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  • Zynischer Beobachter

mehr als 1000 Beiträge seit 21.01.2007

sexualisierte vs. sexuelle Gewalt

Weil auch hier im Artikel zumindest in der Einleitung von "sexualisierter Gewalt" die Rede ist, möchte ich hier einmal darlegen, warum diese Bezeichnung im Kontext von Vergewaltigung falsch ist. Es geht hier ausdrücklich nicht darum, den Autor oder den Artikel zu diskreditieren, denn außer in der Einleitung wird konsequent von "sexueller Gewalt" geschrieben. (Das in der Einleitung war so offensichtlich auch nicht gewollt, was mir Herr Schleim per Mail bestätigte)

Aber wie oft liest man in dieser absolut überhitzten Scheindebatte, in der Herr Schleim ein willkommener Opponent des gängigen Medienkonsens ist, von "sexualisierter Gewalt"? Das allein ist in meinen Augen bestes Indiz für eine emotionalisierte und weit von Sachlichkeit entfernte "Debatte" - es ist ja keine echte Debatte, denn es fehlt ja größtenteils die Gegenposition zu "wir haben eine Schutzlücke - schaut doch nach Köln!!1!elf". Die Vertreter dieser Position benutzen in ihrem Feuereifer vollkommen falsche Begrifflichkeiten.

Was heißt denn "sexualisieren"? der Duden sagt:

jemanden, etwas in Beziehung zur Sexualität bringen und die Sexualität in den Vordergrund stellen


Oder anders gesagt, etwas als sexuell betrachten, das eigentlich nichts mit Sex zu tun hat und den sexuellen Aspekt dabei überhöhen. Das ist nichts weiter als ein Spezialfall von Fetischisierung.
Demnach braucht sexualisierte Gewalt also gar keinen richtigen Sex, denn sie selbst ist für die Ausübenden bereits gleichbedeutend damit bzw. dient ihnen zur Luststeigerung. Eine spezielle Form des Sadismus würde ich das nennen. In der Hälfte der Sado-Maso-Szene gibt es sie ja per Definition und das sogar mit vollstem Einverständnis der anderen Hälfte. Ob Sadismus an sich ausschließlich auf die Sexualsierung von Gewalt zurückzuführen ist, weiß ich nicht, spielt aber auch hier keine wesentliche Rolle.
Wenn nun also im Zusammenhang mit Vergewaltigung oder sexueller Nötigung von "sexualisierter Gewalt" gesprochen wird, dann heißt das, das die Täter nicht Sex als Ziel haben sondern die Gewaltausübung an sich der Befriedigung oder zumindest der Luststeigerung dient. Das mag in manchen Fällen ja sogar zutreffend sein, entspricht aber nicht den Definitionen von Vergewaltigung oder Nötigung. Die lauten nämlich stark vereinfacht so:
Anwendung von Gewalt mit dem Ziel sexuelle Handlungen zu erwirken. (Wer es genauer will, dem sei "Fischer im Recht" bei zeit.de empfohlen; da ist schon so einiges zu dem Thema verfasst worden)
Oder kurz und stumpf: Dem Ausübenden sexualisierter Gewalt, geht schon einer ab, nur weil er Gewalt ausübt, Sex muss dabei gar nicht im Spiel sein. Der Vergewaltiger hingegen bekommt seinen Abgang erst nach erfolgreichem Sex. Und da dieser nicht freiwillig "geliefert" wird, muss er Gewalt anwenden.
Oder noch kürzer: Bei sexualisierter Gewalt ist Gewalt das Ziel, weil sexuell konnotiert, bei Vergewaltigung nur Mittel zum Zweck.
Bei genauerer Betrachtung, muss man sexualisierte Gewalt ja auch nicht einmal selbst ausüben sondern kann sie ja auch erfahren und dabei Lust empfinden - die andere Hälfte der SM-Szene eben.

Wie kommt es aber zu solchen falschen Bezeichnungen? Da kann ich nur spekulieren. Ich nehme an, dass "Vergewaltigung und sexuelle Nötigung" zu sperrig sind, um sie immer wieder im Satzbau zu verwenden. Hinzu kommt, dass auch sexuelle Nötigung zu Gewaltanwendung umdefiniert wird. Damit ist beides ja schonmal Gewalt. Fehlt noch der sexuelle Aspekt, also wird erstmal "sexuelle Gewalt" draus. Das kann man aber auch nicht definieren. Jemand der den Kontext nicht kennt, weiß nicht, was das sein soll. Ich jedenfalls halte auch dieses Konstrukt für nicht zutreffend. Das liegt einfach an der Begrenztheit der Sprache: "Gewaltanwendung um Sex zu bekommen" kann man eben nicht weiter verkürzen als auf Vergewaltigung. Und letzterer Begriff ist auch nicht immer im sexuellen Kontext verwendet worden ("Vergewaltigung der deutschen Sprache", anyone? ;) ). Also korrektestens wäre m.E. sexuelle Vergewaltigung und Nötigung zum Sex. :P Wir haben schlicht kein deutsches Wort, das die gleiche Treffsicherheit wie das englische "rape" hat. Oder gibts schon einen Anglizismus? Brauchen wir eventuell einen?

Und sobald ich Artikel lese, in denen konsequent von "sexualisierter" Gewalt geschrieben wird, wenn Vergewaltigung und sexuelle Nötigung gemeint ist, stelle ich mir unweigerlich die Frage, ob die Autoren wirklich wissen, was sie da schreiben, oder nur mit Schaum vorm Mund einfach in die Tasten hauen, um auch mal mitzureden. Ich tendiere zu letzterem und nehme derlei Geschreibsel überhaupt nicht ernst.

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