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  • demon driver

mehr als 1000 Beiträge seit 25.02.2000

Widerliche, antiemanzipatorische Anti-68er-Ressentiments

Ein Artikel wie der vorliegende ist ja nun zu wenig zu gebrauchen,
höchstens als eines jener sprichwörtlichen schlechten Beispiele.
Dieser hier dafür gleich mehrfach: als Beispiel für schlechten
Journalismus, als Beispiel für eine schlecht vorgebrachte Kritik, als
Beispiel für den kläglichen Versuch, mit pseudowissenschaftlichen
Versatzstücken wissenschaftlich auszusehen - und, dies vor allem, als
Beispiel für eine bereits in der Sache und in der Zielrichtung dann
auch noch komplett falschliegende Kritik.

Und die wichtigsten Punkte sind hier im Forum bereits zu Recht
angesprochen worden. Die Formfehler, etwa der falschzitierte und
darüber hinaus auch sprachlich falsche Titel, daneben das ebenfalls,
zumindest wenn es sich auf die jüngeren 'konkret'-Anzeigen bezieht,
falsch wiedergegebene Zitat der Trittin-Satire, sind eigentlich nicht
weiter erwähnenswert, sollten aber vor allem bei einem, der so
apodiktisch daherkommt wie der Elsässer, zumindest schon mal zur
Vorsicht mahnen - Vorsicht, Schwätzer.

Im Verlauf seiner Schmähschrift versucht der Mann, eine persönliche
Kritik an einem konkreten, prominenten Vertreter der
Achtundsechziger-Generation zu formulieren und diese dann in eine
Pauschalkritik der Achtundsechziger an sich zu transformieren. Wo
aber die Kritik an der Person Fischers schon nicht greift, gerät sie
im Ressentiment gegenüber den Achtundsechzigern geradezu zur Farce.
Eine Kritik an Fischer, dem man, soviel rafft Elsässer, aber das ist
ja auch keine Kunst, mitsamt seinen Parteikumpanen und -kumpaninnen
das komplette Überbordwerfen politischer Ideale und Ziele vorwerfen
kann und muss, dann aber an seinem Beziehungsleben festzumachen, das
ist schlicht albern, und darin eine Verbindung zu den
Achtundsechzigern herzustellen noch alberner. Vollkommen peinlich
wird es spätestens an dem Punkt, wo Elsässer ohne jede Ironie von
'Physiognomie' zu faseln beginnt. Spätestens damit kann man dann,
wenn man plötzlich von einem "Feiern bis zur Vergasung" lesen muss,
nicht mehr an einen bloßen Ausrutscher glauben.

Elsässer erweckt den Eindruck, seine rückwärtsgewandten, antiquierten
und ressentimentbeladenen Vorstellungen von Partnerschaft, Familie
und Sexualität aufs Angestrengteste zu entschärfen zu suchen. "Vier
Ehen ... könnte man als ... Privatangelegenheit auf sich beruhen
lassen", wäre da nicht. "... mindestens einmal im Jahrzehnt die Frau
oder sogar die sexuelle Orientierung wechseln. An dieser Flexibilität
wäre an sich wenig auszusetzen", würde sie nicht. Was da wäre oder
nicht, was da würde oder nicht, das hat dann aber in keinem Fall
irgendeine ethische oder moralische Relevanz für die betrachteten
Sachverhalt, und Elsässer macht sich auch kein bisschen Mühe, eine
solche irgendwie zeigen zu wollen. Weiter unten plärrt er es dann ja
auch heraus, wie er es tatsächlich sieht - nichts will er auf sich
beruhen lassen, sehr wohl hat er was auszusetzen, und zwar sehr
kategorisch: "Die Befreiung der Triebe zerfraß auch ...
Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe" - so ist das also mit den
Trieben. Klingt das nicht sogar mehr als nur ein bisschen wie beim
Treffen des städtischen CDU-Seniorenclubs? Wie auch der Rest von
Elsässers infantilem 68er-Bashing?

Sein Über-den-Kamm-Scheren der Achtundsechziger an sich ist ist ja
schon nur primitiv. Und einer wie Fischer ist eben nicht die Essenz
der Achtundsechziger, er ist lediglich eine von vielen aus ihnen
hervorgegangenen Facetten. Da hat es natürlich viele falsche Ansätze
gegeben, aber das kann kaum rechtfertigen, hier
Anti-68er-Ressentiments vom Turm zu blasen, mit denen man sich kaum
von den typischen rechtskonservativen bis ultrarechten
Achtundsechzigerhassern abhebt. Vom Niveau her wird es dort am
schlimmsten, wo er versucht, vermeintlich seriöse Fürsprecher für
seine krausen Theorien zu präsentieren und das Ganze dann auch noch
pseudowissenschaftlich zu verbrämen. "Psychoanalytisch gesprochen" my
ass. Da lassen wohl wieder mal Freud und seine Scharlatanerie grüßen.
Und zum Kronzeugen ernennt er dann ausgerechnet Houellebecq. Der
Schlusssatz möge dann auch den Schluss meiner Anmerkungen einleiten,
ich habe nämlich keine Lust mehr und ich widme mich stattdessen
lieber noch etwas dem Hedonismus - Wein, Weib, Gesang und so.
"Individualismus und die sogenannte sexuelle Revolution 'vernichtete
das letzte, was zwischen dem Individuum und dem totalen Markt stand:
die Liebe und die Familie'" - da hängt der Hammer also. Die Liebe und
die Familie. Abgesehen davon, dass die 'sexuelle Revolution' auch für
einen gesünderen, natürlicheren Umgang mit der Sexualität in festen
Beziehungen hochgradig wichtig, ja erforderlich war, ist es geradezu
absurd, die Familie als letztes Bollwerk des Individuums gegen den
Markt, den Kapitalismus zu propagieren. "Die Familie ist die
Brutstätte des Faschismus", meinte mir gegenüber mal ein guter
Freund. Es klingt hart, aber genauso ist es. Die zum Faschistoiden
tendierende, jeder aufgeklärten Vernunft hohnsprechende Verbohrtheit
und Aggressivität, die Elsässer hier an den Tag legt, um ausgerechnet
die Familie wider die Individualität zu preisen und gleichzeitig die
Achtundsechziger zu verunglimpfen, die ist wohl nur ein weiteres
Indiz dafür, dass der Freund Recht hat.

Es grüßt
d. d.
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