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  • Guckstu

mehr als 1000 Beiträge seit 18.03.2024

Andersrum

Fortitudo schrieb am 28.05.2024 19:50:

x km mehr Reichweite durch Westwaffen = Russland marschiert x km nach Westen

Das kann Russland militärisch überhaupt nicht. Sie schaffen ja nicht mal gegen eine vom Nachschub weitgehend abgeschnittene Ukraine viel Gewinn.

und irgendwann endet im Westen die Ukraine. Und dann?

Warum das für mich die einleuchtendste Erklärung ist?
Russland gibt alles, um eine Pufferzone zu haben. Von der Entrüstung bei der NATO-Osterweiterung, gegen die man damals glaubhaft weder Lautstärke noch Militärstärke aufbringen konnte bis hin zum aktuellen besetzten ukrainischen Staatsgebiet.

Erst verbal, heute militärisch.

Nein, es geht nicht um eine Pufferzone, das ist nur eine Propagandalüge der Russen.
Es geht ihnen um "Wiedervereinigung" der drei angeblich russischstämmigen Völker: Russen, Weißrussen und Ukrainer.
Dass die Nichtrussen allesamt nicht wollen, ist ihnen egal. O-Ton Putin: "Du magst nicht wollen, meine Schöne, am Ende musst du doch." Passt ja auch super zu den "traditionellen Familienwerten der russischen Kultur".

Es geht ihnen darüber hinaus um Vasallenstaaten. Der alte Sowjetimperialismus, den wollen sie wiederhaben. Quasi als Ausgleich für die wirtschaftliche Misere.
Und auch da gilt: Es ist ihnen egal, über wessen Leichen sie dabei gehen müssen. Klassischer Kolonialismus eigentlich.

Es spielt primär keine Rolle, ob dieses Ansinnen auf fehlendem Vertrauen, Paranoia, Zarenkult oder sonstwas beruht.
Wer sich in die Ecke gedrängt fühlt, wird sich irgendwann Luft machen.

Ja sicher.
Aber wenn er sich selbst dann in die Ecke gedrängt fühlt, dass er alle Anderen in die Ecke drängt? Dann bleibt nur die Wahl zwischen Unterwerfung und Zurückdrängen, notfalls auch mit Gewalt.
Und Russland drängt die Ukrainer ja auch gewaltig in die Ecke, danach kommen die ehemaligen Ostblockstaaten an die Reihe. Die machen sich dann auch irgendwann Luft, nämlich JETZT.

Es ist und bleibt Unrecht, keine Frage. Und dass das in meinen Augen irgendwo zwischen "nicht wahrgenommen" und "bewusst provoziert" liegt, macht es nicht weniger unrecht.

Da ist herzlich wenig bewusst provoziert worden, auch das ist eine russische Propagandalüge.
Die NATO hat mit dem Russen gerade wegen der Sicherheitsbedenken alles Mögliche unternommen: Sich als reines Verteidigungsbündnis neu definiert, Obergrenzen für die Truppenstationierung in den Grenzstaaten vereinbart, jede Militärübung vorher genauestens angekündigt.
Hat alles nicht geholfen. Russland behauptet immer noch, sich schrecklich bedroht zu fühlen.

Die fühlen sich so schrecklich bedroht, dass sie die Truppenstärke an den Grenzen zu NATO-Staaten drastisch reduziert haben!

Geh nicht deren Propagandalügen auf den Leim.

Aber ein hysterisch-aggressives Kind wird man nicht mit einem Vortrag über Moral und ebensowenig mit Ohrfeige oder Faust beruhigen. Ersteres ist sinnlos, Letzteres sowohl ein No-Go als auch kontraproduktiv.

Nee, Russland benimmt sich nicht wie in hysterisches Kind.
Es benimmt sich wie ein Schulhofrüpel, der immer dann, wenn das Aufsichtspersonal kommt, laut etwas von "Rassismus" und "Diskriminierung" kreischt. Nicht, weil es stimmt, sondern weil es die Ordnungskräfte einen Moment innehalten lässt, und guck mal, in der Zeit kann er dem nächstbesten unbotmäßigen Schüler noch einen Zahn ausschlagen.

Und Rechtsstaat hin, Rechtsstaat her: Wenn alle friedlichen Mittel versagen, kommt die Polizei mit dem Gewaltmonopol, das den Rüpel auch mit körperlicher Gewalt in den Jugendknast verbringen darf.

