Ansicht umschalten
Avatar von Pnyx (1)
  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Bildungsferne

Im Wissen, dass Impfung das rational Richtige ist und auch gegen Omikron Schäden mindert, dennoch ausgehend vom Konsens (mit von Westphalen), dass eine allgemeine Impfpflicht objektiv aus vielerlei Gründen, zu denen sich nach dem Auftreten von Omikron auch medizinische Tatsachen gesellt haben, objektiv nicht hilfreich ist, die Änderung der diesbezüglichen Position der deutschen Regierung ins Gegenteil daher prekär ist, wäre die angebrachte Reaktion darauf eine Untersuchung der Gründe dafür.

Dies genau leistet von Westphalen nicht. Er kritisiert umfangreich ohne den aufgelaufenen Erklärungsbedarf auch nur zu streifen. Stattdessen schreibt er fragwürdige Sätze wie den folgenden:

Schließlich besteht die Möglichkeit, dass die derzeitige Melderate von 0,2 Meldungen schwerer Nebenwirkungen auf 1.000 Impfdosen, die das Paul-Ehrlich-Institut bisher verzeichnet, bei jeder Boosterungs-Runde erneut zu verzeichnen ist.

Die so formulierte Aussage ist polemisch in ihrem Understatement, den es besteht dafür mehr als bloss 'die Möglichkeit', lenkt aber genau damit vom Begriff 'Melderate' ab, der mitteilt, dass es sich nicht um objektiv und sicher festgestellte 'schwere Nebenwirkungen' handelt, sondern eben bloss um Verdachtsfälle, die sich, wie auch von Westphalen weiss, sehr oft nicht bestätigen, oder gar schlüssig ausschliessen lassen.

Damit schlägt der Artikel den Sack, die womöglich kommende Impfpflicht, meint aber den Esel, die Rationalität des Impfens mit den verfügbaren Impfstoffen überhaupt. Womit er dann der auch hier im Forum weit verbreiteten Spezies des gemeinen Querschlägers steil vorlegt, eine Chance, die nicht ausgelassen wird.

Aber zurück zur von von Westphalen vernachlässigten Frage nach der Motivation oder Rationalität des Regierungshandelns. Trotz weitgehenden Wechsels des Personals hat sich daran nichts geändert. Die zentrale Sorge der Regierung gilt nicht der Gesundheit des Einzelnen, sondern der unbedingten, kurzfristigen Erhaltung der Funktionalität der Wirtschaftsmaschine. Das war auch schon bei den sogenannten Lockdowns so, die sich bekanntlich nahezu in ihrer Gänze auf den Freizeitbereich beschränkten. Nun gibts die Vakzine, zudem führend entwickelt von deutschem Kapital, eine Panazee, die das Problem entschärfe und damit die Angst nimmt, gegebenenfalls von wütenden Stimmbürgern - nicht die ohnehin verlorene Minderheit - nicht mehr im Amt bestätigt zu werden. Leider ist die Entschärfungswirkung mangelhaft.

Egal, nun heisst es allenthalben, man müsse 'lernen, mit dem Virus zu leben' - die an ihm Verstorbenen waren wohl bildungsfern -, vulgo, jetzt stellt euch nicht so an, impfen und durch! Der neue Bürgermeister von New York sagt das alles expliziter, als deutsche Politiker und wird als harter Hund gefeiert. Mitten in der grössten Ausweitung wird das Ende der Pandemie beschworen. Der Virus werde nun endemisch - was immer das in der Praxis heissen soll - und ohnehin mit jeder Reiteration harmloser. Das ist zwar bisher nicht abzusehen - Omikron verursacht bei Ungeimpften allenfalls einen Viertel weniger schwere Fälle, was sich allerdings auch der nun grösseren Erfahrung und medikamentösen Behandlung verdanken könnte, ist aber massiv ansteckender und verursacht gleichzeitig weit mehr asymptomatische Fälle, was seiner Verbreitung zugute kommt. Seit seinem Auftreten hat die Zahl der gemeldeten Todesfälle global nicht abgenommen, eher im Gegenteil. Und auch die Erwartung, Omikron werde weniger Long Covid verursachen ist zumindest bis anhin ein frommer Wunsch.

Eine Impfpflicht würde das Problem nicht lösen, eher weitere kollaterale Schäden verursachen. Aber nun die Diskussion auf diese Frage zu verengen ist im gegebenen Umfeld tendenziös und noch weniger zielführend.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten