Ein Aspekt, der im gegenwärtigen Machtkampf der Linken aufgeworfen, aber leider hier nicht angeschnitten wird, ist aus meiner Sicht viel bedeutsamer als die Personaldebatte mit allen machiavellistischen, rabulistischen und intrigentriefenden Anwürfen:
Für welche Ziele und v.a. welche Zielgruppen soll die LINKE zukünftig stehen?
Da hat tatsächlich K.Kipping sehr offen von einer Abkehr von der ureigenen linken Position der Vertretung und Organisation der Arbeiterklasse, auch und v.a. im ländlichen Raum, hin zu den urbanen, modernen und, ja auch schon bürgerlich zu nennenden, Millieus in den hippen Metropolen, deren Akteure sich aber deutlich von der Arbeiterschaft abzugrenzen belieben und eher im Bereich der selbsternannten "Intelektuellen" mit Studium, dort zumeist mit Schwerpunkt "Sozialwissenschaften" oder "Medien", verortet sind, aber zeitlebens noch nie dem tagtäglichen Leistungsdruck eines abhängig Beschäftigten ausgesetzt waren und dies auch niemals sein wollen., schwadroniert.
Ergo sollte man sich doch ernsthaft mal eingehender mit der Vision dessen beschäftigen, was diese Partei darstellen will und auch, was in sie, nicht zuletzt durch die Wähler, in sie hineinprojeziert wird.
Es tritt dann aber ein Konflikt zutage, der zur Zerreißprobe für die LINKE werden könnte.
Auf der einen Seite gibt es eben jene Hipster, die, fair gehandelten Bio-Latte für 5,50€ schlürfend im alternativen Prenzelberger Café über offene Grenzen schwafeln und wie offen man doch für alles und Alle sein müsse und wie schlecht es doch dem Rest der Welt ginge, sodass doch das ach so reiche Deutschland... äh pfui, ist ja national,... also die ach so reiche EU,... aber da knabbern doch auch so viele am Hungertuch,... also alle anderen, nur nicht sie selber!!!, ein großes Stück vom Reichtum abgeben müsse.
Auf der anderen Seite steht der HartzIV-Empfänger, der sich jedes kleine Extra vom Munde absparen muß und trotzdem noch für's Zurücklegen mit Leistungseinbehalt bestraft wird und der hofft, im n-ten Anlauf vielleicht doch endlich mal eine Arbeit zu finden, die langfristig und ohne weitere Angewiesenheit auf Almosen seinen Lebenserhalt sichert.
Und dazwischen gibt es noch den Arbeiter oder kleinen Angestellten, der tagein tagaus schaffen muss, um über die Runden zu kommen, sich stets bewusst, dass da gleich neben ihm der Abgrund des sozialen Abstiegs in Form von ALGII droht, wodurch alles, was er sich mühevoll über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut hat, binnen Jahresfrist verloren wäre; der schon gar nicht mehr auf eine Besserung hofft, nicht mehr darauf, dass er sich wie seine Eltern mit Einzeleinkommen Haus, Auto und Urlaub leisten kann, sondern nur noch, dass es nicht noch schlimmer wird, dass der Arbeitsplatz nicht wegrationalisiert, ausgelagert oder mit einer billigeren Kraft besetzt wird.
Da steht aber auch der kleine Mittelständler, der Handwerker oder Einzelhändler, der auf die Kaufkraft des lokalen Marktes angewiesen ist, der nicht in großem Stil exportieren kann, der nicht zu globaler Expansion in der Lage ist und dem mit jedem € weniger in der Tasche seiner Kunden mehr und mehr die Aufträge verloren gehen, bis auch er vor dem sozialen Aus steht, dann aber mit noch tieferem Fall und womöglich als Selbstständiger mit unaufbringbaren Sozialbeiträgen und dadurch letztlich ohne Absicherung ein noch ärmeres Schwein als der Angestellte.
Welche dieser Gruppen will und kann die LINKE nun ernsthaft vertreten?
Der Mittelständler hat bisher klassisch auf CDU und FDP vertraut, die ja immer mit Wirtschaftsstärkung assoziiert werden, dabei aber tatsächlich nur noch auf Konzernniveau denken und alles darunter als unnötigen Ballast und maximal zu melkenden Plebs betrachten.
"Aber der ist doch Arbeitgeber - also Ausbeuter! An den wollen wir gar nicht denken!"
