the observer schrieb am 29. Juli 2005 10:51
> Crissov schrieb am 28. Juli 2005 17:07
>
> Der Mensch, ist er einer Religion verbunden, muß im allgemeinen
> ständig einen Kampf austragen zwischen den, was ihm seine Religion
> lehrt und dem, was die Wssenschaft lehrt.
Wer das tut, hat entweder seine Religion nicht verstanden oder eine
schlechte.
> Es gibt eine Reihe von Themen, über die beide kontroverse Auffassungen vertreten.
Eigentlich nicht. Jeder nicht falsifizierbare Teil des religiösen
Glaubens (z.B. der Moralkodex) ist mit der Wissenschaft im Einklang,
weil sie dafür nicht zuständig ist und die beiden so parallel
existieren können. Dort wo Unwissen durch religiös oder kirchlich
bestimmten Glauben ersetzt wird (z.B. Schöpfungsgeschichte und
Erdscheibe), muss sich der Glaube neuem Wissen beugen, kann aber u.U.
wenigstens vorübergehend in symbolischer Form weiter existieren (z.B.
6-Tage- -> 6-Epochen-Schöpfungsgeschichte). Die Religion hat damit
i.d.R. auch überhaupt kein Problem, nur evtl. ihre Anhänger,
insbesondere die institutionalisierten (d.h. die Kirche). Richtig
dumm ist natürlich, wie in der katholischen Kirche (nicht Religion),
Allwissen oder Unfehlbarkeit nicht nur für die Gottheit(en) zu
reklamieren, sondern auch für die Religion oder Kirche. Da dieser
Absolutheitsanspruch in der Vergangenheit als falsch erwiesen worden
ist, ist dieser Teil des katholisch-kirchlichen Glaubens nichtig
(Fehl- oder Aberglaube), die unter der Prämisse getroffenen
Glaubensgrundsätze jedoch nicht zwingenderweise. Wenn der Papst
erklärt, Homosexualität sei eine Sünde, kann man das als Katholik
glauben, wenn man will, weil das Konzept der Sünde keiner
Wissenschaft unterliegt, sagt er hingegen, Kondome schützten nicht
gegen die Übertragung von AIDS, braucht man ihm das auch als
gläubiger Katholik nicht zu glauben, weil er eben nicht unfehlbar und
allwissend ist, bzw. man darf es nicht glauben, weil die Wissenschaft
das Gegenteil *beweist* (wenn auch keine 100%ige Sicherheit besteht).
> Lebt [der Gläubige] seinen Glauben aufrichtig, hat er diese Wahl nicht.
> In diesem Fall muß er seinen Drang, die Welt erklärt zu bekommen, unterdrücken,
> oder aber er akzeptiert die Art und Weise, wie die Religionen die Welt erklären,
> als die einzig wahre. In diesem Fall kann man nicht von einer Substitution des
> Glaubens durch Wissen sprechen.
Keine (gute) Religion zwingt ihre Gläubigen dazu, die erwiesene
Realität zu verleugnen. (Kirchen mögen das allerdings manchmal tun.)
Der nicht beweisbare Teil der Religion ist wie gesagt überhaupt nicht
betroffen, sondern nur der Teil, in dem Unwissen durch Glauben
ersetzt wird, was für die Religion nicht essentiell sein darf und
deswegen bei Bedarf revidiert werden kann.
> Kann man einen Glauben überhaupt falsifizieren?
Nicht jeden, sondern nur den, der Unwissen ersetzt. Der Gesamtglaube,
alias Religion, ist normalerweise auch nicht falsifizierbar, da er
nicht-falsifizierbare Teile enthält.
>> Durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse wird ein Glaube entweder
>> zum Fehl-/Aberglauben oder aber zu Wissen. Vorher kann er nicht
als
>> richtig oder falsch deklariert werden, höchstens als soundso
>> wahrscheinlich.
>
> In dem Kontext dieser Diskussion unterscheiden wir lediglich zwischen
> Glauben und Wissen.
Ursprünglich ging es mir nur um den Glauben, der falsifizierbar ist,
der also Unwissen ersetzt. Ich wollte klarmachen, dass es falsch ist,
ihm länger als nötig, d.h. noch nach seiner Falsifizierung,
anzuhängen. Du hast dann, wahrscheinlich weil du zwischen ihnen nicht
unterscheidest, noch den nicht-falsifizierbaren religiösen Glauben
mit ins Spiel gebracht, was das Verständnis meines Anliegens nur
erschwert.
> auch ein Aberglaube ist nichts weiter als ein Glaube.
Ja, ein überholter.
