dr.cheeba schrieb am 4. August 2005 18:46
> > Genaugenommen erklärt die ID-Theorie überhaupt nichts, sie setzt an
> > die Stelle des Nicht-Erklärten lediglich eine Behauptung.
>
> Eine Erklärung ist immer eine Behauptung. Eine Behauptung zu einem
> bestimmten Zweck, nämlich den des Erklärens.
Okay, gegen konstruktive Behauptungen ist ja auch nichts zu sagen,
weil sie - wenn schon nichts erklären - so doch bei jemandem, der
gedanklich festsitzt, einen Groschen zum Fallen bringen können. Die
ID-Theorie scheint mir jedoch eher eine
Groschenfall-Verhinderungs-Theorie zu sein. Wenn jemand an einem
bestimmten Aspekt einer Theorie forscht und nicht weiterkommt, und
ein anderer sagt: "Da hat ein Designer eingegriffen", dann ist der
Effekt gleich Null. Denn wenn er diese Erklärung als wahr annimmt,
dann ist es nur folgerichtig, wenn er die weitere Forschung an dem
besagten Aspekt beendet (denn das unerklärliche ist ja nun
"erklärt"). Und genau das wäre das Fatale, denn wenn die Wissenschaft
jemals den Eingriff einer höheren Macht als gegeben hingenommen
hätte, würden wir heute noch davon überzeugt sein, dass Zeus die
Blitze schleudert. - Hinzukommt, dass der besagte Forscher nun in der
heiklen Lage steckt, das Ergebnis seiner Forschung ("Ein Designer
war's") auch zu belegen. Und das kann er nicht, da seine Aussage
nicht falsifizierbar ist und auch keinen kausalen Zusammenhang
herstellt, aus dem man irgendetwas herauslesen könnte.
Fazit: ihm bleibt gar nichts anderes übrig, als weiter nach einer
natürlichen Ursache zu suchen. Alles andere wäre vorzeitiger
Begründungsabbruch, aus dem dann notwendigerweise ein Dogma
resultieren würde. Es ist nebenbei bemerkt auch völlig widersinnig,
mitten in eine Kausalkette ein Dogma einzufügen - wenn, dann
höchstens ganz an den Anfang einer Kausalkette, denn da steht auch
die Wissenschaft vor dem Problem der nicht zu erbringenden
Letztbegründung.
> > Es könnte ja sein, dass schon morgen eine Erklärung für ein heute
> > noch unerklärbares Detail gefunden wird. Dann ist die Behauptung,
> > dass dort ein Designer am Werke wahr, sauber widerlegt.
>
> Nein, das würde bei dieser Angelegenheit nicht funktionieren. Da es
> um den Urschöpfer geht, kann man mit dem ID-Ansatz bei jeder neuen
> wissenschaftlichen Entdeckung sagen: Aha, so hat Gott also die
> Zusammenhänge designt, die wir gerade entdeckt haben.
Jaja, bloß daran siehste doch schon, dass an den inneren
Zusammenhängen der ID-Theorie irgendwas nicht stimmen kann. Denn das
sagt doch nichts anderes aus, als dass - egal, ob oder was die
Wissenschaft herausfindet - es sowieso immer der Schöpfer war. Und
gegen solche heillose Ergebnisse gibt's eben Occam's razor. Wenn ein
Phänomen wissenschaftlich erklärt ist, dann ergibt sich daraus im
Umkehrschluss: es ist keine Frage mehr offen, es fehlt kein
Mosaiksteinchen mehr. Und wenn nichts fehlt, wozu braucht man dann
noch einen Schöpfer? Was sollte der denn nun noch zu der Sache
beitragen? Nunja, er könnte das Endergebnis nochmal mit 1
multiplizieren oder 0 hinzuaddieren, aber, ums nochmal mit Fontane zu
sagen: "Schaden tut's ja nicht, aber was soll der Unsinn?"
> Das ist nicht unbedingt nutzlos.
> Überall sind doch Leute auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.
