Der Analyse des Autors weitestgehend zustimmend, möchte ich eine Schlussfolgerung daraus ziehen, die meiner Ansicht nach naheliegend ist, dennoch meist unterbleibt. Die Dynamik der Entwicklung des Kapitalismus verdankt sich letztlich einer Flucht. Einer notwendig immerwährenden Flucht vor den Aporien der eignen Ideologie. Diese Flucht äussert sich in einer Radikalisierung, einer immer konsequenteren Ausnutzung und Ausweitung des vorhandenen Machtgefälles, was durch die Ereignisse von 1989 erst in vollem Umfang möglich wurde, und wie von Konicz beschrieben, in der Hypertrophierung des Finanzsektors - ganz konkret in der immer weitergehenden ökonomischen Polarisierung. Was aussieht wie ein Siegeszug, sozusagen reihenweises Abräumen des Meister- und des Cuppokals, ist, nicht auf individueller Ebene, aber gesamtgesellschaftlich, eine eigentlich hoffnungslose defensive Bewegung, die das letzte Mal, vor hundert Jahren, in einer Phase massiv erhöhter Destruktivität endete, den beiden Weltkriegen. In den Neunzigern war die Täuschung besonders überzeugend - für mich ist das daher die Deliriumszeit -, diverse ökonomische und militärische Beben haben seither die Glanzschicht abplatzen lassen. Immer noch sind aber die Meisten von der Überlegenheit der kapitalistischen Ideologie überzeugt, zumal die Gegner entweder untergegangen oder sich offensiv auf die andere Seite, eben die kapitalistische, geschlagen haben. Die Realität dagegen ist, dass wir uns in grossen Schritten dem Punkt nähern, an dem die Chefideologen, da sie alle Verteidigungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, die Notbremse ziehen - dem inhärenten Nihilismus freie Bahn gewähren, sprich auf grosse Kriege und noch grössere Zerstörung setzen. Das hat ja schon öfter geklappt, und das letzte Mal besonders gut. Was sie ausblenden ist aber, dass es für den kapitalistischen Neuanfang akkumuliertes Kapital braucht. Das kann nur aus einem weitgehend unzerstörten Land kommen, und das war das letzte Mal die usa. In einem WWIII würde aber kein Land verschont bleiben, weder die usa, noch China, noch Europa, die Welt würde sich weitgehend in eine Wüste verwandeln. Jedenfalls wäre die Vernichtung des Kapitals so weitgehend, dass an Anschub für lange Zeit nicht zu denken wäre.
Noch eine Bemerkung zu einem Punkt, in dem ich mit dem Autor nicht ganz einverstanden bin. Er schreibt:
Die einzige Ware, die mehr Wert schafft, als sie selber wert ist, ist die Ware Arbeitskraft.
Das ist schon richtig, aber verdrängt einen wesentlichen Punkt. Die Menschheit hat bis heute und historisch in zunehmendem Masse Raubwirtschaft betrieben. Ressourcen nicht nur genutzt, sondern tendenziell bis zur Erschöpfung übernutzt. Ist dieser Punkt, die Erschöpfung, je erreicht, wird der Aufwand für die Schaffung von Mehrwert durch die Arbeitskraft sprunghaft höher. Dies nicht zu reflektieren, ist der ökologisch blinde Fleck sozialistischer Theorien vergangener Jahrhunderte. Das macht sie nicht falsch, schränkt ihre Erklärungskraft und damit Nützlichkeit erheblich, um nicht zu sagen entscheidend ein. Eine Theorie zum menschlichen Wirtschaften muss der Erschöpfbarkeit der Ressourcen Rechnung tragen, sonst verfällt sie in die selben Fehler wie die Kapitalisten heute.