RvdtG schrieb am 14.10.2022 09:30:
Dass die Verteidigung " aber der macht das auch" keine erfolgversprechende Verteidigung ist.
Du machst gleich zwei Fehler. Der erste ist, dass es ja nicht um eine Verteidigung geht, sondern im Gegenteil um eine Anklage. Tatsächlich gilt zwar das Prinzip "keine Gleichheit im Unrecht", aber dafür gilt ebenfalls das Prinzip "gleiches Recht für alle". Wird also bspw. ein Mörder vor Gericht gestellt und verurteilt und kennt einen anderen Mörder, der von der Justiz nicht verfolgt wurde, so kann er zwar nicht der Strafe entgehen mit einem Hinweis darauf - er kann aber zu Recht verlangen, dass der andere Mörder ebenfalls verfolgt wird. Ein Staat, der dies nicht gewährleistet ist kein Rechtsstaat. Es geht also hier konkret nicht darum, dass Russland alle die Verbrechen auch begehen darf, die die USA bereits begangen hat, sondern dass es eine Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien bedeutet, wenn die USA anders behandelt wird als Russland, sprich: Wird Russland verurteilt, gehört die USA auch verurteilt.
Nur weil dein Nachbar ständig in der Feuerwehrzufahrt parkt ohne einen Strafzettel zu bekommen wird die ausnahmsweise doch mal vorbeikommende Politesse nicht darauf verzichten, jemand anderem, der dort in diesem Moment dort parkt ein Knöllchen ans Auto zu hängen.
Und hier kommen wir zum zweiten, ziemlich krassen Fehler, den Du begehst: Du findest also, dass das Führen eines Krieges direkt vergleichbar ist mit dem Begehen einer Ordnungswidrigkeit? Kannst Du das näher erklären? Und wenn nun Russland mit dem Einmarsch in der Ukraine Deiner Meinung nach lediglich eine Ordnungswidrigkeit auf derselben Stufe wie Falschparken begangen hat, wieso plädierst Du dann nicht dafür, dass Russland lediglich ein Knöllchen bekommt?
Tatsächlich gibt es im Rechtsstaat Verbrechen, bei denen kein Spielraum besteht. Das Ahnden einer kleinen Ordnungswidrigkeit ist per se ein Verwaltungsvorgang, der nicht flächendeckend alle Falschparker verfolgen muss. Selbst wenn Du als Gebüsster einen anderen Falschparkierer wegen Falschparkens anzeigst ist die Wahrscheinlichkeit relativ gross, dass dieser durch die Maschen schlüpft.
Kapitale Verbrechen wie z.B. ein Mord hingegen müssen verfolgt werden. Es gibt keine rechtsstaatlich konforme Möglichkeit für ein Organ der Exekutive oder der Justiz, einen Mörder seiner gerechten Strafe nicht zuzuführen, sofern Tat und Täter bekannt sind.
Es ist ein Fehler, das Führen eines Angriffskrieges und das Töten von Millionen von Menschen der ersten Klasse, nämlich der Ordnungswidrigkeit gleichzustellen, nicht etwa der zweiten Klasse, der Kapitalverbrechen.
Und ja, ein Rechtsorgan, das seiner Verpflichtung der Verfolgung von Tätern, die Kapitalverbrechen begangen haben, abhängig vom Täter systematisch nicht nachkommt, kann sich nicht darauf berufen, rechtsstaatlichen Prinzipen zu folgen.