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  • pk

mehr als 1000 Beiträge seit 10.10.2000

Wenn man's einmal verstanden hat...

... fällt es trotzdem nicht viel leichter, den meisten Erklärungsversuchen zu folgen, oder es selber anderen zu erklären, oder es zwei Monate später immer noch komplett aufdröseln zu können, wenn man sich nicht intensiv damit beschäftigt.

So wie man Tauschwert und Gebrauchswert unterscheiden muss, muss man auch Arbeitskraft und Arbeit unterscheiden. Für die Untersuchung der gesellschaftlichen Verhältnisse interessiert der Gebrauchswert bis auf einen Spezialfall eigentlich nur soweit, dass er bei einem Produkt vorhanden sein muss, um in die Sphäre der Tauschwerte einzutreten. Hat etwas keinen Gebrauchswert für niemanden, hat es auch keinen Tauschwert, kommt also als Objekt der Warenproduktion gar nicht erst in Frage.

Die Erkenntnis, dass der Tauschwert einer Ware prinzipiell der in ihr steckenden Arbeit entspricht und nur nachrangig durch Angebot und Nachfrage verändert werden kann, stammt nicht von Marx, auch nicht von Engels, sondern wird auch schon von Ricardo und diversen Vorläufern mehr oder weniger komplett erläutert.

Wo es wirklich interessant wird, ist die Frage, wie Arbeit gehandelt wird, wo also Arbeit als Ware auftritt. Was ist denn der Tauschwert der Arbeit, einen Eimer Kohlen ein paar Stockwerke hochzuschleppen? 50 Pfennig? 1M? 1€? 10Cent? Das reduziert sich auf die Frage, was es kostet, die Schlepparbeit zu reproduzieren. Wenn die dabei verbrauchte Energie in etwa einem Schokoriegel entspricht, dann entspricht der Tauschpreis der Schlepparbeit dem Tauschwert eines Schokoriegels. Verfuttert man den Schokoriegel, dann ist die Energie wiederhergestellt, und keiner hat einen Profit gemacht, aber der Eimer ist dort, wo er nützlich ist und irgendwer hat einen Schokoriegel dafür spendiert anstatt selber zu schleppen.

Der Arbeitsmarkt im Kapitalismus funktioniert noch etwas anders. Derjenige, der nicht über die Mittel verfügt, selber Waren zum Verkauf anzubieten, muss seine Arbeitskraft als Ware bereitstellen, da er sonst nichts hat, um selbst wieder die zum Leben notwendigen Waren zu kaufen.

Was ist der Tauschwert der Arbeitskraft? Das ist das Äquivalent der Lebens- und Versorgungsmittel, die der Arbeiter verkonsumieren muss, um diese Arbeitskraft bereitstellen zu können. Auf simple Verhältnisse reduziert, ist der Tauschwert eines Tages unqualifizierter Arbeitskraft einer Arbeiterfamilie die Menge von Lebensmitteln, die eine ausschliesslich selbstversorgende durchschnittliche Bauernfamilie im Schnitt an einem Tag produzieren muss, um auch in hundert Jahren noch als selbstversorgende Bauernfamilie zu existieren. Qualifizierte Arbeitskraft ist teurer, weil da noch Bildung und Ausbildung etc. hinzukommen, es lässt sich aber alles auf unqualifizerte Arbeitskraft umrechnen, so dass man das erst einmal vernachlässigen kann.

Und hier kommen wir zum Spezialfall des Gebrauchswertes, das ist nämlich der Gebrauchswert der Arbeitskraft, der darin besteht, Waren zu produzieren, die dann dem Käufer der Arbeitskraft gehören.

Der Käufer der Arbeitskraft möchte nun an diesem Geschäft einen Mehrwert verdienen, denn sonst könnte er den ganzen Quatsch auch lassen. Wie macht er das? Er muss dafür sorgen, dass der Tauschwert der von den eingekauften Arbeitskräften produzierten Waren höher ist als der Tauschwert der Arbeitskräfte plus seine eigenen Reproduktionskosten. Das schafft er vereinfacht gesagt durch stetige Verbesserung der Produktionsmethoden, so dass mit der selben Arbeitskraft immer mehr Waren produziert werden können. Der Mehrwert ist dann die Differenz zwischen dem Tauschwert der Arbeitskraft und dem Tauschwert der mit dieser Arbeitskraft produzierten Waren. Der Witz ist nämlich, dass mit steigender Produktivität die Menge an Arbeit, die geleistet werden muss, um den Tauschwert der Arbeitskraft auszugleichen, immer weiter abnimmt. Der Rest des Arbeitstags produziert Mehrwert, den der Kapitalist einstreicht. Der Mehrwert wiederum kann entweder verkonsumiert werden oder sich in zusätzliches Kapital verwandeln, in dem es in den Ankauf zusätzlicher Arbeitskraft, Produktionsmittel und Arbeitsstoffe investiert wird. So entsteht dann die Kapitalakkumulation. Mehrwert produziert mehr Mehrwert.

Noch witziger wird es, wenn man sich den normalen Kreislauf der Lohnarbeit ansieht. Normalerweise wird der Lohn ja erst nach Ablauf der Vertragsperiode bezahlt, also der Monatslohn nach Ende des Monats. Das heisst, der Arbeiter schiesst dem Kapitalisten die Arbeitskraft eines Monats vor, reproduziert in dieser Zeit den Wert seiner eigenen Arbeitskraft in Waren, schafft dann noch den Mehrwert des Kapitalisten, der ihm dann am Ende des Monats praktisch mit einem Bruchteil des von ihm produzierten Tauschwerts den Lohn bezahlt und den Rest für sich einstreicht, und dann auch noch so tut, als wäre er der grosse Gönner "ArbeitGEBER". Man fragt sich, wo die berechtigte Wut über diese Zustände abgeblieben ist.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.02.2021 17:26).

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