Aus meiner Sicht ist es die völlig falsche Politik für Deutschland, in Konfrontation zu Russland zu gehen.
Russland hat die Konfrontation gesucht, nicht Deutschland. An Warnungen, welche Folgen ein Einmarsch in die Ukraine haben würde, hat es nun wirklich nicht gefehlt - die Warner wurden seinerzeit als "Kriegshysteriker" verunglimpft, weil Russland seine wahren Absichten abstritt.
Vielleicht hätte es eine kleine Chance gegeben, dass der Expansionskurs Putins noch einmal wie bei der Krim-Annexion und den "Volksrepubliken" im Merkel-Style irgendwie wegmoderiert worden wäre, wenn Russland schnell gewonnen und die Ukraine sich nicht so tapfer, entschlossen und erfolgreich gewehrt hätte. Aber das ist jetzt vorbei. Der Westen hat entschieden, dass es kein Minsk-III auf Kosten der Ukraine mehr geben wird und dass Putins Russland militärisch so geschwächt werden muss, dass es rein technisch zu weiteren Feldzügen bis zum Ende der Amtszeit von Putin nicht mehr in der Lage sein wird. Eines Tages wird Putins Herrschaft enden und dann öffnet sich vielleicht wieder die Tür für Gespräche über gemeinsame Interessen, Ausgleich und Frieden. Mit Putin ist dieses Kapitel beendet - mit ihm wird es allenfalls noch Abkommen technischer Natur geben, aber keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr.
Deutschland muss den Preis dafür zahlen aufs falsche Pferd gesetzt und sich in viel zu große Abhängigkeit von russischen Energielieferungen begeben zu haben, obwohl sich die Rolle Russlands als Mitspieler der Globalisierung und Verbündeter im Kampf gegen den Terrorismus längst als Trojanisches Pferd erwiesen hatte. Es war eine extrem naive Auffassung, die Energielieferungen könnten von den sich immer weiter verschlechternden Beziehungen auf Dauer unberührt bleiben, weil diese rein "privatwirtschaftlich" seien. Energiepolitik ist immer auch Sicherheits- und Geopolitik.
Es geht am Thema vorbei, eine Mängelliste der ukrainischen Demokratie als Argument für den russischen Einmarsch zu bzw. gegen ein Engagement des Westens zu instrumentalisieren. Russland ist sicherlich nicht in die Ukraine einmarschiert, weil die nicht demokratisch genug ist. Demokratie bedeutet, dass Regierungen durch Wahlen bestimmt werden und dass ihre Macht durch Recht und Gesetz begrenzt ist. Das ist in der Ukraine gegeben. Sie sagt nichts über die Qualität der Regierungen aus und sie schützt nicht vor schlechten Gesetzen oder fragwürdigen Entscheidungen. Beim Beistand für die Ukraine geht es auch nicht in erster Linie um die Verteidigung der Demokratie (das ist eher eine innere Angelegenheit), sondern um Selbstbestimmung und die Unverletzlichkeit von Grenzen.
Russland gerät mit seinem Rückfall in längst vergangen geglaubte Zeiten, wo in Europa ständig Kriege um die Herrschaft über irgendwelche Landstriche tobten, immer weiter in die Isolation. Niemand will, dass der Nachbarstaat grenzübergreifend sogenannte "Referenden" abhält und die Gebiete gewaltsam für sich reklamiert. Wenn es einen übergreifenden Konsens in der Weltgemeinschaft gibt, dann den, dass Grenzen nicht mit Gewalt geändert werden dürfen. Das würde alle Länder, die einen wesentlich stärkeren Nachbarn haben (und das sind viele) der Willkür von "Spezialoperationen" aussetzen, Sicherheit gibt es dann nur noch für militärische Groß- und Atommächte. Es würde zu einer Welt führen, in der wenige Großmächte die Welt über den Kopf der Kleinen hinweg unter sich aufteilen. Das ist genau das, was Putin vorschwebt: bilaterale Gespräche mit den USA über die Ukraine ohne deren Beteiligung und die Abgrenzung von "Interessenssphären". Die wird es nicht geben, außer Trump wird wieder Präsident. Dann ist alles möglich.