Der TP-Autor Lars Jäger schreibt:
Wie weit die Bespitzelung und Kontrolle konkret gehen kann, zeigt das Beispiel China, wo Daten- und Bürgerschutz keinerlei (bisherigen) westlichen Maßstäben genügen: Dort hat die Regierung angekündigt, bis 2020 einen "Citizen's Score" einzuführen. Darin sollen Informationen über Steuerehrlichkeit, Verkehrsverhalten und Einkommen, aber auch politische Meinungsäußerungen, Hobbies und Konsum eines jeden Bürgers in ein Punktesystem eingehen. Wer einen bestimmten Wert unterschreitet, weil er auf den falschen Websites war oder auf Facebook die falschen Freunde hat, wird aus bestimmten Berufen ausgeschlossen oder sein Bewegungsradius eingeschränkt. Mit einem hohen Wert winken dagegen Belohnungen wie Visa-Erleichterungen oder ein besserer Zugang zu einer guten Schule für die Kinder. Besonders effektiv ist, dass in die Bewertung eines Menschen auch die Punktzahl seiner Freunde in den sozialen Medien eingehen. Ist ein Dissident darunter, rutscht sofort die eigene Punktzahl und es wird schwieriger, zum Beispiel die Kinder studieren zu lassen. Dies generiert einen wirkungsvollen sozialen Druck, Abweichler aus der Gemeinschaft auszustoßen und zu isolieren.
In der chinesischen Wirtschaft gibt es bereits Beispiele und Vorbilder für ein solches Punktsystem. Beim "Sesame Credit" der Online-Shopping-Plattform "Alibaba" erhält jeder Kunde einen Punktwert, der sich aus seinem Surf- und Konsumverhalten im Internet berechnet. Viele Chinesen schätzen diese Punktezahl als eine Bestätigung des eigenen sozialen Standes - wer viele Punkte hat, ist ein zahlungskräftiger (de facto Alibaba-loyaler) Konsument. Die ihnen zugewiesene Punktezahl wirkt sich sogar auf die Selbsteinschätzung einzelner Personen aus: 100.000 Menschen prahlen bereits mit ihren Punkten in den sozialen Medien und nutzen sie u.a. auf Online-Dating-Sites, um das andere Geschlecht zu beeindrucken.
Das Beispiel mit dem "Citizen's Score" erinnert mich erschreckend und erschreckend präzise sowie 1 zu 1 an die Folge von "Black Mirror", in der genau das lebendig in Szene gesetzt wurde: "Black Mirror" Staffel 3, Folge 1 (m.E. eine "Netflix"-Serie).
Eine Regierung, die alle überwacht, ist in dieser Folge noch nicht mal direkt zu sehen. Die unausweichbare Diktatur besteht in dieser Folge viel mehr und zusätzlich auch darin, dass das "globale Dorf" der gegenseitigen allumfassenden und allgegenwärtigen Bewertung und Überwachung Aller durch Alle (noch fiktive) Realität ist. Das zentrale Mittel dazu ist in dieser Folge eine weiter entwickelte "Smartphone"-Technologie, mit der sich alle gegenseitig überall, in Echtzeit und auch auf der Straße und überall sonst bewerten können. Mit realen, integral mit sämtlichen Lebens-, Rechts- und Staatsbereichen verbundenen Folgen und Sanktions-Möglichkeiten.
Es lohnt sich m.E., sich die Folge anzusehen.
Was ich weniger erwartet hätte - wie so oft in Zukunfts-Dystopien - ist, dass das derart schnell in dieser Umfassendheit Realität werden könnte. Nur: Solche Dystopien setzen in der Regel auf Entwicklungen auf, die schon da sind, für feinsinnige Augen erkennbar sind und daher viel früher beginnen. Sie werden einfach nur konsequent weiter gedacht. Es braucht also m.E. kaum notwendig immer einen Aldous Huxley oder George Orwell, um vor absehbaren Entwicklung(smöglichkeit)en begründet zu warnen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (21.01.2018 15:56).