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  • Pnyx (1)

mehr als 1000 Beiträge seit 01.07.2017

Egozentrismus

Im Grossen und Ganzen kann man Netzsch zustimmen, auch wenn jeder einzelne Aspekt präzisiert, vertieft werden sollte. Es ist zwar bis zu einem gewissen Punkt arbiträr, aber dennoch sinnvoll Egoismus von Egozentrismus zu unterscheiden. Ersteres ist jedes Lebewesen, zweiteres bezeichnet ein Verhalten, das den Egoismus hypertrophiert und tendenziell kontraproduktiv macht, auch für das betreffende Individuum selbst. Es handelt sich aber um ein Kontinuum, der Übergang ins Überzogene ist fliessend, nicht leicht und wenn nur im Einzelfall zu bestimmen.

Sicherlich falsch ist der folgende Absatz:

Die Frage, ob sich bei hochentwickelten Tieren bereits Ansätze bewusster Kooperation nachweisen lassen, können wir beiseite lassen, dann schon die Tatsache, dass es sich nur um Ansätze handelt, die durch aufwändige Forschung erst nachgewiesen werden müssten, belegt, dass es sich um ein menschliches Spezifikum handelt.

Es ist schon seltsam, Kooperation als prinzipiell nachrangig darzustellen, da sie doch evolutionär praktisch allgegenwärtig ist. Die Krux liegt hier aber im Anspruch der Bewusstheit. Bewusstsein wurde zumindest in der abendländischen Tradition bis vor kurzem praktisch nur Menschen zugestanden und auch heute tut sich auch die Forschung schwer, diese bornierte Haltung aufzugeben. Rudimentäre Formen von Bewusstsein finden sich schon bei niederen Arten. Sich nicht als sich selbst in einem Spiegel zu erkennen, ist kein Gegenbeweis. Dass die Forschung aufwendig ist, liegt in der Natur der Sache, nicht in der Unwahrscheinlichkeit der These begründet. Im Gegenteil kennt man viele Formen von Zusammenarbeit bei vielen Tierarten, bei denen das im Einzelfall nicht zwingende Auftreten ein starkes Indiz für das Gesuchte darstellt.

Höhere Lebewesen und also auch der Mensch sind sowohl egoistisch, als auch, in sehr unterschiedlichem Umfang kooperativ. Das schliesst sich nicht aus, ist kein Gegensatz. Man darf Egoismus nicht mit echtem Altruismus, selbstlosem Handeln verwechseln, also solches, durch das sich das Individuum im Interesse anderer in existentielle Gefahr begibt. Auch das kommt vor, nicht nur bei Menschen, ist aber recht selten.

Menschen sind bekanntlich soziale Lebewesen und gerade im Zeitalter der Zivilisation kann kaum mehr ein Mensch ohne den Beitrag anderer leben. Menschliches Leben steht stets in der Spannung zwischen Eigen- und Fremdinteressen. Politische Ideologien betonen das eine oder das andere, bis hin zu Extrempositionen wie bei Thatcher, die die Entität Gesellschaft als solche negierte. Diese absurde Einseitigkeit, die sich in der Folge weiter Beliebtheit erfreute und erfreut, spiegelt die Lebenswelt derart verzerrt, dass sie in hohem Mass zur Förderung individueller Fehlentscheidungen führt, damit einen ansatzweise selbsterfüllenden Charakter erhält, indem die Gesellschaft und mit ihr die Kooperation funktional geschwächt wird. Was uns dann allen schadet.

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