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  • DJ Holzbank

mehr als 1000 Beiträge seit 03.09.2011

Re:

robbypeer schrieb am 30.05.2019 17:07:

Zur Zeit der Wende wurden im Osten Sendungen etabliert, die freiere Gedanken verbreiten durften: Radio Sputnik, diverse Jugendsendungen im Ostfernsehen etc.
Wer damals Ostsender empfangen konnte, erinnert sich.

DT64 und die Fernsehsendung ELF99. Gut.
Aber die Redakteure dieser Sendungen arbeiteten doch bereits _vor der Wende_.

Die Konsumsklaven wurden vorher auch schon durch Westsender gezüchtet. Außer im "Tal der Ahnungslosen" (wo keine Westsender empfangen werden konnten) gab es auch Westsender.

Das Problem war: Alles aus dem Westen wurde vorbehaltslos geglaubt, alles aus dem Osten komplett abgelehnt.
Dabei konnte die Wahrheit oft in der Mitte gefunden werden, Kritik an beiden Systemen war berechtigt.

Eine "mittlere Position" wollten tatsächlich viele Ostdeutsche in der Wendezeit einnehmen. So konnte man im Gründungsmanifest des Neuen Forums beispielsweise lesen:

"... Auf der einen Seite wünschen wir uns eine Erweiterung des Warenangebotes und bessere Versorgung, andererseits sehen wir die sozialen und ökologischen Kosten und plädieren für die Abkehr von ungehemmten Wachstum. Wir wollen Spielraum für wirtschaftliche Initiative aber keine Entartung in eine Ellenbogengesellschaft. ..."
> https://www.jugendopposition.de/node/151133?guid=922

Ein konkret-Autor ergänzte treffend: "Wir wollen Einkaufen wie in Hamburg und Mieten zahlen wie in Dresden."
Das geht nunmal nicht.

Die Verbreitung des Konsumentenbewußtseins im Osten, die ich für den stärksten Faktor halte, der zur Konsumenten- bzw. Konterrevolution von 1989 führte, geht m.E. nicht nur auf die westdeutsche Fernsehwerbung zurück, sondern war mehr noch ein Resultat des bereits erreichten Lebensstandards in der DDR und der damit verbundenen _Veränderung der Bedürfnisse_. Man ist gewissermaßen "auf den Geschmack gekommen" und wollte mehr.
Ganz plakativ formuliert: Der Mangel an Bananen wurde aufgrund dieser veränderten Bedürfnisse plötzlich als existentielles Problem empfunden.

(Siehe auch Marcuses "Der eindimensionale Mensch" über die Veränderung der Bedürfnisse in der Konsumgesellschaft)

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