, daß ihre Anhänger, vor allem aber ihre
Amtsträger, leicht das Gefühl bekommen, daß bei solchen
Ausgrabungsarbeiten der Boden unter ihren Füßen schwindet, auf dem
sie es sich aber doch schon so gut bequem gemacht haben...
> > Also woher dann die Ablehnung des ID-Modells?
> > Weil die Annahme nicht beweis- bzw. widerlegbar ist?
>
> Der Punkt ist, dass sie *noch* nicht widerlegbar ist und dass es
> keinen Grund zu der Annahme gibt, dass sich darüber keine weiteren
> Erkenntnisse sammeln lassen, mit denen sie eines Tages doch
> widerlegbar ist. Dem derzeit nicht widerlegbaren ID-Modell steht eine
> nach wissenschaftlichen Kriterien strenggenommen nie absolut
> beweisbare Evolutionstheorie gegenüber.
So wie ich das verstanden habe, stehen sich diese Modelle eigentlich
gar nicht gegenüber, sondern ergänzen einander.
> Die Tendenz geht also dahin, dass
> auch das heute noch unerklärliche in der ET irgendwann nach und nach
> erklärt werden kann. Und automatisch - da es ja nicht zwei
> gegensätzliche und zugleich wahre Erklärungen für ein und dasselbe
> Phänomen geben kann - würde die ID-Theorie ein Territorium nach der
> anderen verlieren.
Nicht unbedingt. Wer es ernst mit der ID-Theorie meint, würde neue
Erkenntnisse in der isoliert betrachteten ET als neue Anhaltspunkte
zum Erkennen der Schöpferintelligenz betrachten. Natürlich können
sich da immer neue Herausforderungen ergeben, diese Erkenntnisse mit
religiöser Ethik zu vermählen. Aber man sollte doch glücklich darüber
sein, wenn religiös Gläubige ihren religiösen Glauben so rational
handhaben und logischen bzw. faktischen Einwänden gegenüber nicht
ignorant sind.
> Salopp gesagt: auf das Pferd "ID" würde ich nicht
> mehr setzen. Vor die Wahl gestellt, muss ich dann logischer- und
> vernünftigerweise auf das Pferd "ET" setzen.
Ich halte die Entweder-Oder-Konstellation für eine künstliche.
> > Komischerweise wird auch z. B. die Stringtheorie nicht mit solchem
> > abfälligen Naserümpfen aufgenommen
>
> Naja, ich habe vor einiger Zeit viel darüber und über Atomphysik
> allgemein gelesen und den Eindruck gewonnen, dass selbst vielen
> Wissenschaftler da noch so manches Haar zu Berge steht. Mir war dabei
> auch nicht ganz wohl :-) Aber die Stringtheorie ist bei aller
> subjektiven Waghalsigkeit zumindest eines: sie basiert auf
> umfangreichen vorangegangenen Forschungen, Experimenten,
> Erkenntnissen und Fehlschlägen, aus denen sich derzeit anscheinend
> keine andere Konsequenz ziehen lässt als eben diese "verrückte"
> Stringtheorie. Man sage also nicht, die Wissenschaft wäre nicht in
> der Lage, auch sehr "gewöhnungsbedürftiges" ernsthaft in Erwägung zu
> ziehen :-)
Und man sage nicht über die Gottesgläubigen, sie seien nicht in der
Lage, auch etwas für vielfach so "Gewöhnungbedürftiges" wie die
Evolution ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die ID-Theorie ist da doch
schon ein großer Fortschritt. Daß manch einer da gleich an Rückfall
ins Mittelalter denkt, nur weil in dem Weltbild ein Gott vorkommt,
wirkt auch nicht gerade ... nun, freidenkerisch. :)
> Ja, aber so offensichtlich ist sie doch gar nicht. Oder anders
> gesagt: das hängt vom Betrachter ab, wie detailliert und tiefgehend
> sein spezielles Wissen über ein konkretes Phänomen ist. Leibniz und
> m.W. auch Pascal (?) zogen ja das Fazit, dass "für einen Gott kein
> Platz" in dem von ihnen erforschten Gebiet zu finden war. Irgendwas
> müssen sie sich ja auch dabei gedacht haben. - Auf den Gedanken, dass
> eine Sache nicht "mit rechten Dingen" zugehen könne, kommt man doch
> um so mehr, je weniger man von dieser Sache weiß und folglich
> versteht.
