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  • Misanthrop0815

11 Beiträge seit 04.01.2010

Entmystifizierungsversuch, Teil 2

Erste Modellverfeinerung: Der Metzger muss für die von der ZB
geliehenen 100 KN, am Ende der Periode 101 KN an die ZB zurückzahlen.
Wir führen also einen Zins ein, und ich behaupte noch immer dies sei
fair. Warum? Weil sich gezeigt hat, dass im Durchschnitt 1% der
ZB-Forderungen ausfallen (die Schuldner werden z.B. krank oder
sterben). Gemäß des Versicherungsprinzips tragen also alle
Wirtschaftsteilnehmer gemeinsam das Ausfallrisiko der Einzelnen, ganz
so, wie z.B. eine Haftpflichtversicherung funktioniert, bei der die
Gemeinschaft aller Versicherten durch ihre Beiträge die Schäden der
Einzelnen abdeckt. Bei Krediten unter privaten Wirtschaftsteilnehmern
halte ich eine Zinsforderung des Kreditgebers für genauso moralisch
legitim. Der Zins ist ein Ausgleich für das Ausfallrisiko, das der
Kreditgeber trägt.

Fragen: 1. Wo kommt die fehlende 1 KN her (100 KN wurden ausgegeben,
101 KN werden zurückgefordert)? 2. Führt die Einführung des Zinses
nicht zwangsweise zu exponentiellem Wachstum der Geldmenge oder was
stimmt ggf. nicht mit dem Josephspfennig-Argument?
Zu 1: Der Metzger ist nicht der Einzige, der von der ZB Kredit
erhält. Tatsächlich erhalten ständig Wirtschaftsteilnehmer Kredit,
andere zahlen zurück. Ein anderer Wirtschaftsteilnehmer hat also,
sagen wir, 101 KN Kredit aufgenommen, für die er beim Metzger
einkaufen geht. Es bleibt der Fakt (in unserem Idelmodell herrscht
Preisstabilität), dass der Metzger eine Leistung erbringen muss, die
die Leistung die er ursprünglich erhalten hat wertmäßig (hier um 1
KN) übersteigt. Das Geld im Umlauf hat sich dadurch aber nicht um 1
KN erhöht (und würde daher zu einer entsprechenden Preissteigerung
führen), denn - so haben wir das System angelegt - es fällt an
anderer Stelle 1 KN aus, d.h. ein anderer Kreditnehmer zahlt 1 KN
weniger an die ZB zurück (und hat damit entsprechend weniger Leistung
erbracht) als er müsste. Der Metzger gleicht mit seinem 1 KN Zins
diesen ZB-Verlust aus und in Realgütern betrachtet (mit seiner
zusätzlichen Fleisch-Warenproduktion) die real ausgefallene Leistung
des säumigen ZB-Schuldners.
Zu 2: Da (in unserem Modell) der Zins nur die Zahlungsausfälle
ausgleicht, führt er weder zur Geldmengen- oder Preisinflation noch
folgt aus ihm ein Zwang zum Wachstum der realen (pro Periode
produzierten) Gesamtgütermenge. Das Insel-Geldsystem für sich
genommen, wäre verträglich mit einer Inselbevölkerung bei der jeder
nur genau so viel arbeiten würde, dass er mit seiner Leistung genau
seinen (konstanten) Konsumbedarf plus anteilsmäßig den
gesamt-gesellschaftlichen Zahlungsausfall decken würde.