>> Korrekturen oder Umdeutungen sind durchaus legitim, wenn sie den
>> wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht widersprechen.
>
> Sie sind freilich legitim, aber es hat sich in der Vergangenheit
> gezeigt, daß die Korrekturen nicht ganz freiwillig erfolgten sondern
> unter dem Druck überwältigender Beweise.
Beweise sind nicht überwältigend, sondern höchstens schlüssig oder
überwältigend viele. Dass sich Menschen und Institutionen nicht nach
meiner aufgestellten Maxime, dass Glaube Wissen nicht ersetzen darf,
verhalten (haben), hat genau gar nichts mit ihrer Gültigkeit zu tun.
Es ist auch nur eine wünschenswerte, aber keinesfall nötige Aufgabe
des Glaubens bzw. Gläubigen, seine Richtigkeit zu beweisen, da das
früher oder später, so möglich, die Wissenschaft, die von diesem,
(auch) von anderen oder keinem Glauben beeinflusst ist, erledigt
wird. Eine Gesellschaft könnte auch ohne Wissenschaft, sondern nur
mit Glauben, überleben, allerdings liegt die Forschung in der
menschlichen Natur und ist vielleicht sogar der Sinn ihrer Existenz,
wenn es denn einen gibt.
> Wer wechselt schon seinen Glauben nach Beliebigkeit?
Seinen Gesamtglauben, d.h. seine Religion, kaum jemand, aber
Einzelaspekte, einzelne Glaubensgrundsätze sind revidierbar.
Allerdings ist das auch nicht besonders häufig nötig, da es in den
üblichen Religionen nicht viele falsifizierbare Glauben gibt bzw. die
meisten davon bereits falsifiziert worden sind.
>> ...aber es bleibt der Moralkodex, der jeder Religion zu eigen ist.
>> Der Wahrheitsgehalt der Geschichten, die diesen illustrieren,
>> ist nebensächlich oder sollte es zumindest sein.
>
> Dann solltest Du einmal einen Gottesdienst besuchen und erleben,
> wie Gotttes Wort anhand dieser Geschichten gelehrt wird.
> Diese Geschichten sind weitaus mehr als ein Moralkodex.
Sie sind, wie gesagt, die Illustration dafür. Dass manche
Kleingeister sich an ihnen und ihren Details allzu sehr aufhängen,
ändert daran nichts.
> Crissov schrieb am 28. Juli 2005 17:07
>
> Der Mensch, ist er einer Religion verbunden, muß im allgemeinen
> ständig einen Kampf austragen zwischen den, was ihm seine Religion
> lehrt und dem, was die Wssenschaft lehrt.
Wer das tut, hat entweder seine Religion nicht verstanden oder eine
schlechte.
> Es gibt eine Reihe von Themen, über die beide kontroverse Auffassungen vertreten.
Eigentlich nicht. Jeder nicht falsifizierbare Teil des religiösen
Glaubens (z.B. der Moralkodex) ist mit der Wissenschaft im Einklang,
weil sie dafür nicht zuständig ist und die beiden so parallel
existieren können. Dort wo Unwissen durch religiös oder kirchlich
bestimmten Glauben ersetzt wird (z.B. Schöpfungsgeschichte und
Erdscheibe), muss sich der Glaube neuem Wissen beugen, kann aber u.U.
wenigstens vorübergehend in symbolischer Form weiter existieren (z.B.
6-Tage- -> 6-Epochen-Schöpfungsgeschichte). Die Religion hat damit
i.d.R. auch überhaupt kein Problem, nur evtl. ihre Anhänger,
insbesondere die institutionalisierten (d.h. die Kirche). Richtig
dumm ist natürlich, wie in der katholischen Kirche (nicht Religion),
Allwissen oder Unfehlbarkeit nicht nur für die Gottheit(en) zu
reklamieren, sondern auch für die Religion oder Kirche. Da dieser
Absolutheitsanspruch in der Vergangenheit als falsch erwiesen worden
ist, ist dieser Teil des katholisch-kirchlichen Glaubens nichtig
(Fehl- oder Aberglaube), die unter der Prämisse getroffenen
Glaubensgrundsätze jedoch nicht zwingenderweise. Wenn der Papst
erklärt, Homosexualität sei eine Sünde, kann man das als Katholik
glauben, wenn man will, weil das Konzept der Sünde keiner
Wissenschaft unterliegt, sagt er hingegen, Kondome schützten nicht
gegen die Übertragung von AIDS, braucht man ihm das auch als
gläubiger Katholik nicht zu glauben, weil er eben nicht unfehlbar und
allwissend ist, bzw. man darf es nicht glauben, weil die Wissenschaft
das Gegenteil *beweist* (wenn auch keine 100%ige Sicherheit besteht).