Manche Denker (ausgerechnet Leibniz?, kann ich mir kaum vorstellen)
haben wohl gemeint, daß Gott als Vorwärtskraft und Lenker für die
Bereiche, deren Zusammenhänge man auch so erkennen konnte, nicht mehr
nötig wäre. Also die Blitze braucht ja nicht mehr Zeus zu schleudern,
nachdem man erkannt hatte, wie sie zustande kommen, sozusagen wie bei
einem wegrationalisierten Arbeitsplatz. Aber eigentlich ist doch
genau dieses Denken naiv. Schließlich nimmt man beim Begriff des
Urschöpfers doch an, daß er ohnehin hinter allem steckt. Wieso sollte
er also aus den begriffenen Bereichen verdrängt sein? Das scheint mir
ein Denkfehler zu sein, der auf dem Grundsatz beruht, Gott sei
unserem Begreifen nun einmal entzogen, ergo könne er sich nicht dort
aufhalten, wo wir etwas begriffen haben.
> Aber konkret: es gibt als Alternative zum Schöpfer noch die m.E.
> ebenso offensichtliche Möglichkeit, dass das Universum schon ewig
> existiert und deswegen logischerweise auch nicht erst geschöpft
> werden musste bzw. konnte (woraus folgt, dass es dann auch keinen
> Schöpfer gibt, denn es wurde ja nichts geschöpft).
Diese Erklärung ist mir zu sehr in der Kategorie der Zeit verhaftet.
Klar, auch Kausalität ergibt sich aus Zeit, daß eben Dinge
aufeinander folgen und auseinander hervorgehen. Und durch die
Kausalität kommt man ja erst auf die Idee, nach dem absoluten
Ursprung zu suchen. Aber dimensional gedacht würde auch ein ewiges
Universum gewissermaßen auf einer quer zur Zeit stehenden
Dimensionsachse erschaffen worden sein. Das ist zwar natürlich völlig
aus den Fingern gesogen, aber Einstein hat ja ebenfalls mit solchen
Kunstgriffen operiert, trotzdem wird er als großer Wissenschaftler
gefeiert (allerdings nicht von Anfang an, wohlgemerkt). Aber auch in
einem zeitlich in jeder Richtung unendlichen Universum wäre Platz für
etwas, auf das sich die Bezeichnung Gott anwenden ließe, als
grundlegendes Prinzip, das möglicherweise in eine bestimmte Richtung
steuert. Der Schöpfungsakt wäre dann kein Zeitpunkt, sondern die
grundlegendste Stufe der Existenz des Universums, das elementarste
Prinzip.
> Aber eine Annahme bleibt solange eine Annahme, bis sie so gut
> belegt ist, dass man sie als wahr betrachten kann. Eine Annahme wird
> aber nicht von allein wahrer, weil sie schon sehr alt ist und weil
> viele Menschen dieser Annahme zustimmen und sie als gegeben
> betrachten.
Was machen wir dann mit den mathematischen Axiomen? Daß es einen
intelligenten Schöpfer gibt, ist ebenfalls ein Axiom. Auch die
nüchternste Wissenschaft operiert sehr wohl mit Annahmen, die man
weder belegen noch widerlegen kann.
> Ich spiele damit auf einige biblische Kernaussagen an.
> Ich will damit nun nicht die ganze Diskussion totschlagen, sondern
> lediglich allzu naive und allzu unreflektierte Feststellungen
> heraushalten, die bei der Suche nach Erkenntnissen niemandem
> weiterhelfen.