Die Idee mit dem Josephspfenning veranschaulicht, dass (wegen des
exponentiellen Wachstums) ein einzelner Cent als Sparguthaben zu
Zeiten Christi Geburt angelegt bei normaler Verzinsung wegen des
Zinseszinseffektes heute ein riesiges Vermögen wäre. Was beweist,
dass sich die Geldmenge zwangsweise exponentiell vermehren müsste,
oder? Nein. Der Denkfehler liegt in der Annahme, es gäbe automatisch
eine Gegenpartei, die Bank, der die astronomische
Zahlungsverpflichtung erwächst. Tatsächlich ist die
Sparbuch-ausgebende Bank ein Kreditnehmer und kann (nachdem sich
durch den Zinseszins-Effekt ein nennenswertes Sparguthaben
angesammelt hat) nicht gezwungen werden, Periode für Periode beim
Sparbuchinhaber einen dann immer größeren Kredit in Anspruch zu
nehmen. Genau dieses Effektes wegen, hat jede Bank der Welt nach
einem gewissen Zeitraum (50 Jahre oder so) das Recht, die Zinszahlung
auf ein Sparbuch einzustellen, wenn sich der Inhaber nicht meldet
(und die Bank zu einer Erneuerung/Verlängerung des Vertrages
überredet).

So viel zu meinem Grundmodell und seiner ersten Verfeinerung. Eine
zweite Verfeinerung bestünde in der Aufnahme von privaten
Geschäftsbanken in das Modell. Nur so viel zu deren Rolle bzgl. der
Geldschöpfung in unserer realen Welt (wurde schon oft gesagt): Alles
hängt an der Definition des Begriffes "Geld". Ich schlage folgende
Zweiteilung zur Klärung der Sachlage vor: Geld im juristischen Sinne
(= gesetzliches Zahlungsmittel) und Geld im wirtschaftlichen Sinne
(alles womit man de facto bezahlen kann). Alles Geld im juristischen
Sinne ist auch Geld im wirtschaftlichen Sinne aber nicht umgekehrt.
Insbesondere Giralgeld (Sichtguthaben auf Girokonten) ist Geld im
wirtschaftlichen Sinne, das kein Geld im juristischen Sinne ist.
Dieses Geld (Giralgeld) können Privatbanken tatsächlich aus dem
Nichts schöpfen, Geld im juristischen Sinne nicht (das kann nur die
ZB). Wie schon oft bemerkt entsteht neues Giralgeld einfach durch
Gutschrift auf ein Girokonto. Die gutschreibende Privatbank muss
damit weder anderes Giral- oder juristisches Geld irgendwo abziehen.
Warum ist dies (für sich genommen) kein Betrug? Weil es sich
juristisch um ein Versprechen handelt (auch schon unzählige Male hier
festgestellt), ein Versprechen auf Auszahlung von juristischem Geld
auf Verlangen des Guthaben-Besitzers. Dass jemand (ohne weitere
Voraussetzungen zu erfüllen) ein Versprechen abgibt, ist für sich
genommen kein Verbrechen, oder? Die Verantwortung liegt m.E.
prinzipiell bei demjenigen, der das Versprechen entgegennimmt. Also,
wenn ich 1000 € auf meinem Girokonto habe, ist es prinzipiell - zu
Recht - erst mal mein Problem, ob die Bank ihr Auszahlungsversprechen
halten kann oder nicht - vorausgesetzt, ich habe mit der Bank
freiwillig den entsprechenden Vertrag abgeschlossen. An der
Freiwilligkeit hapert es de facto allerdings, da schon jeder
Arbeitnehmer zur Entgegennahme seines Lohns gezwungen ist sich diesen
auf ein Girokonto überweisen zu lassen und damit gar nicht vermeiden
kann das Ausfallrisiko seiner Bank zu tragen. Von Freiwilligkeit kann
keine Rede sein. Dass das Ausfallrisiko ständig größer und realer
wird, brauche ich hier wohl nicht zu betonen. Um uns die einzige
Fluchtmöglichkeit vor dem ungewollten Kredit an private Banken zu
nehmen, dient das zunehmend vorangetriebene Bargeldverbot (wurde hier
auch schon oft erörtert). Als (gewollten) Systemfehler im Geldsystem
ist m.E. hier zu erachten, dass es kein elektronisches gesetzliches
Zahlungsmittel gibt (jedenfalls nicht für normale Bürger, für private
Banken in Form von Guthaben auf Konten bei der ZB hingegen schon).
Natürlich will heute niemand ernsthaft sämtlichen Zahlungsverkehr
physisch durch den Austausch von Scheinen und Münzen abwickeln. Es
fehlt an der Möglichkeit, bei einer Bank ein Vollgeldkonto zu führen.
Guthaben auf einem solchen Konto wäre (per Definition) gesetzliches
Zahlungsmittel (Bargeld gleich gestellt) und könnte von einer
privaten Bank weder aus dem Nichts gutgeschrieben werden (sondern
könnte nur durch Transfer von bereits existierendem gesetzlichem
Zahlungsmittel auf ein Konto gelangen) und könnte auch nicht von der
kontoführenden Bank (unter Aufrechterhaltung des Sichtguthabens) an
Dritte weiter verliehen werden. Das wäre Betrug/Diebstahl und würde
entsprechend geahndet. Die Bank hätte also in diesem Fall eine reine
Verwahrfunktion (wofür sie sich zu Recht in Form von
Kontoführungsgebühr bezahlen lassen könnte), wie heute im Prinzip
schon bei Wertpapieren, die sie als Depotbank verwahrt und eine
Pleite der Bank könnte dem Kontoguthabeninhaber egal sein, da sein
Sondervermögen nicht betroffen wäre (die Bank verwahrt es ja nur und
"arbeitet" nicht damit). Diese Möglichkeit, als Privatleute
Vollgeldkonten führen zu können (nicht zu müssen), sollten wir von
der Politik fordern. Insofern ist m.E. Norbert Häring, der auf
Barzahlung seiner Rundfunkgebühren besteht und somit völlig zu Recht
einklagt, nicht zwangsweise einer Privatbank Kredit geben zu müssen,
nur um eine Zahlung zu leisten, auf dem richtigen Weg. Nur den
letzten Schritt geht er m.E. bis jetzt noch nicht, indem er es bei
der Forderung auf die Barzahlungsmöglichkeit belässt. Natürlich würde
auch er, da bin ich mir sicher, am liebsten mit gesetztlichem
Zahlungsmittel in ELEKTRONISCHER FORM, bezahlen, statt physisch mit
Scheinen und Münzen.