> Lebt [der Gläubige] seinen Glauben aufrichtig, hat er diese Wahl nicht.
> In diesem Fall muß er seinen Drang, die Welt erklärt zu bekommen, unterdrücken,
> oder aber er akzeptiert die Art und Weise, wie die Religionen die Welt erklären,
> als die einzig wahre. In diesem Fall kann man nicht von einer Substitution des
> Glaubens durch Wissen sprechen.
Keine (gute) Religion zwingt ihre Gläubigen dazu, die erwiesene
Realität zu verleugnen. (Kirchen mögen das allerdings manchmal tun.)
Der nicht beweisbare Teil der Religion ist wie gesagt überhaupt nicht
betroffen, sondern nur der Teil, in dem Unwissen durch Glauben
ersetzt wird, was für die Religion nicht essentiell sein darf und
deswegen bei Bedarf revidiert werden kann.
> Kann man einen Glauben überhaupt falsifizieren?
Nicht jeden, sondern nur den, der Unwissen ersetzt. Der Gesamtglaube,
alias Religion, ist normalerweise auch nicht falsifizierbar, da er
nicht-falsifizierbare Teile enthält.
>> Durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse wird ein Glaube entweder
>> zum Fehl-/Aberglauben oder aber zu Wissen. Vorher kann er nicht
als
>> richtig oder falsch deklariert werden, höchstens als soundso
>> wahrscheinlich.
>
> In dem Kontext dieser Diskussion unterscheiden wir lediglich zwischen
> Glauben und Wissen.
Ursprünglich ging es mir nur um den Glauben, der falsifizierbar ist,
der also Unwissen ersetzt. Ich wollte klarmachen, dass es falsch ist,
ihm länger als nötig, d.h. noch nach seiner Falsifizierung,
anzuhängen. Du hast dann, wahrscheinlich weil du zwischen ihnen nicht
unterscheidest, noch den nicht-falsifizierbaren religiösen Glauben
mit ins Spiel gebracht, was das Verständnis meines Anliegens nur
erschwert.
> auch ein Aberglaube ist nichts weiter als ein Glaube.
Ja, ein überholter.
>> Korrekturen oder Umdeutungen sind durchaus legitim, wenn sie den
>> wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht widersprechen.
>
> Sie sind freilich legitim, aber es hat sich in der Vergangenheit
> gezeigt, daß die Korrekturen nicht ganz freiwillig erfolgten sondern
> unter dem Druck überwältigender Beweise.
Beweise sind nicht überwältigend, sondern höchstens schlüssig oder
überwältigend viele. Dass sich Menschen und Institutionen nicht nach
meiner aufgestellten Maxime, dass Glaube Wissen nicht ersetzen darf,
verhalten (haben), hat genau gar nichts mit ihrer Gültigkeit zu tun.
Es ist auch nur eine wünschenswerte, aber keinesfall nötige Aufgabe
des Glaubens bzw. Gläubigen, seine Richtigkeit zu beweisen, da das
früher oder später, so möglich, die Wissenschaft, die von diesem,
(auch) von anderen oder keinem Glauben beeinflusst ist, erledigt
wird. Eine Gesellschaft könnte auch ohne Wissenschaft, sondern nur
mit Glauben, überleben, allerdings liegt die Forschung in der
menschlichen Natur und ist vielleicht sogar der Sinn ihrer Existenz,
wenn es denn einen gibt.
> Wer wechselt schon seinen Glauben nach Beliebigkeit?
Seinen Gesamtglauben, d.h. seine Religion, kaum jemand, aber
Einzelaspekte, einzelne Glaubensgrundsätze sind revidierbar.
Allerdings ist das auch nicht besonders häufig nötig, da es in den
üblichen Religionen nicht viele falsifizierbare Glauben gibt bzw. die
meisten davon bereits falsifiziert worden sind.
>> ...aber es bleibt der Moralkodex, der jeder Religion zu eigen ist.
>> Der Wahrheitsgehalt der Geschichten, die diesen illustrieren,
>> ist nebensächlich oder sollte es zumindest sein.
>
> Dann solltest Du einmal einen Gottesdienst besuchen und erleben,
> wie Gotttes Wort anhand dieser Geschichten gelehrt wird.
> Diese Geschichten sind weitaus mehr als ein Moralkodex.
Sie sind, wie gesagt, die Illustration dafür. Dass manche
Kleingeister sich an ihnen und ihren Details allzu sehr aufhängen,
ändert daran nichts.