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Re: Die alte Angst der Seeleute vor dem Rand der Erde

dr.cheeba schrieb am 1. August 2005 22:48

> Manche Denker ...
> haben wohl gemeint, daß Gott als Vorwärtskraft und Lenker für die
> Bereiche, deren Zusammenhänge man auch so erkennen konnte, nicht mehr
> nötig wäre. ... Aber eigentlich ... nimmt man beim Begriff des
> Urschöpfers doch an, daß er ohnehin hinter allem steckt. Wieso sollte
> er also aus den begriffenen Bereichen verdrängt sein? Das scheint mir
> ein Denkfehler zu sein

Wenn der Schöpfer aus einem begriffenen Bereich verdrängt wurde, ist
das zunächst einmal ein Beleg dafür, dass es grundsätzlich möglich
ist. Das würde rein theoretisch bedeuten, dass, wenn man alle
Bereiche begriffen hat, er vollständig aus unserem Universum
eleminiert wäre. - Es wäre doch aber auch möglich, dass der Schöpfer
aus dem, was Leibniz und Pascal da gesehen haben, gar nicht mehr
herausgedängt werden musste, sondern dass er da schon gar nicht mehr
drinsteckte. Ich denke, ein Schöpfer darf, nach dem er das Universum
geschaffen hat, in das weitere Geschehen nicht mehr eingreifen. Täte
er es, würden wir Anomalien entdecken, also Wirkungen, die mit ihrer
Ursache nicht zusammenpassen oder gar keine haben usw. Damit wäre
dann der berühmte Fehler in der Matrix gefunden. Was Leibniz und
Pascal gesehen haben, war also tatsächlich nicht weiter als der
wohlgeordnete Gang der Dinge, und man könnte sich fragen, ob der
Schöpfer überhaupt noch "unter uns weilt" oder nicht längst
weitergezogen ist und irgendwo anders "herumschöpft" :-)

> wäre Platz für
> etwas, auf das sich die Bezeichnung Gott anwenden ließe

Platz ja, aber auch Bedarf? Darauf will ich ja hinaus: aus der puren
Möglichkeit, dass Gott existieren *könnte*, ergibt sich weder die
Notwendigkeit noch die Tatsache seiner Existenz überhaupt.

> Was machen wir dann mit den mathematischen Axiomen?

Ja, das ist richtig, aber diese Axiome sind unverzichtbar, sonst
würden wir hier nicht sitzen. Das kann man sich dadurch vor Augen
führen, indem man spaßeshalber mal ein Axiom ändert oder abschafft.
Dann funktioniert nichts mehr.

> Daß es einen
> intelligenten Schöpfer gibt, ist ebenfalls ein Axiom.

Ja, aber dieses Axiom kann man wegrationalisieren, ohne dass ein Halm
wackelt :-)

> So wie ich das verstanden habe, stehen sich diese Modelle
> [ID <-> ET] eigentlich gar nicht gegenüber, sondern ergänzen
> einander.

Auf den ersten Blick sieht es tatsächlich so aus, als würde ID die
Lücken schließen, die die ET derzeit nicht schließen kann und fertig
ist die lückenlose Erklärung des Lebens. Aber das ist in meinen Augen
eine optische Täuschung, da es nicht darum gehen kann, eine Lücke
"irgendwie" und um ihrer selbst willen zu schließen, nur damit man
Ruhe hat. - Ein ganz heißes Problem ist ja folgendes: Die ET darf
selbst im kleinsten und unbedeutendsten Detail der ID-Theorie nicht
recht geben. Denn in dem Moment würde sie ID auch für alle anderen
Lücken zulassen. Denn sie würde in dem Moment de facto einen Schöpfer
zulassen, und das heißt, sie würde einen Schöpfer auch für alles
andere zulassen (müssen!) und damit wäre sämtliche Wissenschaft
hinfällig und irrelevant. Dies ist m.E. auch der Grund, warum die ET
der ID so unversönlich gegenübersteht und nicht einen Fußbreit Boden
hergibt: es ist schlichtweg aus Prinzip nicht möglich, denn wie
gesagt, sie würde damit das ID-Grundprinzip des Schöpfers *global*
(ganz oder gar nicht, nirgends oder überall, nie oder immer)
anerkennen und sich damit selbst überflüssig machen. - Dies nur mal
nebenbei an diejenigen, die sich darüber aufregen, dass die ET und
die Wissenschaft "starr, uneinsichtig und ignorant" ist.

> Nicht unbedingt. Wer es ernst mit der ID-Theorie meint, würde neue
> Erkenntnisse in der isoliert betrachteten ET als neue Anhaltspunkte
> zum Erkennen der Schöpferintelligenz betrachten.

Was im Grunde gleichbedeutend ist, dass die ID-Theorie nach und nach
alles aus der ET verdrängen würde, was bislang ohne Gott auskommt. Am
Ende wäre die ET eine reine Schöpferleistung und jede Wissenschaft im
speziellen wie im allgemeinen ad absurdum geführt. Es geht nicht
darum, die Wissenschaft zu "retten", sondern darum, überhaupt noch
irgendwelche logischen und kausalen Zusammenhänge zu besitzen. Die
kann man ja nicht abschaffen oder widerlegen, das wäre so unsinnig
wie die Sache mit dem "schweren Stein".

Das soll aber nicht heißen, dass ein Vertreter der ID-Theorie nichts
zur ET beitragen könnte. Aber sicher kann er dass, nämlich wenn er
bei seinen eigenen Forschungen etwas entdeckt, wonach die ETler
selbst gesucht, es aber bisher nicht gefunden hatten (oder noch
deutlicher: woran sie überhaupt noch nicht gedacht haben oder wo sie
gar auf dem falschen Wege waren). - Aber wie gesagt: prinzipiell
halte ich es für ausgeschlossen (unlogisch) dass sich die ID und die
ET miteinander verzahnen lassen und dann ein schlüssiges,
zweifelsfreies Weltbild ergeben.

> Aber man sollte doch glücklich darüber
> sein, wenn religiös Gläubige ihren religiösen Glauben so rational
> handhaben und logischen bzw. faktischen Einwänden gegenüber nicht
> ignorant sind.

Ja klar. Man kann sich natürlich (insbesondere persönlich) sehr nahe
kommen, aber die o.g. Gegensätzlichkeit in der Grundfrage "Schöpfer
ja oder nein" wird sich damit nicht überwinden lassen.

> Ich halte die Entweder-Oder-Konstellation für eine künstliche.

Wie ich oben schrieb, eine zwingend notwendige. Obwohl ... in
gewisser Weise ist diese Konstellation wirklich künstlich, nämlich
weil die ID-Theorie künstlich einen Schöpfer am Leben erhält :-)

> Die ID-Theorie ist da doch schon ein großer Fortschritt.

Ja sicher, aber der Grundwiderspruch bleibt. Aber ich bin ja
grundsätzlich auch dafür, keine unnötigen Gräben aufzureißen, es
redet sich sonst nicht gut miteinander.

André

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