Ein Psychogramm Putins zur besten Sendezeit im ZDF, da war ich gleich
in zweifacher Hinsicht gespannt wie ein Flitzebogen.
Zum Einen erwartete ich Aufklärung darüber, woher seine
offensichtliche psychische Gestörtheit rührt, die er mittels
übersteigertem homophoben Machismo gern zur Schau trägt. Da lieferte
die Doku den Hinweis, auf den ich sowieso getippt hätte: Unsicherheit
gegenüber bzw. Angst vor Frauen und Sozialisation innerhalb
männerbündlerischer Geheimdienstkreise. Kein Wunder also und auch
keine Überraschung.
Viel gespannter war ich auf die Frage, mit welchen Mitteln diesmal
versucht wird, den ohne Zweifel in oben beschriebener Weise
dachgeschädigten Putin zum unberechenbaren Monster zu stilisieren.
Und das war nun wirklich der Hammer. Denn die gegen Schluss
behauptete Quintessenz des Beitrags wurde recht unvermittelt und ohne
wirklich kausalen Bezug zum vorher entwickelten Psychogramm (mit dem
sich noch halbwegs kausal erklären ließe, dass er eine Art
Angstbeisser ist, der nicht wie Napoleon enden möchte) vom russischen
Politologen Stanislaw Belkowski* formuliert:
"Putin ist kein Stratege, er ist ein Taktiker. Es wäre sinnlos, ihn
zu fragen, was in einem Jahr oder in 10 Jahren sein wird, er weiss ja
kaum, was er in 2 Wochen vorhat."
Womit sich dann ja auch ganz hervorragend erklären ließe, warum der
Putin immer so unvorhersehbar anders handelt, als der westliche
Narrativ vom expansionslüstigen Ukraine-Strippenzieher von ihm
eigentlich erwarten würde: der Mann denkt einfach nur von Zwölf bis
Mittag, ist sprunghaft, unberechenbar und daher in seiner
Machtposition die personifizierte Gefahr für den Weltfrieden
schlechthin. Ein Schreckensbild, mit dem man den unbedarften
TV-Konsumenten gern zurück lässt, braucht man doch möglicherweise
schon morgen seine Zustimmung zum Entfachen des WW III.
Man muss Putin nicht mögen und darf ihn ruhig für seinen
autokratischen Stil und Geheimdienstgewurschtel bis hin zum Mord an
Dissidenten oder möglicherweise gefaketen Terroranschlägen hassen.
Ihm zu unterstellen, er sei nicht in der Lage zu langfristigem
strategischen Denken und Handeln ist jedoch geradezu lächerlich,
insbesondere im Vergleich mit anderen aktuellen Staatenlenkern, und
hier nochmal explizit im Bereich der Aussenpolitik. Ein Beispiel
hierfür ist ökonomisch z.B. der von ihm forcierte Ausbau der
BRICS-Architektur.
Auch was Libyen und Syrien angeht, war es Putin, der vor unabsehbaren
Folgen gewarnt hat, während der Westen ziemlich planlos erstmal die
politische Ordnung zerschlägt (durch Organisationen wie OTPOR bzw.
wahllose Unterstützung von Oppositionskräften), um das entstehende
Chaos dann mit ebenso planlosen Luftangriffen zu maximieren, als
hätte man aus den Folgen der Ertüchtigung der Taliban in Afghanistan
nix gelernt.
