Ansicht umschalten
Avatar von kafkamarktsubjekt
  • kafkamarktsubjekt

953 Beiträge seit 15.06.2017

Letztlich eine müßige Debatte...

Die Entscheidungen über die Politik der griechischen Regierung wurden nicht in Griechenland getroffen.
Federführend waren einerseits ein gewisser Herr Schäuble, die EZB und der IWF unter Führung der Gaullistin Lagarde (einer starken, empathischen, vor emotionaler Intelligenz strotzenden Frau, die wie kaum eine andere eine Glasdecke durchdrungen hat, dadurch allen Frauen der Welt Hoffnung gab, besonders den prekären Griechinnen, und dafür von uns allen! bedingungslose Solidarität verdient. Alles andere wäre sexistisch!).

Die Macht lag bei der Troika, und die Alternativen, die diese stellte, waren in etwa so wie die 1999 gegenüber Jugoslawien auf der "Konferenz" von Rambouillet.
Man konnte sie nicht annehmen, aber nur mit der Konsequenz des (Bürger-)Krieges ablehnen.

Da wir hier in einem deutschen Forum sitzen, muss ich leider sagen:
Ein katastrophales, historisches Scheitern der europäischen, herausragend auch der deutschen Linken.
Es zeigt so ziemlich, was besonders die deutsche Linke zu sein vorgibt, aber gerade nicht ist:
Ein mobilisierungsfähiges Bündnis von solidarischen, kämpferischen Menschen, die europaweit zusammenarbeiten für die Interessen der Lohnabhängigen, Prekären und sonstwie sozial Benachteiligten und Unterdrückten.
Man hat sich das als Linke von hier aus angeschaut, wie aus dem Fernsehsessel im Elfenbeinturm, etwa wie man 2003 zum Irakkrieg oder wie in Libyen und Syrien wie gebannt auf die Endlosschleife von CNN und N24 gestarrt hat, oder wie die schwäbische Hausfrau beim Bachelor mitfiebert; man hat beraten, aufgeklärt, diverse Ratschläge und Forderungen an diverse Telie der griechischen Linken gerichtet, und beim Scheitern der demokratischen Bewegung von hier aus diesem und jenem dort Naivität, Opportunismus oder Verrat vorgeworfen.
Man konnte jedoch im eigenen Land, wo man am besten organisiert ist, weder Massen solidarisieren, noch auf die Straße bringen, noch sonstwie politischen Druck aufbauen.
Nicht dass man keine klugen Analysen, richtigen Thesen und brillianten ideologischen Schlussfolgerungen hatte.
Man hat einfach trotz der Krise seit 2007/8 nicht vermocht, a) Zusammenhänge und Schlussfolgerungen konsistent im Bewußtsein der Massen zu schärfen, bezogen auf die allgemeine Lage in der EU,
b) ein Bewußtsein aktiver politischer Solidarität zu wecken gegen die Oligarchie, vor allem die hauseigene, und aktuell 2015 für die Handlungsmöglichkeiten der griechischen Massen samt ihrer Regierung.
Das ist ein langfristiges Problem, wenn die Menschen angesichts der Dauerkrise ab 2008 kein solidarisches Denken und Handeln entwickelt haben (wobei ja die Parteien, in diesem Fall die"linken" bzw. gutmeinenden, laut GG eine wichtige Rolle spielen sollten, und dies meist auch meinen, zu tun), kann man sie natürlich beim nächsten Super-GAU nicht mit ein paar Broschüren, Zeitungsartikeln und Parlamentsreden plötzlich zu Aktivisten machen.

Das grundsätzliche Bewußtsein, der praktische Wille zum Protest, gar zum Widerstand, müsste von innen kommen, von Herzen, der Verstand müsste ja langsam genug Daten haben, was hier in Europa seit den 2000er Jahren für eine Strategie samt passender Verarsche gefahren wird.

Ist aber leider nicht der Fall gewesen. Trotz 2008, 99%-Rhetorik, Talkshow-Gysi, Luxemburg-und Böll-Stiftung und was noch alles.

Occupy, Autonome, Grüne, Linke, SPD, alle haben sie nicht geschafft, auch nur einen Teil der Leute auf die Straße zu bringen wie beim symbolischen G20-Protestevent gegen irgendwie alle Bösen Machthaber der entwickelten Welt außer Mutti (und Onkel Wolfgang).
Man hat vor der rassistischen Hetze der BILD und Konsorten, dem "gesunden Volksempfinden" à la "Wir Deutschen müssen wieder schuften und den faulen Griechen die Schulden bezahlen, wir füttern die ganze Welt mit Entwicklungshilfe durch, und hierzulande auch noch die Asylanten etc.pp." und der absoluten Gleichgültigkeit der hippen, stylishen Postlinken kapituliert.
Die sonst so "radikale" Frauensolidarität hat Merkel auch nicht gerade die Bude eingerannt für die unterdrückten griechischen Schwestern.
Man hat sich seiner überlegenen kapitalismuskritischen Analyse versichert, seine prophetische Gabe über die Krisenhaftigkeit und Verruchtheit des (Finanz-)Kapitals und seiner deutschen Instanzen bestätigt gesehen, im Bundestag rhetorisch scharf das Vorgehen der Charaktermasken verurteilt( sich dargestellt für die Vergrößerung der Wählerbasis?), aber praktisch hat man gegen die Macht mal wieder nichts gekonnt.
Weil die Linke in Deutschland eben nicht der gemeinsame Ausdruck und das gemeinsame Handeln verbündeter sozialer Bewegungen ist, sondern ein disparate Anhäufung von Lifestyles, identitätspolitischen Steckenpferden (man beschäftigte sich z.B. lieber mit Initiativen, Insassen von Strafanstalten vegane Ernährung zu verordnen, Raucher zu bekehren usw.), und bürokratischer Repräsentation durch parlamentarische Parteien mit teils ehrenhafter, teils zweifelhafter und teils heuchlerischer Reputation.

Daher beziehe ich auch meine feste Überzeugung, dass die Behauptung, es gebe in Deutschland eine "linke Mehrheit", und daher müsse es möglich sein, diese in einer "rotrotgrünen" Bundesregierung zu materialisieren, wenn alle betreffenden Parteien nur wollten, reine Augenwischerei ist, ein demoskopischer Hokuspokus aus verschiedenen Meinungsbildern, Parteiprogrammen und Politikerphrasen irgendwie mit viel Wunschdenken zusammengeschustert.

Die Demo, auf der ich zu dem Thema persönlich war, drückt genau dasselbe aus, aber das ist eine andere Geschichte, und soll ein Andermal erzählt werden.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (25.07.2017 00:30).

Bewerten
- +
Ansicht umschalten