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  • Zetscho

mehr als 1000 Beiträge seit 03.02.2004

Jein

the observer schrieb am 15. März 2006 14:44

> Schuld oder nicht; Eltern heißen Erziehungsberechtigte, und ich
> finde, man müßte sie langsam umbenennen in Erziehungspflichtige. Es
> kann nicht angehen, daß der Staat Fehler in der Erziehung der Kinder
> ausmerzt.

Jo, aber die Eltern sind eben nicht die einzigen
Erziehungspflichtigen (finde ich gut, den Ausdruck), sondern genauso
Lehrer und überhaupt alle anderen "Erwachsenen". Die Fehler, die zu
einem derartigen gesamtgesellschaftlichen Defizit führen sind ja eben
nicht von den Eltern alleine gemacht worden, so gesehen müßte man
konserquenterweise auch Medien, Werbeagenturen, Fastfood-Restaurants,
Süßigkeitenhersteller etc. mit zur Verantwortung ziehen.

> Nein. Zu einen ist es überhaupt nicht gewünscht, daß Lehrer allzu
> großen Einfluß nehmen auf die Kinder. Das beginnt bereits vor der
> Schule, im Kindergarten. Was die Eltern oft erwarten ist eine
> Aufbewahrungsanstalt, in der sie ihre Sprößlinge mal schnell
> abkippen, wenn sie ein paar Stunden Ruhe vor dem Balg brauchen. Aber
> wehe, man tut nicht, was das Kleine gern möchte ("Unser Kind darf das
> zuhause tun, und wir möchten nicht, daß Sie es ihm hier verbieten!").

Sehe ich ein. Aber wenn die Mehrheit der Eltern das so sieht (und
dass das so ist, sehe ich genauso), dann muß die Art und Weise der
Schulen entsprechend angepaßt werden. Das ist jedenfalls einfacher
und realistischer als die Eltern neu zu "erziehen". Es sei denn Du
wüßtest was besseres, denn dass es so nicht weiter gehen kann, sind
wir uns sicher einig.

> Weiter gehts in der Schule in dem Stil. Es beginnt bereits damit, daß
> Schule und Lehrer einen unglaublich schlechten (und wie ich finde
> ungerechtfertigt schlechten) Ruf haben. Das bin ich ehrlich gesagt
> aus dem Osten, wo ich aufwuchs, nicht gewohnt, daß man die Schule
> (und zwar in einträchtiger Gemeinsamkeit und quer durch die Medien)
> in ein derart schlechtes Licht stellt.

Jo, finde ich auch bescheuert. Dass ich aber auf die Schule setze, um
das hier angesprochene Problem vielleicht nicht zu lösen, aber
wenigstens behandelbar zu machen, zeigt ja, dass ich nicht
grundsätzlich gegen die Schulen bin. :-)

> Nachdem man also ausreichend
> Rufmord betrieben hat, erwartest Du, daß die Lehrer ohne Einfluß und
> Rückendeckung durch die Gesellschaft nachholen, was das Elternhaus
> versäumt hat? Wie soll denn das biiteschön gehen?

Was schlägst Du vor? Die Eltern an die Kandare nehmen? Das halte ich
für eine wesentlich schlimmere und schädlichere Einmischung von Papa
Staat in die Erziehung als mein Vorschlag.

> Ein staatlich subventieniertes Bildungssystem, in das alle letztlich
> einzahlen, soll sich sozialer Problemfälle zuungunsten der anderen
> Lehrfächer, in denen wirklich Bildung vermittelt werden soll,
> annehmen? Nein, die Schule ist kein Lückenbüßer, und sie hat wirklich
> wichtigere Aufgaben zu erfüllen. Die Bedeutung einer fundierten
> Allgemeinbildung - ich sehe das immer wieder in Diskussionen, gerade
> was den Themkreis um Wissenschaft, Pseudowissenschaft, Esoterik
> betrifft - kann gar nicht genug betont werden.