Ja gut, aber das ist jedermanns Privatangelegenheit, aber auf Wunsch
einzelner Damen und Herren können wir nicht sämtliches
Menschheitswissen zu Märchen degradieren und sagen: okay, es war
Gott, wir denken nicht weiter drüber nach, es is' eh sch**ßegal, weil
der Schöpfer uns sowieso in alles reinpfuschen könnte, wenn es ihm
beliebt. Was nützt uns die Aussage, dass die Schwerkraft der Erde
nicht einfach mal aussetzen kann, wenn eben genau das doch passieren
kann, wenn es dem Herrn beliebt. - Ich kann in so einer Welt, in der
auf nichts Verlass ist, keinen Sinn entdecken, weil alles, was mir
als Sinn einfallen könnte, vom Herrn null und nichtig gemacht werden
kann. Es macht dann keinen Sinn mehr, irgendeinen Gedanken auch nur
anzufangen, weil er zu keinem Ergebnis führt, das hinterher auch
wirklich eintritt.
> > Das
> > Festhalten an der ID-Theorie ist eine reine Abwehrmaßnahme dagegen,
> > dass Gott irgendwann aus unserem Leben verbannt wird. Und diese
> > Abwehr kann ich mir beim besten Willen nur mit gewissen Machtfragen
> > erklären.
>
> Die Abwehr gegen die Abwehr ließe sich genauso deuten.
Genaugenommen ja, ich möchte nicht in einer Welt leben, in der nichts
mehr beweisbar oder widerlegbar und nichts mehr wahr oder falsch ist,
denn das führt unweigerlich zu Willkür, Beliebigkeit und vor allem zu
Sinnlosigkeit.
> > Wissenschaft als verworfener, bestenfalls naiver
> > "Schweinkram" - eine andere Assoziation hat "unter den Rock schauen"
> > für mich nicht.
>
> Ja, diese Anspielung war auch beabsichtigt. Die Amish People zum
> Beispiel scheinen doch wohl eine ähnliche Haltung dazu zu haben.
Wenn sie damit glücklich sind, sollen sie tun, was sie nicht lassen
können, *ich* jedenfalls möchte nicht so leben müssen.
> Das sehe ich eigentlich auch so. Dennoch: Auf dieser
> Argumentationsgrundlage müßte dann alles Mögliche (absichtlich groß
> geschrieben) erlaubt sein.
"Erlaubt" ist ein Begriff, den sich die Menschen gemacht haben, denn
ein Naturprinzip, nach dem etwas, was möglich ist, nicht erlaubt ist,
gibt es nicht. Alles, was möglich ist, ist auch möglich. Ob wir
jemandem verbieten, etwas Mögliches auch wahrzumachen, steht auf
einem ganz anderen Blatt. - Ich nehme an, du wolltest darauf hinaus,
dass es eine Instanz gibt oder geben muss, die das Mögliche in gut
und böse unterteilt und die sich daraus ergebenden Regeln den
Menschen offenbart und auferlegt. Dem stimme ich rein prinzipiell zu,
aber diese Instanz muss nicht notwendigerweise Gott sein, es
funktioniert auch mit dem "kollektiven" Erkenntniswissen, dass es
Regeln geben muss und auch welche. Es ist zwar wirkungsvoller, wenn
man zur Durchsetzung solcher Regeln eine sehr hochstehende und
mächtige Autorität ins Feld führt, aber würde es lieber sehen, wenn
anstelle dessen die menschliche Mündigkeit treten würde.
> Anscheinend ist gehört die Sünde
> zum Entstehungsprozeß der Schöpfung dazu
"Sünde" ist auch eine menschliche Festlegung, an solchen
(willkürlichen) Kategorien können sich die elementaren Naturgesetze
bei der "Verwaltung" des Universums nun wirklich nicht orientieren.
Was in der Natur zwangsläufig passiert, ist zunächst einmal weder gut
noch böse, sondern einfach nur notwendig. - Es klingt jetzt makaber,
aber z.B. die Tsunami-Katastrophe war aus physikalischen Gründen
einfach zwingend notwendig, und wenn wir mit diesem nüchternen Faktum
aufgrund unseres eigenen Weltanschauungssystems nicht klarkommen,
dann müssen wir unser Weltanschauungssystems überdenken.
> (ich setze voraus, daß die
> Schöpfung noch nicht beendet ist; der allegorische siebte
> Schöpfungstag ist noch nicht angebrochen)
Was soll denn an diesem Tag noch geschöpft werden?
> Wo findet man denn die Konfigurationsdateien?
Hast recht, ich hab' mir selbst widersprochen. Denn da es zwischen
unseren Augen und unserem Gehirn keine Firewall gibt, kann es
logischerweise auch keine dazugehörige Konfigurationsdatei geben.
