Was da momentan angedacht und ausprobiert wird, ist an Unkreativität nicht zu unterbieten und zudem sehr gefährlich.
Die Rechteverwerter sind doch nur Aasgeier, die sich um die letzten Fetzen eines Erfolges balgen. Wenn man diese Tendenz mal extrapoliert, dann haben wir bald ein jahrtausendelanges Langeweileprogramm aus immer den gleichen Quellen. 100 mal mehr Beatles, Stones, Pink Floyd, Bach, Beethoven, Mozart, Marilyn Monroe, Hugh Grant, Sean Connery, in jung und alt. Dazu Picassos, Dalis, van Goghs und Michelangelos, das gleiche mit Schriftstellern und Autoren.
Es wird das Problem auftauchen, dass die Quellen unbekannt sein werden. Wer ständig nur Beatles hört, wird niemals Madonna entdecken und umgekehrt. Dann sitzen die Beatles-Rechteverwertern auf ihrem Milliardenschatz, aber sie gewinnen keine neuen, jungen Freunde.
Junge Künstler werden mit Urheberrechtsschutzklagen niedergewalzt, weil sie gleiche Nase, eine ähnliche Stimme, Satzbau, Motorik oder sonst was haben, worauf irgendjemand ein Recht besitzt. Sie haben keine Chance von ihren Vorbildern zu lernen, denn dazu gehört auch Kopieren, Studieren, Variieren, nur den wenigsten gelingt es selbst heute eine wirklich eigene Künstleridentität zu entwickeln. In dieser Zukunft ist das ausgeschlossen.
Die Kunst ist bereits jetzt so gut wie tot. Es heißt zwar, sie wäre frei, doch sie ist durch und durch kommerzialisiert. Kunst ist ein Anlageobjekt. Ich habe jemanden kennengelernt, der wählt für seine Klienten Kunstwerke aus, für die er eine Wertsteigerung erwartet. Dem Anleger ist es egal, ob ihm das Werk gefällt, er sich angesprochen fühlt, irgend etwas daraus lesen könnte oder den Künstler mit dem Kauf fördern zu wollen. Die Wertsteigerung ist das einzige Kriterium.
In einer solchen Atmosphäre kann keine Kunst gedeihen und jetzt kommt noch die KI dazu, um diesen Markt noch einmal aufzublähen, weil es ja nicht schon genug Einfallslosigkeit geben würde. Das ist eine Blase, die platzen wird.
Doch die Kreativität wird sich wieder einen neuen Weg bahnen, das war bislang immer so. Revolutionäre kreative Köpfe haben sich immer gegen den Strom bewegt. Der jetzige Feind der Kunst ist die Kommerzialisierung, der anstehende die Rechteverwertungsindustrie, der nächste Schritt der Kommerzialisierung.
In meiner beruflichen Tätigkeit beschäftige ich mich auch gelegentlich mit "Speculative Design". Darin werden Aussagen über mögliche zukünftige Entwicklungen in Design und Gesellschaft diskutiert und als fiktive Produkte, Dienstleistungen oder Situation präsentiert. Diese Prognosen sollen den Horizont für mögliche Wechselwirkungen erweitern und orientieren sich nicht an persönlichem oder gesellschaftlichem Wunschdenken. Es ist eher ein "Wenn wir so weitermachen, dann könnte das zu folgendem führen."
Die logische Folge daraus ist eine unkommerzielle Kunst. Diese Kunst wird sich auch nicht um Rechte kümmern, nicht die eigenen und auch nicht die fremden. Kunst legt den Finger in offene Wunden, sie wird provozierend und verstörend sein und sich um absolut keine Konventionen mehr kümmern.
Sie wird Punk extrem sein, mit Müll, Extrementen, Schmutz, Ekel, Leid, Umweltverschmutzung, Krankheit, Gewalt, Verbrechen und allem anderen arbeiten, das von der Rechteindustrie gemieden wird. Sie wird, verzeiht mir das Wort, Scheiße ohne Ende produzieren und diese der Gesellschaft unter die Nase reiben. Und zwar jedem, nicht nur ein paar elitären Kunstfreunden. Haufen aus Gelben Säcken, der Inhalt von Dixie-Häuschen auf die Straße geschüttet, Festnahmen wegen Ladendiebstahls, brennende Autos, erfrierende Obdachlose und absichtlich mit Öl oder Chemikalien verschmutzte Seen und Flüsse, das Spektrum ist unbegrenzt, wird als Kunst, bzw. künstlerischer Ausdruck erklärt werden.
Solche oder ähnliche Kunstprojekte gab es bereits in der Vergangenheit, aber nur als Einzelaktionen und nicht in dieser drastischen Ausdrucksweise. Das hört sich nach kompletten Irrsinn an, es ist es eigentlich auch, aber bewusst gehandelt ist es Kunst. Ihre Botschaft ist: "Was soll ich anderes mit meiner Kreativität anfangen, wenn ihr mir nur noch die Scheiße übriglässt? Hier habt ihr sie!"
Natürlich wird es einen Aufschrei in der Bevölkerung geben, man wird diese Künstler als Terroristen bezeichnen, verfolgen und verurteilen. Andere Gruppierungen, wie z.B. Extinction Rebellion, werden davon beeinflusst werden und ihren Aktivismus unter anderen Gesichtspunkten betrachten. Es wird alles andere als lustig werden, soll es auch nicht.
So in etwa könnte es kommen, wenn die KI weiter nur im Sinne der kurzfristigen Reichtumsvermehrung und der Optimierung von Prozessen eingesetzt wird. KI kann aber auch kreativ genutzt werden und damit neue künstlerische Ausdrucksweisen ermöglichen. Das benötigt jedoch eine Abkehr vom jetzigen Verwertungsverhalten von Wissen und Rechten.
Alternative, nicht ganz so dystropische Szenarien habe ich in der Vergangenheit hier zu skizzieren versucht: