aerks schrieb am 08.06.2023 18:24:
Versteh ich nicht. Ich plädiere doch sich dagegen zu immunisieren. Was ist jetzt nicht optimal?
Einerseits stellst du fest, dass "Machtgefälle" usw. normal ist, und du begründest es mit der menschlichen Natur. Wie soll sich ein Mensch dagegen wirksam "immunisieren" können?
Natürlich gibt es mehr oder weniger persönlichkeitsstarke Typen, aber man sollte sich da nicht täuschen lassen: Menschen sind sie alle. Sozialpsychologen haben herausgefunden, dass sich bei einem bestimmten Menschen nicht vorhersagen lässt, ob oder inwieweit er in bestimmten Situationen autonom handelt. Experimente, die diese Frage beackern, gibt es ja mittlerweile wie Sand am Meer. Da hat man sich die Probanden vorher und nachher genau angeguckt und auch Selbsteinschätzungen ausgewertet - trotzdem konnte sich bislang kein Zusammenhang zwischen "gefestigter Persönlichkeit" und autonomen Handeln in einer bestimmten Situation nachweisen.
Das Milgram-Experiment ist doch ein hervoragender Masstab für autonome, selbstbestimmte und selbstbewusste Persönlichkeiten.
Eben nicht. Man kann nicht sagen: Proband X hat im Verlauf des Experiments die Mitarbeit verweigert, also ist er generell "immun" für konformes Verhalten. Das mag kein schöner Befund sein, ist aber Stand der Forschung.
Sucht man nach einer Erklärung dafür, so kann man nur mutmaßen. Naheliegend ist, dass soziale Verhaltensmuster sehr, sehr tief in uns drinstecken.
Nur weil die Ergebnisse scheisse sind sollen wir jetzt sagen: "Ach ist alles egal. Dann lieber in eine zentralisierte Diktatur". Kann man ja machen. Ich würde das nicht wollen.
Ich auch nicht. Aber muss es denn unbedingt diese Schwarzweiß-Nummer sein, wo es entweder Anarchie oder Diktatur gibt? Ich finde dieses holzschnittartige Denken wenig zielführend.
Oder übersehe ich da irgendeine Option?
Ja, alle Zwischentöne.
Jeder geht immer davon aus dass da eine hyperneutrale Instanz ist, die völlig neutral alles regelt. Sowas gibt es nicht.
Aber ja! Natürlich gibt's das nicht, und das ist auch gut so!!!
Aber wie gesagt, es gibt sowas wie Zivilisation, und moderne demokratische Gesellschaften sind - wenn man bedenkt, was vorher war - auf einem erfreulich hohen Niveau, was die Vermittlung zwischen persönlicher Freiheit und den Erfordernissen für die Erhaltung staatlicher Strukturen betrifft, die - und das ist der Kracher! - zu einem gerüttelt Maß genau darauf abzielen, dass individuelle Freiheit überhaupt sein kann!
Es gibt diese harte Dichotomie zwischen Staat (Regeln) und Individuum (freie Entscheidung) nicht! Beides ist in einem demokratischen Rechtsstaat miteinander verwoben, bedingt sich gegenseitig.