Der Angestellte sah sich bisher bei der SPD zuhause, die ja immer für einen Ausgleich zwischen Wirtschaftswohlstand und Arbeitnehmerinteressen stand. Bis zu jenem kritischen Punkt, als der Seeheimer Kreis das letztere zugunsten der ungezügelten Wirtschaftsinteressen als nicht mehr erstrebenswert postulierte und zum größten Feind des Arbeitnehmers mutierte, der die Bedrohung "HARTZIV" erst erschaffen hat und seitdem Stück für Stück an der sozialen Sicherheit und den Arbeitnehmerrechten wegknabbert.
"Aber der hat ja noch zuviel, dass man ihm abnehmen kann, Reichtum beginnt ja schließlich bei 20000€ p.a., als dass man sich für den einsetzen müsste!"
Der Hipster fand sich bisher eigentlich doch bei den GrünINNEN recht gut aufgehoben, voll öko, voll peace und so... Warum also sollte der ausgerechnet, wie die selbst vom Studium direkt in die Politik gewechselte Kipping es sich so sehnlichst wünscht, nun ausgerechnet die LINKE wählen?
"Na weil, ist doch voll für Gerechtigkeit und so, voll peace, Alter, voll antirassistisch und antiimperialistish,ne, und alles andere ist doch NAZI, selbst der Joshka mit Jugoslawienkrieg und so, und die Harms will doch Rußland zubomben, wa..."
Auf der Strecke bleibt der HartzIVler, der Mindestrentner, der weggentrifizierte Mindestlöhner. Dessen bisherige politische Heimat wird jetzt bunt und denkt global. Der soll sich halt nicht so haben, geht es ihm doch hier noch richtig gut im Vergleich zum armen Rest der Welt. Da kann der doch locker noch verzichten, bis alle auf dem gleichen Armutsniveau angekommen sind.
"Aber der Hipster hat doch Kohle!" - "Dem können wir aber nichts wegnehmen, der soll uns doch wählen! Dann haben wir die zukünftige Elite auf unserer Seite! - Na dann wähl ich halt AfD, die wollen wenigstens nicht das bißchen, was ich noch habe an die ganze Welt verteilen..."
Dabei hat sich jeder in seinem Milleu inzwischen gewollt oder ungewollt eingerichtet, seine sozialen Kontakte beschränken sich zumeist auf andere Mitglieder derselben Schicht/Klasse und er definier sich zunehmend über seinen sozialen Status, dabei massiv nach unten abgrenzend. "Mit den Verlierern will ich nichts zu tun haben!" - dabei völlig verdrängend, dass auch ihm im globalen Konkurrenzkampf um die schiere Existenz stets und ständig der freie Fall droht.
Solidarität sollte sein, diese Grenzen zu überwinden, nach unten nicht zu treten und nach oben nicht zu buckeln. Dann funktioniert auch vereint wieder ein echter Klassenkampf der Unterprivilegierten gegen die wahren Ausbeuter und Imperialisten, die vom grenzenlosen Kapital und der maximalen Rendite träumen, während soziale Verantwortung und Demokratie zu einem marktkonformen Anhängsel von ihren Gnaden zu verkümmern haben.
Die derzeitige LINKE um K.Kipping jedoch reiht sich mit Inbrunst in den Chor der marktkonformen Grenzenlosigkeit und des alternativlosen Globalismusein, der eben doch etwas ganz anderes als der revolutionsbefördernde und auf Solidarität einer sich selbst bewusst werdenden Klasse fußende marx'sche Internationalismus ist, dabei mehr und mehr das aus den Augen verlierend, was spätestens seit der industriellen Revolution linkes Denken und Handeln auszeichnete.
Der ausgebeutete Proletarier schert sich nunmal nicht um Gendertoiletten, grammatikalische Emanzipation aller n Geschlechter und Religionsfreiheit für eine Religion, die andere am liebsten ausrotten würde. Ihn kümmert nicht, ob das Essen, was er sich gerade noch leisten kann, bio, öko, fair-trade, vegan, oder von 33 lesbischen buddhistischen Nonnen unter Wasser mundgeklöppelt ist. Ihn interessiert auch nicht, dass durch eine Lohnerhöhung um 100€ der Aktienkurs seines Arbeitgebers fallen könnte und die ausländischen Investoren ihre Gewinnerwartung nicht erfüllt kriegen, damit dann u.U. nicht im Stande sind, sich den nächsten 100000€-SUV für's Wüstenrennen zu leisten.
Aber demnächst dürfen wir dann wahrscheinlich Artikel erleben, die sich damit Auseinandersetzen, was für ein chavinistisches, homophobes, rassistisches, national-populistisches Schwein Karl Marx gewesen ist - natürlich aus der Feder sich selbst als "links" titulierender Autoren á la Konicz...