Bernhard Wiens schreibt:
Im bekannten Liedtext Hoffmann von Fallerslebens "Die Gedanken sind frei..." steckt bereits das ganze Dilemma, der Aufruf zur Befreiung von den reaktionären Mächten und die Kapitulation vor ihnen, die Überführung der Freiheit in die Innerlichkeit des Gedankens.
Wie groß muss der Knoten in den Hirnwindungen des Autors sein, um so einen Unsinn zu schreiben!
Der Text des Liedes ist von lebensbejahender Freiheitsliebe durchdrungen und macht Mut, sich selbst in Zeiten größter Bedrängnis durch Zensur, Gewalt oder Kerker seiner inneren Stärke zu besinnen und sich nicht unterkriegen zu lassen.
Klar könnte man aus der 2. Strophe den Aufruf herauslesen, lieber die Klappe zu halten und sich nicht mit der Obrigkeit anzulegen:
Ich denke, was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
In der 4. Strophe heißt es dann:
Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei.
Das Lied ist ein Mutmachlied und ein Aufruf gegen die Verzagtheit.
Wer hier wie der Autor eine "Kapitulation vor den reaktionären Mächten" und die "Überführung der Freiheit in die Innerlichkeit des Gedankens" herausliest, muss mit dem Klammerbeutel gepudert sein, um es vorsichtig auszudrücken.
P. S.: „Liberae sunt […] nostrae cogitationes.“ („Unsere Gedanken sind frei“), sagte schon Cicero.