Auch und gerade der Ukrainekrieg ist maßgeblich durch inkonsequentes
Handeln der Europäer (für die Amis lief es ja erstmal nach Plan),
allen voran Steinmeier, ausgelöst worden. Der hatte schließlich mit
Fabius und Sikorski nächtelang mit den ukrainischen Konfliktparteien
über einen zivilisierten Ausweg aus der bürgerkriegsschwangeren
Maidan-Situation verhandelt, zwar mit dem vorrangigen Ziel, den
eigenen politischen Einfluss in Kiew zu stärken und einen
Machtwechsel zu initiieren, aber immerhin auf politischem Wege und
möglichst ohne weiteres Blutvergiessen. Durch den gleichzeitigen
Putsch in der Werchowna Rada wähnte man das erste Ziel sicher, aber
dass mit der sofortigen Beschneidung der Rechte der russischstämmigen
Minderheit im Osten des Landes und auf der Krim durch die
Putschregierung (und später deren sog. "ATO") mit hoher
Wahrscheinlichkeit ein blutiger Bürgerkrieg ausgelöst werden würde,
hat man einfach in Kauf genommen, indem man, statt mit Hinweis auf
die Verfassungswidrigkeit des Putsches jegliche Unterstützung zu
versagen, flux dafür gesorgt hat, dass das Putschregime international
anerkannt wurde und sich fortan wie ein von der Kette gelassener
Höllenhund gebärden konnte. Dieser kriegsauslösende Kardinalsfehler
wird im Übrigen immer noch nicht eingestanden, selbst in den jüngeren
scheinbar selbstkritischeren Aussagen àla "Auch der Westen hat Fehler
gemacht..." nicht.
Nein, der Westen agiert auch weiterhin vorhersehbar planlos, die Amis
mit der Holzhammermethode "Waffen rein!", und Europa laviert
mittlerweile ziemlich belämmert hin und her und hofft, wenigstens mit
Minsk II noch die Westukraine in den Griff zu bekommen, der Donbass
scheint schon abgeschrieben zu sein.
Dagegen erscheint Putin geradezu glasklar orientiert und zielstrebig
zu sein. Dass er sich die Krim nicht einfach so entgehen lässt, kann
man eigentlich mit dem Geschichtswissen der Mittelstufe bzgl.
Russlands leicht nachvollziehen. Und durch den Verfassungsbruch des
Kiewer Putsches wurde er dazu quasi "legitimiert", seine Position
wäre bei einem rechtsstaatlichen Machtwechsel in Kiew
unverhältnismäßig schwächer gewesen. Dass er kein Interesse an einer
Eingliederung des Donbass hat, jedoch der dortigen Bevölkerung mit
geeigneten Mitteln Beistand leistet, hat er ebenfalls von Anfang an
erklärt und sich daran gehalten.
Auch sein ebenso permanentes wie erfolgloses Insistieren darauf, die
Separatisten als Konfliktpartei an allen Verhandlungen zu beteiligen,
machte durchaus hinsichtlich des Erreichen eines Friedens Sinn, nur
wollen die westlichen Gesprächspartner dies nicht, weil dies einem
Eingeständnis des subjektiven Handelns der Donbass-Gesellschaft in
diesem Konflikt gleich käme, wo man die doch so gern als willenlose
Marionetten russischen Expansionsdrangs verkaufen möchte. Die
Teilhabe der Separatisten an den Minsker Verhandlungen hätte
mindestens den Vorteil gehabt, dass man Debalzewe am
Verhandlungstisch hätte lösen können... wenn man es denn gewollt
hätte.
Jetzt muss ich mich aber bremsen, ehe ich hier noch allzu
überschwängliche Lobgesänge auf einen anstimme, den ich eigentlich
gar nicht mag und der mir auch höchst suspekt ist. Aber planloses und
sprunghaftes Agieren kann man Putin nicht einfach so unterstellen,
dies trifft vielmehr auf die EU zu, wo der Groschen in Zeitlupe zu
fallen scheint, dass man sich in der Ukraine gründlich verkalkuliert
hat und mit USA-gefälliger Einseitigkeit gegen Putin selbst am
Meisten schadet.
* Zweifel an Belkowskis glasklarer Analysefähigkeit bzgl. Putin sind
durchaus angebracht, siehe NZZ:
http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-endzeitherrscher-putin-1.182
71274
Scheint demnach fast so, als ob Belkowskis halbgare Analyse Grundlage
des Drehbuchs für die Doku war.
in zweifacher Hinsicht gespannt wie ein Flitzebogen.
