JohnGeorge24 schrieb am 01.07.2023 23:38:
Weiß ich sehr wenig drüber, aber wäre mit dem, was sie sich als Ideal vorstellen, oder, was ich meine, sie sich als Idealzustand der menschlichen Gesellschaft vorstellen, sehr einverstanden. Nur, weder die Umstände, noch die Natur des Menschen lassen es zu. Alle Utopien gehen von falschen Menschenbildern aus.
Ja, Anarchie als sozialistische Strömung ist in der Praxis wenig erprobt - zwangsläufig: sie wurde von Trotzky in der Ukraine militärisch niedergeworfen (suche nach "Machnowschtschina" und / oder "Nestor Iwanowytsch Machno") und im Bürgerkrieg in Spanien durch Stalin hintertrieben (suche nach "Jose Peirats" und "Buenaventura Durruti Dumange" - kurz: -> Durruti): abgemurkst von Hinrichtungsbrigaden, durch Stalin instruiert: Stalin akzeptierte keine inner-sozialistische Opposition, weswegen er mit den Internationalen Brigaden auch Hinrichtungskommandos beauftragte, die spanische Republikaner und Anarchisten hinter der Front erschossen haben. Es war eine Zeit, in der Kommunisten in Spanien nur etwa 2.000 Personen zählten - Republikaner und Anarchisten zählten an Köpfen ein XplusX-faches. Spanien wurde durch Moskaus Handeln folgerichtig und zwangsläufig an die Faschisten verloren! Das wirkt sich bis heute aus!
Und richtig: die Natur des Menschen ist hier die Frage.
Tatsächlich bin auch ich als Anarchist nicht sicher, ob die Gesellschaftsordnung, die ich für möglich halte, an der menschlichen Natur scheitern könnte - ich muß allerdings damit rechnen. Doch ich behaupte: mit dieser Nachdenklichkeit bin ich definitiv einen Schritt weiter als Lenin und Trotzky. :-)
Grundsätzlich: alle anarchistischen Strömungen gelten als sozialistisch und sind definitiv nicht autoritär. Wobei ich anmerken will: ich habe auch schon linksradikale Autonome kennengelernt, die sehr dominant agierten. Diese Menschen sind im falschen Clup, das ist meine bescheidene Überzeugung.
Für Anarchisten, wie mich, gelten keine "absolutistischen" Entwicklungstheorien und Stufentheorien, wie Marx und Engels sie beschrieben. Solche Theorien zeigen nur eine Entwicklung, beschreiben aber nie das Ende derselben.
Zuletzt möchte ich nur eines aneren Menschen ans Herz legen: Menschen zu lieben, ist einer der sichersten Wege, ihnen nicht schaden zu wollen - und ihnen tatsächlich damit auch nie zu schaden. Lenin war da ganz anders gestrickt: er verachtete Massenbewegung, weil er offensichtlich Angst vor ihrer Wirkung hatte. Tatsächlich sind Massenbewegungen mit Vorsicht zu genießen.
Bemerkenswert wäre noch: Anarchisten sind (Radikal-)Demokraten. Etwas anderes läßt ihre Weltanschauung gar nicht zu - und ihr Charakter hoffentlich auch nicht. Erlennbar ist hier kein Weg in Bronze gegossen: ein vorsichtiges Vortasten mit dennoch konkretem Ziel: Kommunismus als finale Gesellschaftsordung ohne Staatsorgane. Und ich bin gar nicht überrascht, wenn Forenten meine Überlegungen mehrheitlich ablehnen. Es ist eben "nur" eine Idee und eine möglicherweise zukunfstweisende Idee.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (02.07.2023 02:29).