1. Profitstreben wird oft als moralisches Faktum begriffen, als eine besondere Form des Egoismus.
Profitstreben ist, außer wenn es ausschließlich zum Vorteil aller und höchstens dadurch, indirekt in gleichem Maße zum persönlichen Vorteil wird, immer purer Egoismus.
Leute, die so argumentieren, fühlen sich dabei oft als "Antikapitalisten". Zu unrecht, denn sie übersehen eine wesentliche Bestimmung des Kapitalverhältnisses, nämlich den in ihm liegenden gesellschaftlichen Zwang, d.h. dass es nicht im Belieben des einzelnen Kapitalisten steht, ob er egoistisch nach Profit strebt oder darauf verzichtet.
Auch Kapitalverhältnisse sind Ausdruck von egoistischem Streben. Hier wird das verinnerlichte kapitalistische Denken deutlich. Keiner zwingt uns kapitalistisch zu denken. Nur die Kapitalisten wollen, das wir so denken, damit sie das kapitalistische System zu ihren eigenen egoistischen Vorteilen nutzen können.
Durch die Konkurrenz herrschen sich die Kapitalisten gegenseitig das Profitmachen als Zwang auf.
Auch Konkurrenz ist eine direkte Auswirkung von Egoismus. In einer gemeinschaftlichen Gesellschaft wären Konkurrenten nur solange Konkurrenten, bis sie von einander wüssten. Danach würden sie sich zusammentun, um durch synergetische Effekte ein verbessertes Produkt zu erstellen.
Profit ist keine moralische Kategorie, sondern eine ökonomische, d.h. sie bezieht sich auf eine objektive ökonomische Gesetzmäßigkeit in der kapitalistischen Gesellschaft.
Profit ist weder eine moralische noch eine ökonomische Kategorie, sondern dient ausschließlich der persönlichen Erreichung von Vorteilen.
2. Seit den Anfangsjahren der Sowjetunion bis zum Ende des Ostblocks war in der dortigen Film- und Literaturwelt der "neue Mensch" ein Dauerthema.
In einem verkürzten Verständnis der Marx'schen These vom Sein, das das Bewusstsein bestimmt, galt Egoismus als Folge des Kapitalismus und man erwartete, dass er in der sozialistischen Gesellschaft verschwinden und so der "neue Mensch", der frei von Egoismus ist, entstehen würde, oder – nachdem das auf sich warten ließ – dieser herbei erzogen werden könnte.
Nicht der Egoismus ist eine Folge des Kapitalismus, sondern umgekehrt, der Kapitalismus ist eine Ausprägung des Egoismus, welche diesen zur Selbsterhaltung befeuert.
3. Die Auffassung, wonach der Klimawandel vor allem durch individuellen Konsumverzicht abgewendet werden könnte oder sollte, also nicht mehr und nicht weniger als eine allgemeine Überwindung des Egoismus erfordere, ist immer noch verbreitet, auch wenn Wortführer der Klimabewegung, wie Luisa Neubauer, sehr treffend kritisieren, dass dabei die Gesellschaft nur noch als Ansammlung vieler Einzelner begriffen werde.
Nicht der Konsumverzicht, welcher sowieso nicht kurzfristig ohne Diktatur durchsetzbar wäre, sondern der Profitverzicht würde dazu führen, das der Konsum nicht angeheizt und unnötig Resourcen verbraucht werden. Der zeitliche Spielraum für gesellschaftliche Veränderungen hin zu Konsumverzicht ist schlicht nicht mehr vorhanden.
Wobei, die kapitalistische Methode wäre, die Preise für die Produkte derart anzuheben, das die Menschen zwar weniger kaufen können, aber der Profit trotzdem erhalten oder sogar gesteigert wird. Dies wäre allerdings nur bei monopolistischen Strukturen möglich, auf welche wir derzeit zusteuern.
In der Tat liegt diesem Nachhaltigkeits-Moralismus eine recht einfach gestrickte Vorstellung der Gesellschaft zugrunde: es ist irgendwie eine Gemeinschaft, die genau diejenigen Güter produziert, die deren Mitglieder konsumieren wollen.
Wie diese Produktion organisiert ist, welche Eigentumsverhältnisse dabei zugrunde liegen, wie daher die verschiedenen Rollen der Beteiligten bestimmt sind, und ob deshalb nicht am Ende ganz andere Interessen maßgeblich sind, als schlicht und einfach den Konsumwünschen der Leute nachzukommen – all das taucht von vornherein gar nicht erst als Fragestellung auf.
Die Produktion kann ähnlich wie jetzt erfolgen, nur das nicht der Profit, sondern das überleben der Menschheit die antreibende Kraft wäre.
Im übrigen ist auch Eigentum und Konsum eine Folge des Egoismus. Wer mehr hat oder mehr und teurer konsumiert, verspricht sich davon eine Aufwertung seiner Persönlichkeit, durch welche er mehr Rechte erwartet.