PCK Schwedt war auch ein VEB, dessen Raffinerieprodukte schon immer quasi "Weltniveau" hatten und der seine Produkte genausogut in D-Mark verkaufen konnte, der Bedarf war ja auch im Osten dafür genauso dafür vorhanden wie vor der Wiedervereinigung. Das war ja quasi das Tafelsilber, da war der Prozeß deutlich einfacher. Zudem wurde der Rohstoff weiterhin über die Drushba-Pipeline geliefert, für Devisen sogar noch viel lieber als für Verrechnungsrubel - was kurze Zeit später dann auch zur Erosion des RGW führen sollte.
Die Produktionsanlagen war auch noch so ... naja, ich habe immer noch die Bilder der beiden Saacke-Vorkriegsdrehszerstäuberbrenner vor Augen, die während der gesamten SBZ- und DDR-Zeit immer wieder zurechtgeflickt und irgendwie am Laufen gehalten wurden. Da mußte halt mal Geld in die Hand genommen werden, um die Produktion auf Stand zu bringen, aber das kam dann ja auch wieder rein. Dann gab es noch die von Dir beschriebenen Aufgaben wie Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten, Urlaubsheime, Wach- und Pförtnerdienste, Speditionsfuhrpark etc. die der DDR-Betrieb mit abzudecken hatte, die aus kapitalistischer Sicht halt nicht dazugehören. Und der Headcount war eben hoch, überall, man wurde halt vollbeschäftigt, ohne daß es um Produktitvität und Kosteneffizienz ging - allenfalls um Planerfüllung. Und da wurde auch notfalls noch geschönt und gemauschelt auf Teufel komm raus.
Wie hätte man das anders machen können? Schauen wir uns doch mal die Zahlen von 1989 an: Von den 16,5 Mio DDR-Bürgern standen 8,5 Mio in einem Beschäftigungsverhältnis, bei durchschnittlich 1300 Mark Monatseinkommen. Das wären also Lohnkosten von gut 11 Milliarden pro Jahr. Gleichzeitig waren die Sparkonten mit 160 Milliarden Mark gefüllt, die 2:1 oder besser umgetauscht wurden. Von den über den 80 Milliarden D-Mark dafür hätte man den ganzen Bums also verdammt lange bezahlen können, ohne daß auch nur eine einzige Schraube produziert worden wäre!
Wie sah es aber "mit Schraube" aus? Nehmen wir mal wieder die von mir gerne herangezogene Waschmaschine "WA 66" aus dem Volkseigenen Waschgerätewerk Schwarzenberg, die im Osten 2.600 Mark kostete. Das Versandhaus "Quelle" lieferte sie - als Modell "Privileg" - für 498 D-Mark in die bundesdeutschen Haushalte. Die reinen Produktionskosten betrugen 450 Mark, nach dem damaligen KoKo-Schlüssel wurden diese im Verhältnis 1:3 umgerechnet, die Maschine also für 150 D-Mark geliefert.
Über die erzielbaren Endpreise kommen wir aber eher auf ein Verhältnis von etwa 1:5, bleiben wir für die Musterrechnung mal dabei. Nehmen wir mal an, das DDR-Gebiet wäre nach der Wiedervereinigung für 10 Jahre als Sonderwirtschaftszone deklariert worden, in dem die DDR-Mark weiterhin gültig bleibt, fest im Verhältnis von zunächst 1:5 an die D-Mark gebunden. Dieses Verhältnis wäre dann schrittweise reduziert worden, bis nach 10 Jahren Parität erreicht worden wäre.
Im ersten Jahr wäre erst einmal nicht sonderlich viel passiert, die Betriebe hätten zunächst vernüftige, bewertbare Bilanzen nach westlichen Maßstäben erstellt als Basis für das weitere Vorgehen. Priorität hätte danach das Management Buy Out (MBO) halbwegs wirtschaftlicher Unternehmen an die bisherigen Führungskräfte durch die Treuhand haben müssen. Damit hätten die größten Härten sicherlich abgefangen werden können, insbesondere im Bereich der Konsumgüterproduktion, wo die hohe Nachfrage in Verbindung mit den vorhandenen Sparguthaben bei stetiger Qualitäts- und Produktivitätssteigerung sicher viele Arbeitsplätze hätte erhalten können. Und beispielsweise hätte ein nagelneuer Trabi oder Wartburg mit Polomotor zu diesem Kurs sicherlich auch im Westen seine Käufer gefunden.
Zu Entlassungen von etwa 2/3 der bisherigen Belegschaft wäre es aber in jedem Fall gekommen, wie der Vergleich mit heute noch erfolgreichen MBO-Betrieben im Osten zeigt, aber der Übergang hätte über einen größeren Zeitraum stattgefunden.
Viel problematischer war aber die völlige Einbindung der DDR in den RGW und die damit bislang zumeist in Transferrubel berechneten Im- und Exporte von Waren und Rohstoffen. So produzierte z.B. der DDR-Schiffbau in Norddeutschland fast ausschließlich für den RGW, der aber ein Jahr nach der DDR ebenfalls Geschichte war. In diesem Bereich wären Betriebsschließungen sicher unvermeidbar gewesen. Aber der Osten wäre gestalterisch in diesen Übergangsprozeß eingebunden gewesen und die Beschäftigten hätten es in einem deutlich größeren Maßstab in der Hand gehabt, diesen Prozeß aktiv mitzugestalten.
Aber das war ja nicht gewünscht - und nun beschwert man sich, daß man die Suppe, die man sich selbst eingebrockt hat, auch noch auslöffeln mußte und gibt den bösen Wessis die Alleinschuld an allem. Und in diesem Kontext steht eben auch dieses Buch.