André
> > Genaugenommen erklärt die ID-Theorie überhaupt nichts, sie setzt an
> > die Stelle des Nicht-Erklärten lediglich eine Behauptung.
>
> Eine Erklärung ist immer eine Behauptung. Eine Behauptung zu einem
> bestimmten Zweck, nämlich den des Erklärens.
Okay, gegen konstruktive Behauptungen ist ja auch nichts zu sagen,
weil sie - wenn schon nichts erklären - so doch bei jemandem, der
gedanklich festsitzt, einen Groschen zum Fallen bringen können. Die
ID-Theorie scheint mir jedoch eher eine
Groschenfall-Verhinderungs-Theorie zu sein. Wenn jemand an einem
bestimmten Aspekt einer Theorie forscht und nicht weiterkommt, und
ein anderer sagt: "Da hat ein Designer eingegriffen", dann ist der
Effekt gleich Null. Denn wenn er diese Erklärung als wahr annimmt,
dann ist es nur folgerichtig, wenn er die weitere Forschung an dem
besagten Aspekt beendet (denn das unerklärliche ist ja nun
"erklärt"). Und genau das wäre das Fatale, denn wenn die Wissenschaft
jemals den Eingriff einer höheren Macht als gegeben hingenommen
hätte, würden wir heute noch davon überzeugt sein, dass Zeus die
Blitze schleudert. - Hinzukommt, dass der besagte Forscher nun in der
heiklen Lage steckt, das Ergebnis seiner Forschung ("Ein Designer
war's") auch zu belegen. Und das kann er nicht, da seine Aussage
nicht falsifizierbar ist und auch keinen kausalen Zusammenhang
herstellt, aus dem man irgendetwas herauslesen könnte.
Fazit: ihm bleibt gar nichts anderes übrig, als weiter nach einer
natürlichen Ursache zu suchen. Alles andere wäre vorzeitiger
Begründungsabbruch, aus dem dann notwendigerweise ein Dogma
resultieren würde. Es ist nebenbei bemerkt auch völlig widersinnig,
mitten in eine Kausalkette ein Dogma einzufügen - wenn, dann
höchstens ganz an den Anfang einer Kausalkette, denn da steht auch
die Wissenschaft vor dem Problem der nicht zu erbringenden
Letztbegründung.
> > Es könnte ja sein, dass schon morgen eine Erklärung für ein heute
> > noch unerklärbares Detail gefunden wird. Dann ist die Behauptung,
> > dass dort ein Designer am Werke wahr, sauber widerlegt.
>
> Nein, das würde bei dieser Angelegenheit nicht funktionieren. Da es
> um den Urschöpfer geht, kann man mit dem ID-Ansatz bei jeder neuen
> wissenschaftlichen Entdeckung sagen: Aha, so hat Gott also die
> Zusammenhänge designt, die wir gerade entdeckt haben.
Jaja, bloß daran siehste doch schon, dass an den inneren
Zusammenhängen der ID-Theorie irgendwas nicht stimmen kann. Denn das
sagt doch nichts anderes aus, als dass - egal, ob oder was die
Wissenschaft herausfindet - es sowieso immer der Schöpfer war. Und
gegen solche heillose Ergebnisse gibt's eben Occam's razor. Wenn ein
Phänomen wissenschaftlich erklärt ist, dann ergibt sich daraus im
Umkehrschluss: es ist keine Frage mehr offen, es fehlt kein
Mosaiksteinchen mehr. Und wenn nichts fehlt, wozu braucht man dann
noch einen Schöpfer? Was sollte der denn nun noch zu der Sache
beitragen? Nunja, er könnte das Endergebnis nochmal mit 1
multiplizieren oder 0 hinzuaddieren, aber, ums nochmal mit Fontane zu
sagen: "Schaden tut's ja nicht, aber was soll der Unsinn?"
> Das ist nicht unbedingt nutzlos.
> Überall sind doch Leute auf der Suche nach dem Sinn des Lebens.
