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Avatar von /Rak
  • /Rak

mehr als 1000 Beiträge seit 26.10.2001

Das Bürgergeld soll zu hoch sein?! Der Mindestlohn ist vielmehr zu niedrig!

Als alleinstehender kriegt man ca. 560€ Bürgergeld + noch einen Ausgleich für "Unterkunft + Heizung", der von den tatsächlichen Mieten in den jeweiligen Städten ab hängt. das sind in Leipzig nur 346€, in München 780€, meist aber so um die 500€.
Man hat also rund 900€ bis 1200€, die man jeden Monat als Bürgergeld "geschenkt bekommt". Wobei man das Geld für die Miete nicht selbst bekommt, das kriegt der Vermieter. (Und für 781€ kriegt man in München eher keine Wohnung, genau wie man Leipzig für 346€ kaum was finden wird... das wird allenfalls irgendwas nur knapp über Wohnklo - in einem muffigen Altbau. Oder ein untervermietetes Zimmer mit Waschbeckenbad - und Zugang zu einem gemeinschafts-WC im Treppenhaus.
Real kriegt man also 560€ für Essen + Strom (oder Gas fürs Kochen), d.h. man muss hier erst mal rund 60€ für den Strom zahlen, noch mal bisschen was für sonstige Gebühren, die so anfallen beim Leben (Internet/Handy), man hat also rund 100€/Woche, von denen man nicht nur Leben muss, davon muss man eigentlich auch noch mal bisschen was zurücklegen für schlechte Zeiten. Schuhe gehen kaputt, Klamotten gehen kaputt usw., eventuell will man ja sich mal mit Bekannten in einem Cafe treffen und dort ein kleines Glas stilles Wasser genießen. Bleiben also noch 70€/Woche, die man hat, also 10€/Tag. Von denen man so ca. 6€ /Tag bis 8€/Tag an Lebensmitteln braucht. Damit kann man überleben - aber angenehm ist das nicht. Und mehr als einfache Grundnahrungsmittel kaufen und selbst einfache Gerichte kochen daraus ist eigentlich nicht drin. Irgendwelche Fertiggerichte sind eigentlich schon zu teuer (Eine Fertigpizza hat nur ca. 800 Kalorien und kostet schon mind. 3€...mit Strom für die Zubereitung 4€).
Kurzum: Bürgergeld ist - wenn man nicht kriminell wird - einfach nur ein absolutes Mindestlevel an Geld, das man hierzulande nun mal zum Überleben braucht. Auch wenn da jeder Bürgergeldbezieher jeden Monat quasi 900€ bis 1200€ "geschenkt bekommt". Mit weniger Geld kann man eigentlich nicht wirklich überleben und noch ein klein bisschen soziale Teilhabe genießen - was aber für die Gesellschaft immens wichtig ist. Genau wie es für eine Gesellschaft auch wichtig ist, dass die Leute zufrieden sind irgendwo, sich ein Bier und Tabak kaufen und einfach in Ruhe zu Hause vor dem TV sitzen und sich berieseln lassen können. Hungernde Menschen, denen das Amt die Konten sperrt sind dagegen ein echtes Problem - vor allem, wenn sie irgendwann in Rudeln auftreten und sich an Mistgabeln, Fackeln und Galgenstricke erinnern können.

Der Mindestlohn liegt dabei bei 12,40€ jetzt, d.h. man müsste schon 70h bis 90h/Monat arbeiten um auf diesen Betrag zu kommen. Und erst ab 100h/Monat würde man etwas mehr Geld haben. Also ab grob 25h/Woche. Mit einer 40h Woche und Mindestlohn hat man immerhin um die 2000€ im Monat. (In diesem Einkommensbereich ist Brutto fast Netto, da man mit passenden Werbungskosten usw. meist durch eine Steuererklärung die gezahlte Einkommenssteuer + Kirchensteuer + einen Teil der Sozialabgaben wieder rausholen kann). Aber große Sprünge sind auch damit nicht drin - und die Altersarmut mit Bezug von Bürgergeld ab 66 ist eigentlich schon vorprogrammiert damit.

