Ansicht umschalten
Avatar von Corvus Corax
  • Corvus Corax

mehr als 1000 Beiträge seit 25.03.2002

Der Jugend Problem ist ein Aufmerksamkeitsdefizit

Die Werte unserer Gesellschaft - von Hilfbereitschaft,
Gerechtigkeitssinn, und Wertschätzung angefangen bis hin zu
Kleinigkeiten wie Höflichkeit oder sogenanntem guten Benehmen, sind
nicht angeboren.

Sie müssen erlernt werden, wie fast alle Fähigkeiten die den Menschen
vom Tier unterscheiden.

Das ist praktischerweise von der Natur so vorgesehen, kein anderes
Lebewesen macht eine Anteilig an der Lebensdauer eine so lange
Kindheits und Lernphase durch wie Menschen.

Nur müsste man der nachfolgenden Generation diese Werte eben auch
vermitteln, nur die Realität sieht anders aus.

Kinder suchen die Aufmerksamkeit von Erwachsenen, speziell der Eltern
und anderer Bezugspersonen. Deren Feedback ist primär ausschlaggebend
für das Erlernen des eigenen Verhalten.

In einer klassischen Familie - egal ob authoritär oder nicht, ist
diese Aufmerksamkeit in der Regel durch die Eltern gegeben, in nicht
zu unterschätzendem Maße auch durch ältere Geschwister. In
Kindergarten Schule und anderen "Betreuungseinrichtungen" dagegen
schon weniger. Ein Lehrer muss sich um alle kümmern, ein einzelner
Schüler hat kein feedback zu seinem verhalten solange ein gewisser
Threshold nicht überschritten wird, bei dem der Lehrer sich gezwungen
sieht einzugreifen. Dies ist aber erst an dem Punkt erreicht wo das
Verhalten des einzelnen die Gruppe nachhaltig beeinflusst (was dann
meist den Unterricht stört) Um überhaupt eine Reaktion auf das eigene
verhalten zu erzeugen muss also irgend etwas extremes gemacht werden.
Das hat den angenehmen Vorteil das derjenige auch eine
Vorbildfunktion für den Rest der jeweiligen Gruppe übernimmt. Positiv
wie negativ.

Nun ist es aber heutzutage üblich, das viele Kinder
a) auf sich allein gestellt sind, da Eltern berufstätig
b) die "Hauptbeschäftigungstherapie" der Kinder von den Medien
übernommen wird, weil diese die meiste Zeit vor dem Fernseher sitzen.

Nun bringen aber gerade passive Medien wie Fernsehen kein direktes
Feedback. Und die dort gezeigte Welt ist immer eine Verzerrung der
realen Welt in der fast grundsätzlich Extreme gezeigt und den
heranwachsenden Betrachtern so vorgelebt werden. Besonders Extrem ist
dies bei Nachrichtensendungen aller Art, die Grundsätzlich ihr
Augenmerk nur darauf richten "wo es brennt" und dabei nicht einmal
fiktiv sind.
Auch in Filmen und Serien wird niemals ein normales Leben gezeigt,
sondern immer irgend ein Sonderfall, irgend etwas Herausragendes.
(Logischerweise schliesslich liegt der zweck ja in der Unterhaltung,
sonst wäre Fernsehen ja nurnoch langweilig)

Dies wäre nicht weiter schlimm, würden nicht sonstige
Feedback-möglichkeiten fehlen. Doch Medien, egal ob passiv oder aktiv
wie das Internet, können aber nur Informationen und keine Werte
vermitteln.
Der vermittelte kollektive Stumpfsinn färbt natürlich ab, dadurch ist
es auch in Gruppen von Jugendlichen so, das nurnoch  der
Aufmerksamkeit erhält und als Nachahmenswert angesehen wird, der
auffällt, aus der Reihe tanzt, abnormal ist.

Normalität ist uncool, aus dem einfachen Grund, weil Normalität
keinen interessiert.

Erst wer es schafft, die Medienhure auf sich aufmerksam zu machen,
seine 15 Minuten Ruhm zu erschaffen, der ist wer, der scheint aus der
Irrelevanz des Alltags aufzutauchen und setzt dem Rest damit eine
Vorgabe die sich in das kollektive Gedächtnis einbrennt. Der nächste
muss das selbe Extrem schon ein Stück weiter treiben um das selbe zu
erreichen.

Die ganz oben genannten Werte aber werden von den derzeitigen
Haupterziehungsfaktoren unserer Gesellschaft keine Relevanz
eingeräumt. Wie sollen aber Kinder den Wert von Immateriellen Dingen
lernen, wenn alles "egal" ist, was unter der algemeinen
Aufmerksamkeitsschwelle liegt, und Richtiges wie Fehl- Verhalten
gleichermassen ignoriert wird?

Das Resultat ist logischerweise eine Generation der alles egal ist,
deren Aufmerksamkeit nur noch durch Extreme geweckt werden kann, und
sich schnell wieder anderem, belanglosem zuwendet, ohne das geringste
Gespür dafür was wirklich wichtig wäre, getrieben allein von
persönlichen Vorlieben und Egoismus. Und zwar auf allen
gesellschaftlichen Gebieten, von Politik bis hinunter in Familien zur
Erziehung der nächsten Generation - falls überhaupt noch jemand für
wichtig erachtet eine solche zu gründen.

Man kann das ganze auch als Dekadenz bezeichnen.

Wenn die eigene Karriere wichtiger ist als die eigenen Kinder braucht
man sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs diese Mentalität aufnimmt,
und auf alles anwendet.

Dabei scheint es so das sich viele wünschen würden, das endlich etwas
passiert, das die Menschen unserer Gesellschaft auf den Boden der
Tatsachen zurückholt und reale Werte wieder in den Vordergrund
stellt. Kriege und Katastrophen sind in der Regel hierzu in der Lage.
Karriere, Job, Ansehen und Ruhm sind nämlich plötzlich scheissegal,
wenn das Dach über dem Kopf fehlt, es kalt ist und nichts zu essen da
ist. Werte wie Hilfsbereitschaft und Sinn für Gerechtigkeit werden
dagegen Überlebenswichtig. Unabhängig ob die Kameras der Welt auf das
Geschehen gerichtet sind oder niemand jemals davon erfährt.
Bewerten
- +
Ansicht umschalten