Der Unterschied zum fortgeschrittenen Wahn im Rotwelsch und Braunsprech ist aber, dass diese Floskeln in einer Demokratie der Wirklichkeit nicht übergestülpt werden und diese ersticken können.
Einerseits: Ja, die Demokratie kann nur in der Demokratie erstickt werden.
Andererseits: In einem sozialistischen oder in einem faschistischen System wird Herrschaft durch Akklamation legitimiert. Typisch für Letztere sind Massenveranstaltungen d.h. tatsächliche oder verlangte Willensbekundungen der Bevölkerung zur Herrschaft bzw. ihrem Inhalt. Auch Wahlen können als Akklamationsveranstaltungen organisiert werden.
In der Demokratie findet diese Legitimation der Herrschaft darüber statt, dass das Staatsprogramm sich als personelle Alternative zu Wahl stellt. Das ist wirklich was anderes als Akklamation, was man daran sieht, dass auch die NSDAP sich hat wählen lassen. Da standen Staatsprogramm und Führung also nicht so fest, wie bei den Wahlen danach oder in der DDR. Sowas empfindet die heutige Demokratie aber als Mangel und geht deshalb schon vorher gegen solche Alternativen vor, sie hält sich dann etwas darauf zugute wehrhafte Demokratie zu sein. Inhaltlich sind die Alternativen in der Demokratie an den Alternativen des Staatsprogramms orientiert, also nicht besonders groß, sodass sich der Unterschied zur Diktatur im Wesentlichen auf die personelle Auswahl reduziert. Putin kann man nicht wirklich wählen, sondern nur bestätigen, währenddessen man den Kanzler (oder das Parlament) eben wählt.
Nach der Wahl unterscheiden sich demokratische Untertanen und Untertanen einer Diktatur nicht großartig hinsichtlich ihres Verhältnisses zum Staat. Sie müssen machen, was die Regierung vorgibt. Es hat z.B. keiner die Politik gewählt, die die Koalition jetzt macht. Auch in einer Demokratie exekutiert die Regierung also frei vom Wählerwillen die Staatsnotwendigkeiten, man kann zwischendurch keinen Einspruch erheben, sondern erst am nächsten Wahltag und da wird auch nur über die Staatsalternativen und das Personal abgestimmt.
Was in der Demokratie noch anders ist, ist die Funktion der Öffentlichkeit. Da alle 4 Jahre ein Test auf den Willen zum Staat und den Verhältnissen stattfindet, sind in dieser Öffentlichkeit ein paar abweichende Standpunkte zugelassen und es herrscht Dauerwahlkampf. Die Öffentlichkeit wird dabei in einem staatstragenden Sinn reguliert. Es werden also nicht alle Meinungen zugelassen, sondern es gibt da durchaus Filter, die Meinungen passieren müssen, um in dieser Öffentlichkeit zu erscheinen. Bzw. bestimmen diese Filter, wo diese Meinungen erscheinen können. Die öffentliche Meinung wird also gleichfalls einem Lenkungsanspruch unterworfen.
So funktioniert das demokratische Überstülpen, das Sicherstellen der richtigen Ergebnisse als Resultat der öffentlichen Herstellung des Willens zur Legitimation der Herrschaft. In der Diktatur wird die Öffentlichkeit gemacht und in der Demokratie gelenkt - und zwar von einer Mischung aus verantwortungsvollem Journalismus und staatlicher Intervention. Dazu passt das Ideal der Volkserziehung.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (05.04.2022 19:47).