ACK - das will ich auch in keiner Weise ändern. Nur, vernünftige
Allgemeinbildung kann man sich eh nur selbst aneignen, Schule
vermittelt da eher eine allgemeine, aber selten ausreichende,
Grundbasis. Sie könnte aber auch Interessen wecken und Kindern die
Möglichkeit geben, Interessen zu entdecken und Dinge auszuprobieren,
anstatt nur theoretisches Wissen zu vermitteln und via Prüfung
abzufragen.

> Die Schule soll ja auch keine Fachidioten heranzüchten. Schon allein
> deshalb nicht, weil die Lehrer ja niemals wissen können, ob der
> Schüler naturwissenschaftliche, künstlerische oder andere Neigungen
> entwickelt. Aber es ist (wir leben nicht mehr im Zeitalter des
> Grammpohons und der Pferdekutsche) notwendig, sich gewisse
> Grundkenntnisse in den Fächern anzueignen, die unsere Gesellschaft
> prägen. Und es ist erforderlich, das Lernen zu lehren, die Fähigkeit
> zu vermitteln, sich Wissen anzueignen und überhaupt erst einmal
> herauszuarbeiten, was Wissen überhaupt ist.

Klar, da stimme ich voll zu, aber gerade der letzte Punkt wird kaum
noch vermittelt. Und warum sollte Schule darüber hinaus nicht noch
Möglichkeiten und Anreize bieten? Wäre es schlecht wenn
Heranwachsende neben Elternhaus, Medien und Freunde noch andere
Bereiche hätten, in denen sie sich entdecken könen? Ich hätte gerne
mehr Möglichkeiten gehabt, und dabei hatte ich stets ein kreatives,
gebildetes und offenes Umfeld (dank meiner Eltern).

> > Daher wäre ich für eine
> > Ganztagsschule, in der neben dem Fachwissen, auf Wahlpflichtbasis
> > lebensnahe Fächer angeboten werden (Ernährungslehre, Medienkompetenz,
> > Psychologie etc.):

> Ich hielte das für eine fatale Fehlentscheidung. Über Ganz- oder
> halbtags möchte ich dabei gar nicht mal diskutieren, obwohl ich der
> Meinung bin, daß gerade Kinder nicht den ganzen Tag auf die Schulbank
> gehören. 

> > http://www.heise.de/tp/foren/go.shtml?read=1&msg_id=10043659&forum_id=94668
> Sorry, aber darauf vielleicht später eine Antwort.

Vielleicht solltest Du den Beitrag noch mal lesen, da erkläre ich
meinen Punkt besser.

> Aber Lebensnähe dürfen sie nicht aus der Schule erwarten.

Wer redet denn von erwarten? Da machst Du ja schon gleich den
Grundfehler, den auch heute schon viele machen: Von der Schule
erwarten, für einen selbst (seien es Schüler, seien es Eltern) etwas
abzunehmen, was selbst tun müssen. Die Schule kann und soll nur,
neben der Vermittlung von notwendigem Grundwissen, eine nötige
Plattform dafür bieten, und das könnten sie wesentlich besser als
heute, was sie imo nämlich kaum tun.

Übrigens bin ich eigentlich der Meinung, dass der Hauptteil der
Erziehung von den Kindern selbst gemacht wird: Wie und worüber sie
nachdenken, worauf sie neugierig sind, wie sie Erfahrungen
verarbeiten etc.

> Das ist (und sollte bleiben) traditionell Aufgabe der Erzieher, und

Ich sehe Lehrer auch als Erzieher.

> diese Aufgabe beginnt schon weit vor Schuleintritt. Ja - ich bin
> sogar der Auffasung, was die Kinder bis zum Schulbeginn nicht schon
> intus haben, wird ihnen in der Schule nur noch schwer bis gar nicht
> mehr zu vermitteln sein.

Jein. Persönlichkeit, ja (vieles kommt wohl schon mit den Menschen
auf die Welt). Aber die gesellschaftliche Interaktion lernt man doch
meist später. :-)

Gruß, Z.

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