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  • luky

mehr als 1000 Beiträge seit 06.11.2000

Polemik

Da mein bescheidener Trollversuch schon so ermutigende Reaktionen
produzierte und ich mittlerweile tatsächlich etwas wacher bin, möchte
ich doch noch eine etwas substantiiertere Kritik nach legen.

Das ganz grosse Problem des Artikels ist meines Erachtens, dass er
einerseits diverse "linke" Positionen undifferenziert mit Verbrechen
in einen Topf wirft, Verbrechen im Zusammenhang mit "rechten"
Positionen kommentarlos übergeht. Implizit wird so eine Aussage
konstruiert – dass Menschen, die zu "law-and-order"-Politik neigen
auch gesetzestreue Bürger seien – die der Realität nicht stand hält.

Doch der Reihe nach: Was auch immer der Bezug des ersten Beispiels,
dem Suizid einer Jugendrichterin, zum Rest des Artikels sein soll,
ich kann ihn nicht finden.

"Angesichts der mageren Bilanz" bedürfte meiner Meinung nach
ebenfalls eine genauere Erläuterung, was denn zu einer erfolgreichen
Arbeit nötig wäre. Ansonsten legt der Autor wenigstens zu Beginn
schon seine Prioritäten dar, wenn er von "höherwertigen ökonomischen
Imperativen" spricht. Schöner Euphemismus für die Resultate der
Privatisierungen, der Public-Private-Partnerships und anderen
Segnungen der neoliberalen Politik.

Was das Beispiel mit Ronald Schill jetzt beweisen soll ist mir auch
nicht ganz klar. Dem politischen Beobachter kann ja nicht entgangen
sein, dass seinem kometenhaften Aufstieg ein meteoritengleicher Fall
folgte, und die Ernüchterung des Publikums über die ausbleibende
Wirksamkeit der einfachen Rezepte schon beim nächsten Urnengang
offenbar wurde.

Dass man die Chaoten von indymedia nicht mit anderen Linken in einen
Topf stecken braucht, müsste man auf diesem Niveau eigentlich nicht
erwähnen. Da kann man im gleichen Satz der Union jene
Zurückgebliebenen anheften, die den Geburtstag ihres verstorbenen
Stammesführer zu feiern pflegen. Wer öffentlich den Anspruch erhebt,
sich mit Foucault zu messen, sollte einer so billigen Polemik
entgehen können.

Für mich sieht das Beispiel "Dennis" danach aus, dass da ein
Krimineller in Ausübung seines Berufs gefallen ist und ich verstehe
die Trauer seiner Kameraden und Angehörigen. Huch, Verzeihung, da ist
mir wohl das Vokabular verrutscht.

Es folgt exakt der zu Beginn schon angesprochenen Linie des Autors,
dass er die Problematik des Falls vereinfacht und nur jene Details
nennt, die seiner Interpretation entgegen kommt. Er empört sich über
die Empörung aber verschweigt die Ursachen.

Es fiel ja oben schon mal auf, dass der Autor gegenüber Straftaten
aus dem bürgerlichen Milieu eher ein Auge zu drückt, aber ich würde
einen Polizisten, der einen Flüchtigen mit acht Schüssen erschossen
hat, deswegen wegen Totschlags unter Anklage steht und dessen
Kollegen gegenüber den Untersuchungsbehörden beharrlich schweigen, im
Kontext seines Artikels auch lieber übergehen.

Ebenso unsinnig – bloss noch wesentlich ausgelutschter – ist es, die
"Linken" mit Terroristen aus aller Welt in Verbindung zu bringen. Ihm
fiel also auf, wie manche etwas interessant und spannend fanden. Oh
wie konkret – aber wer sich mit derartigen Wirrköpfen umgibt braucht
sich über die Resultate nicht wundern.

Es ist normal und selbstverständlich, dass sich eine progressive
Linke auf die Seite einer friedlichen Unabhängigkeitsbewegung stellt,
wie dass sich die Rechte dagegen stemmt. Aber Verteidiger des Terrors
gibt es leider in beiden Lagern, glücklicherweise etwa ähnlich
selten.

Dann kommt wieder ein überraschendes Beispiel, das eigentlich die
ganze Argumentation auf den Kopf stellen könnte, wenn der Auto die
Weitsicht besässe, das zu bemerken.

Dass staatlich-polizeiliches Handeln allein nämlich auch nicht weiter
hilft, wenn die sozialen Umstände dermassen schlecht sind, dass es
den Betroffenen egal ist von da in den Knast zu kommen. Gerade dieses
Beispiel zeigt meines Erachtens, dass es einen gezielten Mix zwischen
sozialen und rechtsstaatlichen Methoden braucht, um eine nachhaltige
Besserung zu erreichen.

Wenn da bloss nicht der böse, ökonomische Imperativ wäre!

Seine Ausführungen über den "idealtypischen Verbrecher" geben wohl
eher Aufschluss über seinen Bekanntenkreis, als über eine Realität.
So hat eine im Affekt begangene Gewalttat und die
Beschaffungskriminalität eines Drogenabhängigen wohl in etwa so viel
mit "spielen" zu tun, wie Roulette mit Glück.

Auch dem Polizisten aus obigem Beispiel kann man zugute halten, dass
er von der Situation überfordert war – und nicht etwa, dass er «durch
die Willkür wenigstens kurzzeitig eine Souveränität erreichen
[wollte], von der Bürger meist nur träumen.»

Wo das hingegen ausgezeichnet passt, sind meines Erachtens die
Steuerhinterzieher, die Schwarzgeld-Kassenverwalter und
Schmiergeldempfänger, die ihre Verbrechen nicht mal nötig hätten,
aber dem Staat ein Schnippchen schlagen und sich selber souveräner
fühlen wollen. Von "Opferblindheit"wollen wir in dem Zusammenhang gar
nicht reden.

Seine "Abrechnung" mit Foucault scheitert dann meiner Meinung nach an
diversen Punkten. Der wichtigste, davon sicherlich, dass sie genau
jene unernst-dandyhafte Haltung zum Thema ausstrahlt, die sie zu
kritisieren vorgibt.

«Ein Beispiel für die ästhetisierende Wahrnehmungsweise, in der
Intellektuelle verstiegen die brutale Wirklichkeit der Kriminalität
zu einem "spannenden" talking-piece aufbereiten.» Das trieft
dermassen von Selbstoffenbarung, dass es zu Selbsterkenntis wohl nur
noch ein kleiner Schritt sein sollte.

gruss. luky
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