Nochmal das von Neuber im Artikel formulierte Statement eines Telepolislesers zu Franz Alt: "Kurzfristig "Frieden schaffen mit Waffen", um das langfristige Ziel "Frieden schaffen ohne Waffen" zu erreichen. Das wäre ein differenzierter Pazifismus – ich nenne ihn Real-Pazifismus im Gegensatz zu Fundamental-Pazifismus."
Ist das nicht genau die kirchliche Rechtfertigungslehre des Krieges, die wir seit Kaiser Konstantin haben und die zur Friedenslehre Jesu in einem krassen Widerspruch steht?
Meine Meinung dazu: Es gibt selbstverständlich keinen "Realpazifismus" und "keinen Fundamentalpazifismus", es gibt nur den Pazifismus!
Und trotzdem zeigt Franz Alt mit dieser unsinnigen Unterscheidung exakt das Dillemma der Pazifisten auf.
Pazifismus ist eine fundamentale Überzeugung, die häufig mit der Realität nicht zusammenpasst. Vielen (auch mir!) ist das erst am aktuellen Beispiel der Ukraine so richtig klargeworden.
Ein überzeugter Pazifist kann gar keinen Unterschied machen, ob ein Land seine Souveränität, seine Demokratie und seine völkerrechtlich anerkannten Staatsgrenzen mit der Waffe verteidigt... ...oder ob ein Land ein anderes unter Missachtung der Souveränität, der Demokratie und der völkerrechtlich anerkannten Staatsgrenzen mit der Waffe überfällt...
...Und gerade der Ukrainekrieg hat mir bewusst gemacht, dass diese Unfähigkeit zur Unterscheidung MIR zeigt, dass ich nie Pazifist war, obwohl ich jahrzehntelang dachte, ich wäre einer, denn tatsächlich steht für mich das Recht, seine Souveränität, seine Demokratie und seine völkerrechtlich anerkannten Staatsgrenzen notfalls auch mit der Waffe zu verteidigen nicht nur über der Überzeugung des Pazifismus, sondern dazu auch im krassen Gegensatz.
Sicherlich werde ich dafür als Kriegshetzer hingestellt, aber wenn ich an die Demonstranten im Iran, den niedergeknüppelten Reformern in Belarus, oder an irgendeinen bewaffneten Konflikt der letzten 100 Jahre denke, dann ist mir jetzt bewusst geworden, dass der überzeugte Pazifismus dort noch nie geholfen hat. Es bleibt sogar zu vermuten, dass der überzeugte Pazifismus noch nie einen bewaffneten Konflikt verhindern konnte.
Ich bin nach wie vor bereit Ideen zu unterstützen, die jeglichen bewaffneten Konflikt verbieten und ächten wollen, aber die Menschheit hat vor Jesus und nach Konstatin gezeigt, dass Pazifismus immer nur eine fundamentale Idee war, die seit 20.000 Jahren Menschheitsgeschichte noch nie etwas mit der Realität zu tun hatte.
Wahrscheinlich sind in den Kriegen der letzten Jahrtausende Millionen von "ehemaligen Pazifisten" am Ende doch mit der Waffe in der Hand getötet worden, bzw. haben mit der Waffe in der Hand getötet...
...ist eine ziemlich düstere Erkenntnis für mich bezügl. des Pazifismus
Und wenn dann noch dazu kommt, dass die Friedensbewegung/der Pazifismus sich derzeit -auch aufgrund ihrer Überzeugung- kaum/gar nicht vor der Unterwanderung von Rechts schützen kann, dann habe ICH ein zutiefst schlechtes Gewissen, dass mir erst der Ukrainekrieg klar gemacht hat, dass "der überzeugte Pazifismus" eigentlich noch nie in der Menschheitsgeschichte irgendeine Relevanz hatte bzw. eine Realität abbildete.
Natürlich werde ich die Friedensbewegung weiterhin unterstützen, solange sie sich klar zu den Interessen der Überfallenen äußert und solange ich nicht mit Rechten demonstriere... ...aber ich glaube, ein überzeugter Pazifist werde ich dann doch nie werden können.
Wahrscheinlich ist Pazifismus nichts anderes, als das, was John Lennon mit "Imagine" meint... ...einfach nur ein Traum, den einzelne Menschen in politischen Führungspositionen, mit aller Leichtigkeit und Regelmäßigkeit und ohne reale Gegenwehr der Pazifisten "in die Tonne kloppen!" ...
...Ein Lied... ...ein Ziel... ...ein wehmütiger Wunsch, geteilt mit Milliarden von Mitmenschen, die momentan "in Frieden" leben, aber leider auch nichts mehr!
Wer nicht vom Krieg betroffen ist, hat es leicht, "Pazifismus" zum Dogma zu erklären, wer vom Krieg betroffen ist, träumt vom "Pazifismus" ... ...seit über 20.000 Jahren!