Profitstreben wird oft als moralisches Faktum begriffen, als eine besondere Form des Egoismus. Leute, die so argumentieren, fühlen sich dabei oft als "Antikapitalisten". Zu unrecht, denn sie übersehen eine wesentliche Bestimmung des Kapitalverhältnisses, nämlich den in ihm liegenden gesellschaftlichen Zwang, d.h. dass es nicht im Belieben des einzelnen Kapitalisten steht, ob er egoistisch nach Profit strebt oder darauf verzichtet.
Gegen Profistreben an sich ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber der Egoismus-Vorwurf ist dann doch angebracht, wenn dieses Profitstreben auf Kosten anderer (seiner Mitmenschen, der Umwelt, etc.) erfolgt. Und das ist ja genau das Problem mit dem Raubtier/Wildwest-Kapitalismus, dass das Profitstreben sehr egoistisch und rücksichtslos stattfindet. Das geht dann viel zu oft mit Ausbeutung von Mensch und/oder Natur, Steuerflucht, Raffgier und vielen anderen negativen Begleiterschienungen einher – und dann stimmt der Egoismus-Vorwurf durchaus.
Es heißt in unserem Grundgesetz nicht umsonst "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen". Und wer das nicht beherzigt und nur die "das ist alles meins, meins, meins!"-Mentalität pflegt bzw. nur nach Profit strebt, weil man den Hals nicht voll genug bekommen kann, der/die muss sich IMO völlig zu Recht den Egoismus-Vorwurf gefallen lassen! Also Profitstreben ja, aber nicht um jeden Preis und nicht auf Kosten anderer. Ansonsten ist man sehr wohl ein Egoist.