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173 Beiträge seit 19.01.2008

Enttäuschender Artikel

Das ist ein sehr enttäuschender Artikel von Thomasz Konics, dessen
sonstiges Werk ich sehr schätze. Im Unterschied zu seinen sonstigen
Veröffentlichungen gibt er hier moralische Bewertungen ab, die er
offenbar aus seinen eigenen Vorstellungen geschöpft hat und wo er von
sozio-ökonomischen Bedingungen völlig abstrahiert. Problematisch sind
insbesondere folgende Aussagen:

1. Man kann die Situation in einem "realsozialistischen" Land um 1968
nicht ohne weiteres mit der eines kapitalistischen Landes im Jahr
2010 vergleichen. In der BRD richten sich rassistischen Ressentiments
aktuell primär gegen Muslime (wobei der Antisemitismus durchaus auch
noch vorkommt, aber diese Vorurteile nicht mehr so stark sind, wie
die gegen Muslime). Es ist nicht ohne weiteres gesagt, dass eine
Thematisierung von israelischem Unrecht direkt zum Antisemitismus
führt, wie es 1968 in Polen geschah. Wer so etwas behauptet, müssten
versuchen, das auch nachzuweisen. Analogien reichen da keinesfalls.
Es kann genausogut sein, dass die aktuelle Krise zur Radikalisierung
des Muslimehasses führt, was die Niederlandes uns ja bereits
vorgemacht haben.

2. Man kann seriöse wissenschaftliche Untersuchungen zur Israellobby
wie die von Mersheimer und Walt in den USA nicht einfach mit der
Behauptung abtun, es gäbe auch andere mächtige Lobbys. Das verhindert
ja nicht, dass diese Lobby in ihrem speziellen Interessengebiet sehr
effektiv arbeitet.

3. Die Behauptung "Antiimperialisten" (Offenbar gemeint sind Blätter
wie die junge Welt, für die Konics übrigens selber schreibt) würden
das iranische Regime befürworten, ist falsch. Sie halten Distanz
sowohl gegenüber der Regierung als auch zur Protestbewegung, die sie
als Neoliberal und von den oberen Einkommensschichten dominiert
analysiert haben. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die
Regierung des Irans befürwortet wird. Offenbar kann sich Konics auch
hier nur die Alternativen unkritische Bewunderung und vollständige
Ablehnung vorstellen.
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