dadadadi schrieb am 01.02.2022 17:04:
... aber ich verstehe nicht: Warum?
Einzelfälle von Staatsversagen kann man als himmelschreiende Inkompetenz entschuldigen, aber im Gesamtbild kann da nur Vorsatz dahinter stecken.
Aber ich verstehe nicht, was denen da oben es nützt, wenn es zum Aufstand kommt.
Sokrates
Nun, wenn man so ein dämlicher, unwissender, unwoker Verschwörungstheoretiker ist wie ich einer bin, dann könnte man die Antwort schlicht und einfach im Vertrag von Lissabon (2009) und der dazugehörigen "Grundrechtecharta" finden. Man könnte (jaaa, ist natürlich nur eine Verschwörungstheorie!) glauben, dass die derzeitigen Provokationen gezielt darauf hinauslaufen, so viel Druck im Kessel zu machen, dass es knallt - um dann mal richtig aufzuräumen und die lästige Demokratie durch etwas sehr viel einfacher zu Handhabendes zu ersetzen.
Der Vertrag erlaubt die Tötung von Menschen im Falle eines „Aufruhrs“ – was genau das ist, wird nicht definiert. So könnten auch Demonstrationen durchaus als „Aufruhr“ ausgelegt werden. Es wäre nach dem neuen EU-Recht unter Umständen legitim, randalierende Demonstranten einfach zu erschießen. (Grundrechte-Charta & Artikel 6)
In einer Focus-Money-Kolumne hat Oliver Janich, Journalist für die Financial Times Deutschland, Süddeutsche Zeitung und weitere, ein Interview mit dem Fachmann für EU-Verfassungsfragen schlechthin, Prof. Schachtschneider, veröffentlicht.
Die Kolumne kann u.a. in Focus-Money Ausgabe 35 vom 19.08.2009 auf Seite 78 nachgelesen werden.
Schachtschneider: Der Lissabon-Vertrag selbst ist nicht das alleinige Problem. Problematisch ist die dazugehörige Grundrechtecharta, die mit endgültiger Ratifizierung des Vertrags rechtsverbindlich würde. Diese ermöglicht in den dort aufgenommenen Erläuterungen und deren Negativdefinitionen ausdrücklich die Wiedereinführung der Todesstrafe im Kriegsfall oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr. Daneben erlaubt sie auch die Tötung von Menschen, um einen Aufstand oder einen Aufruhr niederzuschlagen.
NZ: Was genau steht an der entsprechenden Stelle der Grundrechtscharta?
Schachtschneider: Ich sollte vorausschicken, dass in Artikel 2 Absatz 2 zwar die Verurteilung der Todesstrafe und das Verbot der Hinrichtung geregelt sind. Allerdings gibt es nun eine in das Vertragswerk von Lissabon aufgenommene Erklärung zu diesem Artikel, die aus der Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950 stammt. Dort heißt es, dass eine Tötung unter anderem nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet wird, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die erforderlich ist, um jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen oder einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen. In einem zugehörigen Protokoll steht zudem, dass ein Staat in seinem Recht die Todesstrafe für Taten vorsehen kann, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden. An einer Stelle ist ausdrücklich davon die Rede, dass die Erläuterungen, die als Anleitung für die Auslegung der Charta verfasst wurden, von den Gerichten der EU und der Mitgliedsstaaten gebührend zu berücksichtigen sind. Es gibt noch zwei weitere Stellen in den Regelwerken, die das unterstützen.
Nun stellen wir uns einfach mal vor - einfach nur so, aus Jux, ja? - dass irgendwelche Politiker in den Spaziergängen heimtückischer Gehorsamsverweigerer einen "Aufruhr" sehen. Wäre ja nur eine Definitionsfrage, und die einzigen, die da eine Definitionshoheit haben, sind nun mal die Politiker ...
Gut, sowas wird natürlich NIE passieren, wie wir wissen.
Ostfildern ... äähhh ... ja, aber das war doch nur ungeschickt formuliert! Das war doch gar nicht so gemeint! Ehrlich!
Nun stellen wir uns einfach mal weiter vor, dass der "Kriegsfall" eintritt. Laut "Grundrechtecharta" ist das ja dann eine Situation, in der die Todesstrafe gegen Aufrührer und Aufständische verhängt werden darf.
Klar, wir haben keinen Krieg, deshalb wird das auch NIE ... oh, warte mal, wir hatten ja schon einen Jugoslawienkrieg mit deutscher Beteiligung ... und demnächst könnte es in der Ukraine ...
Nee, nee - kein Grund zur Beunruhigung, die Politiker werden von dieser Möglichkeit, unliebsame und vor allem ungehorsame Untertanen abknallen zu lassen, wenn die zu frech werden, ganz bestimmt keinen Gebrauch machen.
Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!
So, und nun bin ich mal gespannt, ob ich für das Zitieren der Zeitschrift "Focus Money" und für die Erwähnung des Vertrags von Lissabon samt "Grundrechtecharta" gesperrt werde ...
Mal sehen, wie lange dieser Kommentar hier stehen bleibt.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (02.02.2022 01:04).