haschmich schrieb am 20.05.2016 20:51:
Man kann sich ähnlich wie in einer wirren Religion immer seine Propheten heraussuchen oder ablehnen - typischer Satz "das ist doch gar kein Feminismus".
Geschenkt – mir ist egal, ob Sie de Beauvoir "Feministin" nennen oder nicht; für mich kommt es darauf an, was sie schreibt. Dazu eine – meines Erachtens nötige – Korrektur Ihres Verständnisses:
Ebenso Beauvoirs zuweilen kluge Sätze - und gleichzeitig die bis heute katastrophal-grandiose Fehlaussage von ihr in ihrem Hauptwerk mit weitreichendster Bedeutung, Geschlechter seien reine soziale Konstrukte.
Das hat sie – nach meinem Verständnis – nie geschrieben, allenfalls Judith Butler, die Begründerin der Gender Studies, rund 40 Jahre später.
Den Satz, auf den Sie sich beziehen, muss man nicht nur im Kontext des Kapitels, sondern auch des ganzen Buches sehen. Im ersten Band diskutiert de Beauvoir ausführlich biologische Unterschiede zwischen Frauen und Männern und wie diese sich im Laufe der Geschichte gesellschaftlich auswirkten.
Ihr Standpunkt ist nicht, dass es keine biologischen Unterschiede gibt, sondern dass diese Unterschiede in einer modernen Zivilgesellschaft keine unterschiedlichen Wertigkeiten mehr begründen dürfen.
Im zweiten Band, also über die Erlebte Erfahrung von Frauen, schreibt sie dann den berühmten Satz:
Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Keine biologische, psychische oder ökonomische Bestimmung legt die Gestalt fest, die der weibliche Mensch in der Gesellschaft annimmt. Die gesamte Zivilisation bringt dieses als weiblich qualifizierte Zwischenprodukt zwischen dem Mann und dem Kastraten hervor… Für Mädchen wie Knaben ist der Körper zunächst die Ausstrahlung einer Subjektivität, das Werkzeug zum Verständnis der Welt: sie erfassen das Universum mit den Augen, mit den Händen, nicht mit den Geschlechtsteilen. (S. 334)
Die Erfahrung aller Menschen ist sowohl durch Körper als auch durch die Welt geprägt.
Wenn dafür ein Fenster offen gewesen wäre, dann bis vor etwa zehn Jahren…
Aber die Menschheitsgeschichte ist doch wie ein Pendel, das ewig hin und her schwingt. Wenn durch meinen Text das Pendel bloß eine Minute, oder auch nur eine Sekunde früher zurückschwingt, dann war das Schreiben der Mühe wert.
Ist doch erfreulich in manchen Punkten, solche Männer belästigen garantiert keine Damen, vielleicht schaffen es dann die nächsten Verschärfungen des Sexualstrafrechts (wie sie Grüne, LINKE und AfD einmütig fordern) uns doch noch zu Kriminellenund Vergewaltigern zu machen.
Ein Vorgriff auf Teil drei: "Wenn das Normale nicht kriminell genug ist, dann kriminalisiert man eben das Normale."
Nun ja, "Sand ins Getriebe" ist für mich kein Selbstzweck.
Das ist es nie. Es geht ja nicht darum, neues Leid zu erzeugen, sondern Veränderungsdruck. Den erzeugt man niemals mit Konzilianz und alles wie geschmiert laufen lassen, sondern indem man Kosten produziert, Folgen öffentlicher Schwachsinnigkeiten zurückspiegelt.
Das kann man so oder so sehen... Wenn man sich überlegt, wie in den USA der Sicherheitsapparat aufgebläht wurde, nicht erst seit 9/11, oder wenn man sich den War on Drugs anschaut, dann macht das deutlich, wie viele Ressourcen so ein Staat zur Selbsterhaltung seiner (diskriminierenden) Strukturen aufbringen kann.
Wenn man so will, dann sind die Gefangenen in zu 300% ihrer Kapazität belegten Gefängnisse alle Sand im Getriebe, doch das scheint mir für keinen der Beteiligten eine gute Lösung zu sein.
Wahrscheinlich hat es auch viel Geld gekostet, Anwaltskosten. Ausser, man kann dafür Verfahrenskostenhilfe verbrennen :-)
Ich habe mich zu 85% selbst verteidigt und vor allem wegen der Fremdsprache und der Prozedurregeln einen Rechtsbeistand ins Boot geholt. Hätte ich verloren, hätte der Staat seine Rechtskosten getragen; so bekam ich sogar meine Kosten erstattet, weil ich im Recht war.
Von einem durchgesetzten Zwangsgeld (wegen zu langsamer Bearbeitung) habe ich mir 2014 den ersten echten Urlaub seit 2003 genehmigt, eine Woche in Frankreich.