Naturzucker schrieb am 18.12.2023 18:35:
Die Annahme hinter dem Merit-Order-Modell ist, dass Kraftwerksbetreiber immer ihre Kosten für die nächste produzierte Megawattstunde decken wollen, sonst würden sie diese nicht produzieren. Kraftwerke mit niedrigen Grenzkosten können daher einen niedrigeren Preis für ihren Strom anbieten und werden daher häufiger bezuschlagt als Kraftwerke mit höheren Grenzkosten.
Nur mal um die Ecke gedacht:
Die Anbieter haben überhaupt kein Interesse daran, ihren Strom aus EE oder anderen Kraftwerken günstig zu verkaufen. Welcher Mechanismus hindert sie daran, das Angebot an günstiger Energie künstlich zu verknappen, um dann mit wenigen teuer zu Grenzkosten erzeugten Kilowattstunden den Gewinn der anderen Kraftwerke so richtig in die Höhe zu treiben?
Antwort: keiner. Also wird es wahrscheinlich auch so laufen. Genau so, wie sich die Tankstellenbetreiber auf magische Weise immer mit ihren Preisen angleichen, werden die Stromanbieter es auch zu drehen wissen, dass mindestens immer ein teures Kraftwerk am Netz ist, um die Preise zu treiben.
Theoretisch wäre das möglich. Aber es gibt eben mehrere Anbieter, die sich nicht absprechen dürfen. Das würde sofort auffallen.
Außerdem ist das Modell in dem Artikel eben nur ein vereinfachtet Modell.
Es geht von Europa als einer Kupferscheibe aus. Es ist in dem Modell egal, wo der Strom produziert und wo er verbraucht wird. In der Realität bieten die billigsten Anbieter manchmal nicht dort an, wo man den Strom gebrauchen kann. Deshalb werden die Netzbetreiber einige Kraftwerke trotz niedrigen Preises nicht ans Netz lassen und andere zwingen, ihre Anlagen hochzufahren.
Man nennt das Redispatch und das kostete 2022 1,9 Mrd. Euro.
Eigentlich sind wir mit dem System vor der Liberalisierung nicht schlecht gefahren. Die Versorger (wie RWE) hatten Gebiete, wo sie sich um alles kümmern mussten, vom Brennstoff bis zum Zähler). Sie waren für die Versorgungssicherheit verantwortlich und mussten das Gesamtsystem optimieren. Sie mussten sich ihre Preise von den Aufsichtsbehörden genehmigen lassen.