Zum Einen erwartete ich Aufklärung darüber, woher seine
offensichtliche psychische Gestörtheit rührt, die er mittels
übersteigertem homophoben Machismo gern zur Schau trägt. Da lieferte
die Doku den Hinweis, auf den ich sowieso getippt hätte: Unsicherheit
gegenüber bzw. Angst vor Frauen und Sozialisation innerhalb
männerbündlerischer Geheimdienstkreise. Kein Wunder also und auch
keine Überraschung.
Viel gespannter war ich auf die Frage, mit welchen Mitteln diesmal
versucht wird, den ohne Zweifel in oben beschriebener Weise
dachgeschädigten Putin zum unberechenbaren Monster zu stilisieren.
Und das war nun wirklich der Hammer. Denn die gegen Schluss
behauptete Quintessenz des Beitrags wurde recht unvermittelt und ohne
wirklich kausalen Bezug zum vorher entwickelten Psychogramm (mit dem
sich noch halbwegs kausal erklären ließe, dass er eine Art
Angstbeisser ist, der nicht wie Napoleon enden möchte) vom russischen
Politologen Stanislaw Belkowski* formuliert:
"Putin ist kein Stratege, er ist ein Taktiker. Es wäre sinnlos, ihn
zu fragen, was in einem Jahr oder in 10 Jahren sein wird, er weiss ja
kaum, was er in 2 Wochen vorhat."
Womit sich dann ja auch ganz hervorragend erklären ließe, warum der
Putin immer so unvorhersehbar anders handelt, als der westliche
Narrativ vom expansionslüstigen Ukraine-Strippenzieher von ihm
eigentlich erwarten würde: der Mann denkt einfach nur von Zwölf bis
Mittag, ist sprunghaft, unberechenbar und daher in seiner
Machtposition die personifizierte Gefahr für den Weltfrieden
schlechthin. Ein Schreckensbild, mit dem man den unbedarften
TV-Konsumenten gern zurück lässt, braucht man doch möglicherweise
schon morgen seine Zustimmung zum Entfachen des WW III.
Man muss Putin nicht mögen und darf ihn ruhig für seinen
autokratischen Stil und Geheimdienstgewurschtel bis hin zum Mord an
Dissidenten oder möglicherweise gefaketen Terroranschlägen hassen.
Ihm zu unterstellen, er sei nicht in der Lage zu langfristigem
strategischen Denken und Handeln ist jedoch geradezu lächerlich,
insbesondere im Vergleich mit anderen aktuellen Staatenlenkern, und
hier nochmal explizit im Bereich der Aussenpolitik. Ein Beispiel
hierfür ist ökonomisch z.B. der von ihm forcierte Ausbau der
BRICS-Architektur.
Auch was Libyen und Syrien angeht, war es Putin, der vor unabsehbaren
Folgen gewarnt hat, während der Westen ziemlich planlos erstmal die
politische Ordnung zerschlägt (durch Organisationen wie OTPOR bzw.
wahllose Unterstützung von Oppositionskräften), um das entstehende
Chaos dann mit ebenso planlosen Luftangriffen zu maximieren, als
hätte man aus den Folgen der Ertüchtigung der Taliban in Afghanistan
nix gelernt.