Fazit: Ich halte unser Geldsystem (fiat money) nicht für im
Wesenskern falsch oder ungerecht. Es krankt aber an folgenden
Details, deren Korrektur es politisch zu fordern gilt:
1. Bürger müssen die Möglichkeit erhalten, Vollgeldkonten zu führen,
d.h. die Möglichkeit erhalten, über gesetzliches Zahlungsmittel (zum
Zwecke der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, natürlich nicht zum
Sparen) in elektronischer Form zu verfügen. Banken wären damit aus
Bürgersicht nicht mehr systemrelevant. Jedenfalls könnte man uns dann
deren Rettung nicht mehr als alternativlos verkaufen mit dem Argument
unsere Guthaben müssten gerettet werden.
2. Die Rückzahlung der ZB-Kredite etlicher Schuldner wird nicht mehr
ernsthaft verfolgt. Überschuldete Banken werden mit immer neuen
Krediten (Kredite zur Rettung dieser Banken), die alte Kredite
ablösen, faktisch von ihrer Rückzahlungspflicht befreit. Damit ist
durch Leistung ungedecktes Geld im Kreislauf und wird Inflation
verursachen, sobald versucht wird, mit diesem Geld Realgüter zu
kaufen. Partielle Inflation in erheblichem Ausmaß ist schon vorhanden
z.B. auf Immobilien-, Aktien- und Kunstmärkten. Richtig schlimm (für
uns Nicht-Geldbesitzer) wird es, wenn die Geldbesitzer von diesen
Märkten auf z.B. Lebensmittelmärkte umschwenken.

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