Ja gut, aber das ist jedermanns Privatangelegenheit, aber auf Wunsch
einzelner Damen und Herren können wir nicht sämtliches
Menschheitswissen zu Märchen degradieren und sagen: okay, es war
Gott, wir denken nicht weiter drüber nach, es is' eh sch**ßegal, weil
der Schöpfer uns sowieso in alles reinpfuschen könnte, wenn es ihm
beliebt. Was nützt uns die Aussage, dass die Schwerkraft der Erde
nicht einfach mal aussetzen kann, wenn eben genau das doch passieren
kann, wenn es dem Herrn beliebt. - Ich kann in so einer Welt, in der
auf nichts Verlass ist, keinen Sinn entdecken, weil alles, was mir
als Sinn einfallen könnte, vom Herrn null und nichtig gemacht werden
kann. Es macht dann keinen Sinn mehr, irgendeinen Gedanken auch nur
anzufangen, weil er zu keinem Ergebnis führt, das hinterher auch
wirklich eintritt.
> > Das
> > Festhalten an der ID-Theorie ist eine reine Abwehrmaßnahme dagegen,
> > dass Gott irgendwann aus unserem Leben verbannt wird. Und diese
> > Abwehr kann ich mir beim besten Willen nur mit gewissen Machtfragen
> > erklären.
>
> Die Abwehr gegen die Abwehr ließe sich genauso deuten.
Genaugenommen ja, ich möchte nicht in einer Welt leben, in der nichts
mehr beweisbar oder widerlegbar und nichts mehr wahr oder falsch ist,
denn das führt unweigerlich zu Willkür, Beliebigkeit und vor allem zu
Sinnlosigkeit.
> > Wissenschaft als verworfener, bestenfalls naiver
> > "Schweinkram" - eine andere Assoziation hat "unter den Rock schauen"
> > für mich nicht.
>
> Ja, diese Anspielung war auch beabsichtigt. Die Amish People zum
> Beispiel scheinen doch wohl eine ähnliche Haltung dazu zu haben.
Wenn sie damit glücklich sind, sollen sie tun, was sie nicht lassen
können, *ich* jedenfalls möchte nicht so leben müssen.
> Das sehe ich eigentlich auch so. Dennoch: Auf dieser
> Argumentationsgrundlage müßte dann alles Mögliche (absichtlich groß
> geschrieben) erlaubt sein.
"Erlaubt" ist ein Begriff, den sich die Menschen gemacht haben, denn
ein Naturprinzip, nach dem etwas, was möglich ist, nicht erlaubt ist,
gibt es nicht. Alles, was möglich ist, ist auch möglich. Ob wir
jemandem verbieten, etwas Mögliches auch wahrzumachen, steht auf
einem ganz anderen Blatt. - Ich nehme an, du wolltest darauf hinaus,
dass es eine Instanz gibt oder geben muss, die das Mögliche in gut
und böse unterteilt und die sich daraus ergebenden Regeln den
Menschen offenbart und auferlegt. Dem stimme ich rein prinzipiell zu,
aber diese Instanz muss nicht notwendigerweise Gott sein, es
funktioniert auch mit dem "kollektiven" Erkenntniswissen, dass es
Regeln geben muss und auch welche. Es ist zwar wirkungsvoller, wenn
man zur Durchsetzung solcher Regeln eine sehr hochstehende und
mächtige Autorität ins Feld führt, aber würde es lieber sehen, wenn
anstelle dessen die menschliche Mündigkeit treten würde.
> Anscheinend ist gehört die Sünde
> zum Entstehungsprozeß der Schöpfung dazu
"Sünde" ist auch eine menschliche Festlegung, an solchen
(willkürlichen) Kategorien können sich die elementaren Naturgesetze
bei der "Verwaltung" des Universums nun wirklich nicht orientieren.
Was in der Natur zwangsläufig passiert, ist zunächst einmal weder gut
noch böse, sondern einfach nur notwendig. - Es klingt jetzt makaber,
aber z.B. die Tsunami-Katastrophe war aus physikalischen Gründen
einfach zwingend notwendig, und wenn wir mit diesem nüchternen Faktum
aufgrund unseres eigenen Weltanschauungssystems nicht klarkommen,
dann müssen wir unser Weltanschauungssystems überdenken.
> (ich setze voraus, daß die
> Schöpfung noch nicht beendet ist; der allegorische siebte
> Schöpfungstag ist noch nicht angebrochen)
Was soll denn an diesem Tag noch geschöpft werden?
> Wo findet man denn die Konfigurationsdateien?
Hast recht, ich hab' mir selbst widersprochen. Denn da es zwischen
unseren Augen und unserem Gehirn keine Firewall gibt, kann es
logischerweise auch keine dazugehörige Konfigurationsdatei geben.
André