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  • einname

mehr als 1000 Beiträge seit 23.09.2002

Re: Historischer Kontext

crumar schrieb am 8. März 2010 14:18
> > - im Unterschied zu den Vertretern der europäischen Kolonialmächte
> > hatten die Juden 1947 nicht die Option, wieder in ihre Heimatländer
> > zurückzukehren, bzw. es war ihnen nicht zumutbar. Insofern war der
> > UN-Teilungsplan zwar diktiert, aber nicht unfair, sondern ein
> > Versuch, eine für alle erträgliche Lösung zu finden.

> Dazu gehört jedoch die Kenntnisnahme folgender Fakten:

> - Verfügt wurde über die Köpfe von ZWEI DRITTELN der Bevölkerung
> Palästinas - die wurden nämlich gar nicht erst gefragt.
> - Das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes wurde also
> komplett ignoriert.
> - Alle Nachbarstaaten lehnten den Plan ab. 
> - Es gab zu diesem Zeitpunkt überhaupt nur 600.000 Juden auf
> palästinensischem Gebiet.
Das ist alles richtig, ändert aber nichts daran, dass die Araber
damals mit der Annahme des Plans besser gefahren wären.

> Das etwas faktisch geschehen ist heißt nicht, dass es auch nur
> annähernd eine gute Lösung war.
> Es wurde in kolonialistischer Manier bestimmt.
Das etwas in kolonialistischer Manier bestimmt wurde, heißt aber auch
noch nicht, dass es eine schlechte Lösung war.

> Und so ging das Debakel los.
Nein, das Kind war zu dem Zeitpunkt bereits in den Brunnen gefallen,
aufgrund der unsäglichen britischen Politik in Palästina.

> Ich sage mal so: 

> VOR dem Teilungsplan besaß dieselbe Anzahl von Juden 6% des Landes -
> die hatten sie regulär erworben (bei Großgrundbesitzern).

> NACH dem Teilungsplan 54% des Landes.
Dazu gibt es auch einiges zu sagen:
- die Zahlen sind nicht falsch, aber zumindest irreführend. etwa 50%
des jüdischen Gebietes liegen im Negev, sind also nicht nutzbare
Wüste. Ein Großteil dieses Landes war schon damals besitzlos.
- wenn es keinen jüdischen Staat gegeben hätte, dann wäre Palästina
von einem der umliegenden Staaten annektiert (oder unter den Nachbarn
aufgeteilt worden). In der Tat hat Jordanien die Westbank nach 1948
annektiert und erst sehr viel später wieder aufgegeben.
- um das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes haben
sich auch und insbesondere die arabischen Führer nicht geschert. Zu
diesem Zeitpunkt war der Panarabismus die vorherrschende Ansicht,
d.h. die Araber verstanden sich als ein Volk. Die anderen arabischen
Nationen sind ja auch nur ein Produkt kolonialistischer Grenzziehung.
Und so gesehen ist der jüdische Teil Palästinas nur ein winziges
Stück Land im Verhältnis zum gesamten arabischen Gebiet.

> Dass die Palästinenser das nicht unbedingt für eine gute Lösung
> hielten, sollte einleuchten.
Ich sage mal so: zu diesem Zeitpunkt hielten die Araber alles, was
über 0% hinausging für eine schlechte Lösung. 

> > Deshalb halte ich es schon für angemessen, die Araber für die
> > Nichtannahme dieses Plans zu kritisieren. Aber natürlich gebe ich dir
> > recht, dass der Kolonialismus-Hintergrund des Nahost-Konflikts
> > thematisiert werden muss, weil das ein Schlüssel zu seinem
> > Verständnis ist.

> Exakt das. 
> Es reicht doch aus, sich mal den Empfindlichkeiten der Region zu
> stellen.
> Oder zumindest zu akzeptieren, dass diese da sind.
Da sind wir uns wieder einig. Aber dabei muss man auch aufpassen,
nicht in eine Schwarz-Weiß-Sicht zu verfallen.

> Damit wird in der politischen arabischen Welt Schindluder getrieben -
> gar keine Frage.
> Nur kann man doch nicht so tun, als hätte es den Kolonialismus in
> dieser Region nie gegeben.
Nein, kann man nicht und sollte man nicht. Umgekehrt sollte man aber
auch nicht vergessen, dass in sehr vielen Fällen kolonialistisches
Unrecht Bestand hat. Niemand würde von Australien oder Kanada
verlangen, sich aufzulösen und den Ureinwohnern das Land vollständig
zurückzugeben.

Deshalb finde ich es gut, wenn das den Palästinensern zugefügte
historische Unrecht auch deutlich benannt wird, aber es wäre
verkehrt, das Rad der Geschichte deswegen zurückdrehen zu wollen.

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