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  • Karl-Katja Krach

528 Beiträge seit 09.07.2019

Mehr Niveau bitte, dann klappt's auch mit dem Antisemitismusvorwurfs

"Aber die "Antisemiten-Macher" (Abraham Melzer) aller Schattierungen werden freudig die Chance wahrnehmen, jegliche Kritik an diesen abscheulichen Taten als antisemitisch zu denunzieren." (Mario Damolin)

Eine an Pauschalität nicht zu überbietende Aussage.
Genau diese polemischen Verallgemeinerungen sind hochproblematisch . "Antisemiten-Macher aller Schattierungen" ist nicht einmal ansatzweise eine Analysekategorie, sondern schlicht Denunziation. Gibt es bei tp überhaupt irgendein Lektorat um die Einhaltung journalistischer Grundregeln zu sichern? Ein Politmagazin ist doch kein Stammtisch. Da erwarte - nicht nur - ich, dass die Verfasser*innen nicht schneller schreiben (sprechen) als denken. Das macht schon KenFM.

Nehmen wir an, dass jetzt - mal wieder - jemand, nennen wir in Bernd - diese israelischen Scharfschützen mit den Nazis gleichsetzt. Daraufhin bekommt Bernd berechtigterweise den Vorwurf gemacht, den Nationalsozialismus zu verharmlosen und den Antisemitismus nicht ernst zu nehmen. Im Gegensatz dazu nimmt Bernd aber die Diskrimierung der Palestinenser äußerst ernst. Genau dadurch diskriminiert er Juden. Damit ist Bernd sogar nach der äußerst eng gefassten Definition von Georg Meggle noch ein Antisemit.

Wenn er solche Sätze wie den obigen von Mario Damolin liest, kann sich nicht nur Bernd, der aus Gedankenlosigkeit antisemitische Vorstellungen äußert, sondern jeder noch so beinharte Judenhasser von der Verantwortung für seinen Antisemitismus freigesprochen fühlen.

Ich selbst wurde bei aller Kritik am rechtsradikalen israelischen Regime, an der Siedlerbewegung und an gewissen rassistischen Entwicklungen innerhalb des israelischen Rechtes noch nie als antisemitisch bezeichnet und ich werde es aller Voraussicht nach auch weiterhin schaffen, meine Kritik so zu formulieren, dass mir, außer vielleicht von ein paar besonders übereifrigen philosemitischen Israelfreunden, keine Antisemitismusvorwürfe gemacht werden.

Wenn die analytische Vernunft aussetzt und der Pathos das Schreiben übernimmt, sollte man darüber nachdenken, ob es nicht an der Zeit ist, die Tastatur beiseite zu legen und den angestauten Gefühlen auf eine andere Art und Weise Luft zu verschaffen als durchs Schreiben. Ohne dieses wüste Ende hätte ein ganz ordentlicher Artikel daraus werden können.

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