Bei Russland haben die friedlichen Mittel ja auch versagt. Es ist bis zum letzten Tag vor dem Einmarsch verhandelt worden, aber die Pläne im Kreml waren ja längst gemacht.

Vermutlich wären aktuelle Frontlinie als Westkante einer Pufferzone und die Zusicherung von Neutralität mit Sicherheitsgarantien das Einzige, was WP intern wie extern akzeptanzfähig verkaufen könnte.

Seufz.
Nein.
Leider.

Russland respekiert ausschließlich Stärke.
Sagen sie selbst, und so benehmen sie sich aus.

Beim Umgang mit so jemanden hilft kein Entgegenkommen. Das wird nur als Schwäche ausgelegt und es kommt gleich die nächste Forderung, so lange, bis man eine Grenze zieht, und selbst dann wird der Rüpel testen, was denn geschieht, wenn er diese Grenze überschreitet.

D.h. Russland wird auf jeden Fall zu Subversion, Korruption, Terrorismus, und Sabotage greifen, und wenn sie damit nicht weiterkommen, auch zu militärischer Gewalt. Einfach testen, was geht.
Entgegenkommen bewirkt im Umgang mit so jemanden nur, dass er weitere Forderungen nachschiebt. Das ist wie mit einem Erpresser: Wenn er was ohne Widerstand kriegt, weiß er er kann mehr herausschlagen, und es kommt sofort die nächste Forderung.
Und wenn man irgendwann tatsächlich nicht mehr zahlt, geht die Eskalation eine Stufe nach oben: Mal sehen, das dann noch zu holen ist.

Nachgeben bedeutet also nur, dass der Krieg später kommt. Aber er kommt.
Es KANN helfen, wenn man darauf spekuliert, dass die Nachfolgeregierung weniger imperialistisch drauf ist.
Aber Hand aufs Herz: Ist das realistisch, wenn die Erpresserbande zu Recht darauf verweisen kann, dass ihre Taktik doch bisher immer erfolgreich war?

Eigentlich kann man dem Erpresser nur demonstrieren, dass seine Taktik so teuer ist, dass es den Gewinn nicht lohnt.
Nur dass Putin und seine dem Volk verordnete Mentalität nicht nach wirtschaftlichen Kennzahlen rechnet, sondern mit "russischer Größe".
Dagegen hilft eigentlich nur eine krachende militärische Niederlage. Oder ein innerer Zusammenbruch.

Das ist weiterhin nicht richtig, es ist unverzeihliches Leid und irreparabler Schaden für die Menschen in der Ukraine.
Allein, all das - finde ich - hätte man verhindern können, wenn man im Westen von Vornherein weniger Arroganz gelebt hätte. Hinterher ist man immer schlauer, aber das darf man ja nicht eingestehen.

Ist das Arroganz, wenn der Westen darauf besteht, dass an Grenzen nicht gerüttelt werden darf, egal, was das militärische Kräfteverhältnis sagt?
Oder ist es russische Arroganz, wenn sie sagen: Russische Größe und russische Sicherheit zählt, ukrainische/baltische/polnische Sicherheit zählt nicht?

Ich habe keine Ahnung, wie man das ganze einigermaßen und ohne Total-Eskalation zu einem Ende bringt. Aber ich bin mir sicher, dass der Einsatz von Westwaffen gegen russisches Territorium der russischen Regierung NOCH EINEN Anlass/Vorwand/Wasauchimmer liefern wird, NOCH MEHR Menschen zu töten, noch mehr Leid zu verursachen... nur weil einige oder viele Menschen in Russland dem Westen nicht trauen.

Nochmals: Russland traut niemandem. Russland will Großmacht sein und keinem trauen müssen. "Der Starke ist am mächtigsten allein" und so.
Russland will Unilateralismus betreiben können, so wie es die Kolonialmächte gegenüber den Kolonisierten getan haben.
NOCHT MEHR Tote gibt es auch dann, wenn man Russland gibt, was es haben will. Es wird immer weiter eskalieren. Putin hält ja den Verlust der Sowjethegemonie in Osteuropa für eine "Zivilisationskatatrophe"; wenn man ihn gewähren lässt, was hielte ihn davon ab, sie rückgängig machen zu wollen, und das ohne Rücksicht auf Verluste?

Das ist die russische Seite, die eskaliert. Und zwar immer maximal.
Das Einzige, was die nicht eskalieren werden, sind Atomwaffen. Weil sie keine Welt wollen, in der jeder Nachbar eine Atommacht ist, dann könnten sie nämlich nicht mehr militärisch drohen.

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