Auch und gerade der Ukrainekrieg ist maßgeblich durch inkonsequentes
Handeln der Europäer (für die Amis lief es ja erstmal nach Plan),
allen voran Steinmeier, ausgelöst worden. Der hatte schließlich mit
Fabius und Sikorski nächtelang mit den ukrainischen Konfliktparteien
über einen zivilisierten Ausweg aus der bürgerkriegsschwangeren
Maidan-Situation verhandelt, zwar mit dem vorrangigen Ziel, den
eigenen politischen Einfluss in Kiew zu stärken und einen
Machtwechsel zu initiieren, aber immerhin auf politischem Wege und
möglichst ohne weiteres Blutvergiessen. Durch den gleichzeitigen
Putsch in der Werchowna Rada wähnte man das erste Ziel sicher, aber
dass mit der sofortigen Beschneidung der Rechte der russischstämmigen
Minderheit im Osten des Landes und auf der Krim durch die
Putschregierung (und später deren sog. "ATO") mit hoher
Wahrscheinlichkeit ein blutiger Bürgerkrieg ausgelöst werden würde,
hat man einfach in Kauf genommen, indem man, statt mit Hinweis auf
die Verfassungswidrigkeit des Putsches jegliche Unterstützung zu
versagen, flux dafür gesorgt hat, dass das Putschregime international
anerkannt wurde und sich fortan wie ein von der Kette gelassener
Höllenhund gebärden konnte. Dieser kriegsauslösende Kardinalsfehler
wird im Übrigen immer noch nicht eingestanden, selbst in den jüngeren
scheinbar selbstkritischeren Aussagen àla "Auch der Westen hat Fehler
gemacht..." nicht.
Nein, der Westen agiert auch weiterhin vorhersehbar planlos, die Amis
mit der Holzhammermethode "Waffen rein!", und Europa laviert
mittlerweile ziemlich belämmert hin und her und hofft, wenigstens mit
Minsk II noch die Westukraine in den Griff zu bekommen, der Donbass
scheint schon abgeschrieben zu sein.
Dagegen erscheint Putin geradezu glasklar orientiert und zielstrebig
zu sein. Dass er sich die Krim nicht einfach so entgehen lässt, kann
man eigentlich mit dem Geschichtswissen der Mittelstufe bzgl.
Russlands leicht nachvollziehen. Und durch den Verfassungsbruch des
Kiewer Putsches wurde er dazu quasi "legitimiert", seine Position
wäre bei einem rechtsstaatlichen Machtwechsel in Kiew
unverhältnismäßig schwächer gewesen. Dass er kein Interesse an einer
Eingliederung des Donbass hat, jedoch der dortigen Bevölkerung mit
geeigneten Mitteln Beistand leistet, hat er ebenfalls von Anfang an
erklärt und sich daran gehalten.
Auch sein ebenso permanentes wie erfolgloses Insistieren darauf, die
Separatisten als Konfliktpartei an allen Verhandlungen zu beteiligen,
machte durchaus hinsichtlich des Erreichen eines Friedens Sinn, nur
wollen die westlichen Gesprächspartner dies nicht, weil dies einem
Eingeständnis des subjektiven Handelns der Donbass-Gesellschaft in
diesem Konflikt gleich käme, wo man die doch so gern als willenlose
Marionetten russischen Expansionsdrangs verkaufen möchte. Die
Teilhabe der Separatisten an den Minsker Verhandlungen hätte
mindestens den Vorteil gehabt, dass man Debalzewe am
Verhandlungstisch hätte lösen können... wenn man es denn gewollt
hätte.
Jetzt muss ich mich aber bremsen, ehe ich hier noch allzu
überschwängliche Lobgesänge auf einen anstimme, den ich eigentlich
gar nicht mag und der mir auch höchst suspekt ist. Aber planloses und
sprunghaftes Agieren kann man Putin nicht einfach so unterstellen,
dies trifft vielmehr auf die EU zu, wo der Groschen in Zeitlupe zu
fallen scheint, dass man sich in der Ukraine gründlich verkalkuliert
hat und mit USA-gefälliger Einseitigkeit gegen Putin selbst am
Meisten schadet.
* Zweifel an Belkowskis glasklarer Analysefähigkeit bzgl. Putin sind
durchaus angebracht, siehe NZZ:
http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/der-endzeitherrscher-putin-1.182
71274
Scheint demnach fast so, als ob Belkowskis halbgare Analyse Grundlage
des Drehbuchs für die Doku war.