Und wenn nun einige eben lieber Bürgergeld beziehen statt z.B. einen Teilzeitjob zu machen um das gleiche Geld zu bekommen, dann liegt das nicht daran, dass das Bürgergeld viel zu hoch ist - davon kann man wie erwähnt ja gerade mal überleben. Vielmehr ist der Mindestlohn einfach immer noch viel zu niedrig hierzulande. Würde man den von mageren 12.40€ auf z.B. 15€ hoch setzen, dann hätte man gleich mehrere Probleme beseitigt:
Zum einen würden wohl viele von denen, die derzeit keinen Teilzeitjob machen, weil sie da mit dem Mindestlohn nicht mehr in der Tasche haben, nun wohl schon einen Teilzeitjob machen wollen. Das sind schließlich jeden Monat mal eben mal rund 250€ mehr in der Tasche (was für einen Bürgergeld-Bezieher viel Geld ist!). Zudem würden bei den Mindestlöhnern auch die Rentenansprüche deutlich steigen. Und statt im Alter dann Bürgergeld beziehen zu müssen hätten sie dann auch eine Rente, die über dem Bürgergeld liegt. Nicht viel - aber ein bisschen.

Klar - einige Branchen, die auf dem Mindestlohn basieren, hätten dann natürlich ein Problem - und würden weniger Gewinne machen. Aber die Gewinne machen genau diese Klitschen heute eben nicht selten damit, dass die Arbeiter dort Aufstocker sind, die zwar Mindestlohn kriegen (und z.B. ein paar Stunden pro Woche arbeiten), aber immer noch zusätzlich Aufstocken müssen um über die Runden zu kommen. D.h. hier muss dann die Gemeinschaft Aller zahlen am Ende. Was mit einem höheren Mindestlohn auch verschoben würde - da müsste der Betreiber der Reinigungsfirma "Putzbienenteufelchen Müllerscheid" (oder wie auch immer die Bude heißt) dann nicht mehr nur z.B. 750€/Monat abdrücken - sondern nun eben 900€. Und die Allgemeinheit muss keine 250€ mehr zuschießen, sondern nur noch 100€. Dafür hat der Unternehmer eben 150€ weniger Gewinn auf Kosten der Allgemeinheit.
Für den Arbeitsmarkt an sich hätte das aber keine großen Auswirkungen - außer dass wohl mehr Leute arbeiten gehen würden. Denn schließlich müssen ALLE den Mindestlohn von 15€ zahlen. (In sehr vielen "einfachen" Berufen verdient man nebenbei schon jetzt mehr als 15€/Stunde, selbst als ungelernter...)

Aber weil man mit dem niedrigen Mindestlohn so schön Kasse machen kann auf Kosten der Steuerzahler ist ein niedriger Mindestlohn eben bei den "Marktwirtschaftlern" von FDP und CO. eben sehr beliebt. Viele von denen hätten am liebsten gar keinen Mindestlohn. Und würden am liebsten auch kein Bürgergeld mehr zahlen, damit die Armen regelrecht gezwungen werden jeden noch so ausbeuterischen Job zu absolut jeder Bedingung anzunehmen - so lassen sich die Lohnkosten nämlich wunderbar reduzieren und Klagen oder Beschwerden über miese Arbeitsbedingungen, nicht eingehaltene arbeitsrechtliche Vorschriften und ausbeuterische Praktiken und Gaunereien (wie "Reinigen des Ladens nach der Schließung zählt nicht mehr zur normalen Arbeitszeit! Das sind unentgeltliche Überstunden, die im Lohn enthalten sind!") verpuffen schlagartig auch in einer Wolke Nichts, wenn mit der Kündigung direkt mal die Obdachlosigkeit und das Hungerelend vor der Tür steht.

Von daher: Nicht das Bürgergeld ist zu hoch - der Mindestlohn ist immer noch viel zu nieder!
Es gibt keinen Grund die Gewinne der Unternehmen zu privatisieren, ihre Kosten und Ausgaben aber dabei zu sozialisieren!

EDIT: Der Mindestlohn ist natürlich nicht immer viel zu nieder, er ist immer NOCH viel zu nieder. Auch mit den 12.40 kann man dem leben im Bodensatz der Gesellschaft nicht wirklich entkommen.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (03.01.2024 01:01).

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