Dazu habe ich eine kleine Story. Ich bin Steuerfachangestellter und als solcher mit den steuerlichen Angelegenheiten anderer Leute befasst.
Im Jahre 2002 stellte mir mein damaliger Chef eine Kiste mit Ordnern auf den Tisch und stellte mir die Aufgabe, eine Liquidationsbilanz zu erstellen. Es handelte sich um eine GmbH, die in der Wendezeit, also nach dem Mauerfall und vor der Wiedervereinigung gegründet worden war. Stammkapital war 1 Mio. DM, einzuzahlen je zur Hälfte vom einem deutschen und einem sowjetischen Gesellschafter. Der deutsche Gesellschafter zahlte auch tatsächlich, der russische nicht. Egal, 50 % des Eigenkapitals waren eingezahlt, und es war für die Eintragung ins Handelsregister genügend Kapital eingezahlt. Die neue Firma kaufte von den eingezahlten 500.000 DM nagelneues Videoequipment (Kameras, Schnittmaschinen etc.) und wollte deutsch-sowjetische Imagevideos drehen und vermarkten. Da beide Gesellschafter staatliche Akteure der DDR bzw. der Sowjetunion waren, fiel die Fa. mit der Wiedervereinigung an die Treuhand. In der letzten Bilanz vor dem Verkauf an einen privaten westdeutschen Investor standen 386.000 DM an Barmitteln, zwei Videokameras zu etwas unter 8.000 DM sowie weiter Videotechnik zu ca. 25.000 DM. Kaufpreis für den Investor an die Treuhand war 1,00 DM.
Einen Monat nach Erwerb war die Technik in die alte Fa. des Erwerbers übergegangen und die GmbH hatte bei Banken Darlehen über 250.000 DM aufgenommen. Die Bankguthaben einschließlich der Darlehensbeträge waren in die Altfirma beziehungsweise per Darlehen an den Gesellschafter gewandert und die Fa. in die Insolvenz geschickt.
Interessant ist halt auch, dass das zuständige Finanzamt 10 Jahre lang die Füße still hielt und erst nach über 10 Jahren auf eine Liquidationsbilanz bestand. Zu dieser Zeit waren sowohl Steuerhinterziehung als auch vereinigungsbedingte Kriminalität verjährt.
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