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  • Stephan Schleim

mehr als 1000 Beiträge seit 27.01.2005

Mit anderen Worten: Sie haben sich emanzipiert

haschmich schrieb am 20.05.2016 15:37:

Mein Pessimismus bezieht sich explizit auf die vielen Mann-Frau Themen, in denen besonders stark Emotion statt Ratio regiert und in denen eine lange Geschichte von wirrer Taumelfahrt der "Reformer" existiert…

Ich würde sagen, dass das Gefühl dazu gehört und es auf die richtige Mischung ankommt.

Gerade, weil sie nur rational sind, sind so viele Männer Roboter (vom tschechischen robota = Zwangsarbeiter); hätten sie einen Bezug zu ihrem authentischen Gefühl, dann würden sie sich gar nicht so behandeln lassen. Für was? Eine Hand voll Geld.

Zwei historische Musiktipps, fürs Gefühl:
O König von Preußen (1815): https://www.youtube.com/watch?v=2D7rk6gOlEo
Reiters Morgenlied (1824): https://www.youtube.com/watch?v=Bjsh_2HjwpQ

Mein Bild vom Feminismus ist ein anderes. Viele Frauen haben hervorragende Analysen der gesellschaftlichen Verhältnisse geliefert. Man denke an Simone de Beauvoirs Meisterwerk; ein Augenöffner war mir auch das TP-Interview mit Christine Bauer-Jelinek ("Eindeutig ein Stellvertreterkrieg", http://www.heise.de/tp/artikel/38/38368/1.html) sowie danach ihr Buch "Der falsche Feind - Schuld sind nicht die Männer" (2012).

Was uns jetzt als Gleichstellung verkauft wird, hat mit diesem Feminismus aber sehr wenig zu tun. Dass man die soziale und ethnische Herkunft ebenso miteinbeziehen muss, ist eigentlich eine Binsenweisheit der Gender Theory. Die Durchschnittsfrau hat mit einer Frau Merkel, Schwesig oder von der Leyen in etwa so viel gemeinsam wie mit den Herren Maas, Seehofer oder Steinmeier.

Dennoch fallen viele auf diesen Karrierefeminismus herein, der Menschen in Frauen und Männer unterscheidet, dann einige Mittelwerte errechnet und Beseitigung der Differenzen derselben als Emanzipation verkauft.

Ideen dazu habe ich bereits hier ausformuliert:
Werbung für den Karrierefeminismus (http://www.heise.de/tp/artikel/44/44900/1.html)
Wem nutzt die Frauenquote? (http://www.heise.de/tp/artikel/47/47625/1.html)

Dieses Wissen ist für Frauen wie Männer wichtig. Darum schreibe ich; und in der festen Überzeugung, dass gesellschaftliche Verbesserungen nur gemeinsam möglich sind, nicht im (oft sinnlosen) Kampf gegeneinander.

Im Kern ist es aber das, was ich und viele andere aktive Väter mit der Zeit an sich selbst erlebt haben. Wir argumentieren nicht mehr und betreiben die "sachliche Seite" nicht mehr. Wir gehen. Wir führen keine Beziehungen, höchstens lose Verhältnisse; geniessen unser Leben und bezahlen niemand etwas, keiner Freundin, keiner Familie. Wir lassen keine Dogmen von aussen mehr zu, sind unerreichbar für den Staat oder eine Religion, wir lassen uns insbesondere nicht einreden, was wir im Leben zu tun hätten, um etwas wert zu sein: Vater werden, Familien ernähren, Einkommen und Arbeitsstunden als Wertmetrik einsickern zu lassen, sich an Konsum- und Imagespielchen zu beteiligen, ganz nach jeweils opportunem Wunsch mal der starke Mann sein sollen und mal der zurückhaltenden Vortrittlasser.

Schön, wie Sie das beschreiben. Mit anderen Worten: Sie haben sich emanzipiert!

Duden.de:

1. sich aus einer die eigene Entfaltung hemmenden Abhängigkeit lösen, sich selbstständig, unabhängig machen, Gleichstellung erlangen
2. sich loslösen, befreien

So gesehen hat Ihnen der (wahrscheinlich jahrelange) Streit doch sehr viel gebracht. Ansonsten hätten Sie vielleicht bis ans Lebensende schlicht eine Rolle gelebt.

Witzigerweise führt dieses Loslassen, unabhäng sein, "nicht reden" statt "sachlich argumentieren" zu viel mehr Anziehung auf Dritte. Mehr Leute fragen um Rat, kommen, vor allem Frauen sind aufgeschlossen und suchen Nähe. Auch dann, wenn ich so manche Einladung knapp und höflich beiseite schiebe. Offenbar ist attraktiver, was schwer erreichbar erscheint.

Ähnliche Erfahrungen mache ich auch.

Das destruktive Element darf auch vorhanden sein. Im Kontakt mit dem Staat und seinen Organen sich zu fragen, welches Verhalten viel Sand ins Getriebe streut, bringt gelegentlich Spass und bewirkte meistens mehr wie diese mühevollen, ehrlich-fundierten Argumentationen. Kann man unter anderem im Unterhaltsrecht erleben :-)

Nun ja, "Sand ins Getriebe" ist für mich kein Selbstzweck.

Zwar nicht im Unterhaltsrecht, doch im Verwaltungsrecht habe ich eine größere Sache durch alle Instanzen bis zum obersten Verwaltungsgericht gefochten und gewonnen. Das hat sehr viel Kraft gekostet, war aber auch sehr lehrreich. Was das eigentlich gebracht hat, werde ich wohl erst in ein paar Jahren wissen.

Man muss dabei aufpassen, denke ich, dass man nicht nur reagiert; denn durch die bloße Reaktion (auf etwas, das ein anderer/ein anderes vorgibt), ist man ja auch nicht frei, auch wenn der Rechtsweg zur politischen Freiheit dazugehört.

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