Dass die ökonomischen und sozialen Probleme in Russland durch die westlichen Sanktionen und den Abwertungsdruck auf den Rubel sich eher ver- statt entschärfen, steht ausser Frage. Wenn Putin und Einiges Russland glauben, ihre durch ökonomische Krisenhaftigkeit gefährdete Machtposition durch Tricks bei den Wahlen absichern zu können, verkennen sie aber die Bedeutung von Wahl-Vorgängen bzw. die gesellschaftliche Dynamik, die sich aus Wahlmanipulationen entwickeln kann. Sinnvoller wäre es mit sozialstaatlich ausgerichteten Reformen, z. B. die Ersetzung der Einkommenssteuer-Flatrate durch einen progressiven Tarif, dem wachsenden Unmut zu begegnen.
Andererseits kann man die Entwicklung in Russland nicht isoliert sehen. Die latente Wachstumskrise des OECD-Kapitalismus liefert den Anstoss für die neue aussenpolitische Aggressivität des Westens gegenüber den Ländern und Wirtschaftsräumen, die sich seiner Kontrolle immer noch entziehen, zumal China inzwischen sogar seine globale Hegemonie bedroht.
Die Befriedung sozialer Konflikte im Inneren mittels medialer Manipulation, herkömmlichen Soziotechniken und der Geldschwemme der Notenbanken wird perspektivisch aber auch im Westen immer schwieriger. Der Medienbereich wird deshalb zunehmend strikt auf Linie gebracht, schon der Begriff "innere Medienfreiheit" ist zum Tabuwort geworden. Medien mit grundlegend kritischer Ausrichtung werden geheimdienstlich überwacht (s. Junge Welt). Mit Blockaden u. ä. verbundener Sozialprotest wird mit exemplarisch hohen Strafen bedacht. Die stets fragile Unabhängigkeit der Justiz wird - auch durch supra-nationale Rechtssprechung (EuGH) - weiter eingeschränkt.
Ökonomische Krisen generieren politische Repression, aussenpolitische Spannungen erleichtern den Abbau von Freiheitsrechten im Inneren - diese Erkenntnisse sind allerdings nicht neu.