Es fängt an mit "weil sie als Leisedenker selbst selten in Konflikt mit Autoritäten geraten"
Die Lautstärke allein ist für den Autor also das Kriterium, ob jemand mit den Autoritäten in Konflikt tritt, nicht der Inhalt des "Gedachten"? Das allein ist ja schon eine Unterstellung, bei der ich ernsthaft überlegt hatte, den Artikel noch weiter zu lesen.
"Wer hingegen heute die Wirkmacht des wie ein Damoklesschwert über jedem hängenden materiellen wie sozialen Drucks leugnet, "
Das ist doch kein Phänomen des Heute, das war doch immer schon so. Ganz im Gegenteil, kritische Geister können sich heute mehr den je ausdrücken. Früher ging der Kritiker des jeweiligen Königs/Fürsten/Papstes mal schnell in die Folterkammer. OK, zugegeben, ein Shitstorm in den heutigen sozialen Netzwerken kann sich sicherlich ähnlich anfühlen.
"die Rede von "Worten, auf die Taten folgen", arbeitet derweil nicht nur an der Umkehrung der Tatsache, dass es politische Taten sind, die bestimmte Worte und Redeweisen in den Umlauf bringen, sondern verfolgen auch den Zweck, jene Worte (also lauten Gedanken) von vornherein zu unterbinden."
Hier bewegt sich der Autor IMHO auf zu hoher Flughöhe. Sie verfolgen nur den Zweck, Straftaten zu unterbinden. Das politische Taten Worte und Redeweisen schaffen, ja, auch. Aber unbestreitbar können auf politische Worte auch Straftaten folgen. Da wird nix umgekehrt.
"Erwartungen eines bestimmten gesellschaftlichen Milieus."
"andererseits schweren materiellen und sozialen Konsequenzen bei der Inanspruchnahme dieser liberalen Meinungsfreiheit"
Nochmal. Das war schon immer so, das ist sicherlich nichts Neues.
"die Veranstaltungs-Ausladungen oder Job-Entlassungen vornehmen, lediglich aufgrund einer bestimmten Meinung"
Hier gebe ich dem Autor Recht, solch vorauseinlender Gehorsam ist einer angeblich offenen Gesellschaft natürlich nicht würdig. Die paar lauten Heuler müsste man aushalten können.
Aber widerspricht sich da der Autor da nicht selber, dass es die lauten Heuler eigentlich gar nicht geben dürfte, da sie ja Kritik an der Öffentlichkeit einer Uni- oder Medieneinladung äussern? Hier fehlt mir im Artikel die kritische Selbstrefektion.
Die am genauesten beschrieben ist mit Mao Zedongs Ausspruch "Bestrafe einen, erziehe Hunderte!"
Das ist der grundlegende Mechanismus von Bestrafung. Das mag Mao gesagt haben, ist aber auch keine neue Erkenntnis. Der Begriff des Exempel statuierens ist sicherlich bekannt.
"Nur sollte man diese Praxis (des Absagens und Kündigens) dann nicht leugnen und behaupten, jedem sei alles erlaubt. "
Auch hier hat der Autor vollkommen Recht.
"Die Mitglieder der nicht besitzenden Klasse, den abhängig Beschäftigten, müssen sich dagegen mehrfach überlegen, was sie öffentlich sagen, weil Formen der Sanktionierung für sie existenziell bedrohlich wären."
Der Autor wiederholt sich mittlerweile mehrfach. Und ja, das ist nichts Neues. Woran man erkennen kann, dass dieses über die Jahrtausende ungelöste Problem nicht ganz trivial ist. Denn würde man dem Sanktionierenden seine Sanktionen untersagen, würde man in dessen Meinungs- und Handlungsfreiheit eingreifen. Da muss man mit Bedacht vorgehen. Und ständige Überzeugungsarbeit leisten im Sinne Voltaires: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß Sie sie äußern dürfen.“
"Dass es sich nämlich bei bürgerlichem Staat wie seinen Öffentlichkeitsräumen um einen Privatbesitz handelt, zu dem der Zugang ganz selbstverständlich für all jene beschränkt ist, die ein anderes als das Interesse der besitzenden Klasse zu vertreten beabsichtigen."
Hä? Wie kann es dann sein, dass die AfD oder Die Linke oder eine Luisa Neubauer regelmässig in Talkshows und Medien sitzen? Oder über ihre Auftritte in der Öffentlichkeit berichtet wird?
Oder sind das wieder, gerade weil sie dort auftreten, Teile des "privaten" Systems?
"Man behauptet, die Öffentlichkeit sei öffentlich – also etwas für alle – behandelt die konkreten einzelnen Medien dann aber als Privatveranstaltung, von der man jeden nach Gutdünken, also nach Meinung des Hausherrn entfernen oder ausladen dürfe."
Hier würde mich mal interessieren, wie sich der Autor eine Alternative vorstellt.
Ich habe den Eindruck, der Autor ist auch in seiner Blase gefangen und hinterfragt diese nicht kritisch.
Und ja, auch ich sehe die "Klassenherrschaft". Das berühmte Zitat von Warren Buffet zum Krieg Arm gegen Reich und die Reichen werden ihn gewinnen, ist deutlich und ehrlich genug.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.12.2023 07:20).