Da muß man sicher differenzieren. Aber dafür muß man auch die
entsprechenden Schriften genau erforschen und ebenso die Umstände
ihrer Entstehung, um den Kontext zu erkennen und daher, was nun
wirklich der Kernsinn des Ganzen ist, nachdem man die ganzen
historischen Schichten abgetragen hat. Bei institutionalisierten
Religionen ist es nun oft so, daß ihre Anhänger, vor allem aber ihre
Amtsträger, leicht das Gefühl bekommen, daß bei solchen
Ausgrabungsarbeiten der Boden unter ihren Füßen schwindet, auf dem
sie es sich aber doch schon so gut bequem gemacht haben...
> > Also woher dann die Ablehnung des ID-Modells?
> > Weil die Annahme nicht beweis- bzw. widerlegbar ist?
>
> Der Punkt ist, dass sie *noch* nicht widerlegbar ist und dass es
> keinen Grund zu der Annahme gibt, dass sich darüber keine weiteren
> Erkenntnisse sammeln lassen, mit denen sie eines Tages doch
> widerlegbar ist. Dem derzeit nicht widerlegbaren ID-Modell steht eine
> nach wissenschaftlichen Kriterien strenggenommen nie absolut
> beweisbare Evolutionstheorie gegenüber.
So wie ich das verstanden habe, stehen sich diese Modelle eigentlich
gar nicht gegenüber, sondern ergänzen einander.
> Die Tendenz geht also dahin, dass
> auch das heute noch unerklärliche in der ET irgendwann nach und nach
> erklärt werden kann. Und automatisch - da es ja nicht zwei
> gegensätzliche und zugleich wahre Erklärungen für ein und dasselbe
> Phänomen geben kann - würde die ID-Theorie ein Territorium nach der
> anderen verlieren.
Nicht unbedingt. Wer es ernst mit der ID-Theorie meint, würde neue
Erkenntnisse in der isoliert betrachteten ET als neue Anhaltspunkte
zum Erkennen der Schöpferintelligenz betrachten. Natürlich können
sich da immer neue Herausforderungen ergeben, diese Erkenntnisse mit
religiöser Ethik zu vermählen. Aber man sollte doch glücklich darüber
sein, wenn religiös Gläubige ihren religiösen Glauben so rational
handhaben und logischen bzw. faktischen Einwänden gegenüber nicht
ignorant sind.
> Salopp gesagt: auf das Pferd "ID" würde ich nicht
> mehr setzen. Vor die Wahl gestellt, muss ich dann logischer- und
> vernünftigerweise auf das Pferd "ET" setzen.
Ich halte die Entweder-Oder-Konstellation für eine künstliche.
> > Komischerweise wird auch z. B. die Stringtheorie nicht mit solchem
> > abfälligen Naserümpfen aufgenommen
>
> Naja, ich habe vor einiger Zeit viel darüber und über Atomphysik
> allgemein gelesen und den Eindruck gewonnen, dass selbst vielen
> Wissenschaftler da noch so manches Haar zu Berge steht. Mir war dabei
> auch nicht ganz wohl :-) Aber die Stringtheorie ist bei aller
> subjektiven Waghalsigkeit zumindest eines: sie basiert auf
> umfangreichen vorangegangenen Forschungen, Experimenten,
> Erkenntnissen und Fehlschlägen, aus denen sich derzeit anscheinend
> keine andere Konsequenz ziehen lässt als eben diese "verrückte"
> Stringtheorie. Man sage also nicht, die Wissenschaft wäre nicht in
> der Lage, auch sehr "gewöhnungsbedürftiges" ernsthaft in Erwägung zu
> ziehen :-)
Und man sage nicht über die Gottesgläubigen, sie seien nicht in der
Lage, auch etwas für vielfach so "Gewöhnungbedürftiges" wie die
Evolution ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die ID-Theorie ist da doch
schon ein großer Fortschritt. Daß manch einer da gleich an Rückfall
ins Mittelalter denkt, nur weil in dem Weltbild ein Gott vorkommt,
wirkt auch nicht gerade ... nun, freidenkerisch. :)