Ja, die Gefahr ist groß dass durch den inflationären Gebrauch von Extrembegriffen diese sich abnutzen und dann eine Geisterdebatte über Begrifflichkeiten entsteht, die für meine Begriffe zum jetzigen Zeitpunkt mindestens geschmacklos ist.
In Deutschland bleibt der Antisemitismusbegriff für immer mit dem Holocaust verbunden. Deshalb sollte man besonders achtsam damit umgehen.
Ich kann es emotional und menschlich verstehen, wenn Palästinenser so etwas wie "klammheimliche Freude" empfinden, wenn die Israelis gedemütigt und ermordet werden. Aber verstehen heißt nicht akzeptieren. Mir selbst ist das bei 9/11 klar geworden, als mein festgefügtes Bild von Amerika als Land der Aggression und der Arroganz erschüttert wurde und ich mit Entsetzen erkennen musste, dass ich mit meiner Schadenfreude auf der falschen Seite angekommen war. Und das in so einem Moment, wo ein Land durch Terror hunderte Menschen verliert, nicht der Moment ist um mit einem lapidaren "habt ihr ja nicht anders gewollt" vergilbte Rechnungen auf den Tisch zu legen.
Die Palästinenser haben, in ihrem unnachahmliche Talent sich auf die falsche Seite zu schlagen, von der Hamas und deren antisemitischer Agenda instrumentalisieren lassen. Islamisten stehen für mich für alles, was ich an Menschen verachte: religiösen Fanatismus, Missachtung des menschlichen Lebens, Dogmatismus, gewalttätige Unterdrückung von allem, was heiter, menschlich, humorvoll und vielleicht ein bisschen anarchisch und respektlos etablierten Hierarchien gegenüber ist. Verblendete, hasserfüllte alte Männer, die ihr Leben gelebt haben, schicken ihre fanatisierte Jugend in den Tod.
Ich bin ein wenig zwiespältig, ob es richtig ist, die Jubelfeiern der Hamas-Palästinenser zu unterdrücken, aber ich tendiere zu ja. Einerseits ist es ja ein Teil der Wahrheit, dass manche so ticken, aber es richtet einen riesigen Schaden für die palästinensische Sache an. Insbesondere für die Palästinenser, die das nicht so sehen, aber gar nicht mehr gehört werden. Ich hoffe, dass es die gibt.
Seit dem Artikel des palästinensischen Intellektuellen Ramzy Baroud hier auf TP bin ich in diesem Punkt aber einigermaßen verzweifelt. Da wird der Massenmord an wehrlosen Zivilisten zum "Angriff der Hamas auf zahlreiche israelische Ziele" und es wird die Demütigung der israelischen Armee gefeiert, die darin bestand, das nicht verhindert zu haben. Ich habe selten etwas dümmeres und perfideres gelesen als diesen Text. Da werden "die Errungenschaften des Widerstands im Gazastreifen gepriesen" und ihr heilsamer und mäßigende Einfluss auf die israelische Politik gelobt. Das ist deutlich mehr als meine "klammheimliche Freude", für die ich mich heute schäme - es ist die Propagierung von Massenmord als legitimes politisches Mittel. Von einem Volk, zu dessen Mythen der aussichtslose Widerstand im Warschauer Ghetto gehört, zu erwarten dass es sich dadurch (nach dem ersten Schock) wird einschüchtern oder zu Zugeständnissen erpressen lassen, ist einfach abgrundtief dumm. Das genaue Gegenteil wird passieren bzw. ist bereits im Gange. Ist das mal wieder Ausdruck schon erwähnten palästinensischen Talents, auf dem falschen Bein Hurra zu schreien? Und das kommt
nicht von jemandem, der die Welt von Gaza aus betrachtet, von wo vieles anders aussehen mag. Sondern offensichtlich von einer weltweit gesuchten palästinensischen Stimme. Was soll aus einem Volk werden, das von solchen (Schwach-)Köpfen geführt wird?
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (13.10.2023 21:09).