Ca. 150.000 Menschen, die aus dem Iran geflüchtet sind, leben in Deutschland. Wahrscheinlich kennt keiner die Aufteilung genau, aber es wird bei der Berichterstattung über den Iran immer gern vergessen, das viele davon bereits vor 1979 nach Deutschland geflohen sind - bevor es das Mullah-Regime gab. Vor den Mullahs gab es im Iran bereits eine Diktatur, die so unmenschlich war, das viele der hier lebenden Iraner vor dem Shah-Regime geflohen sind, und nicht vor den Mullahs.
Wie kam es dazu?
Seit 1906 war der Iran eine konstitutionelle Monarchie. Der damalige Monarch Mozaffar ad-Din Schah kündigte am 5. August 1906 nach Streiks und Protesten Wahlen zu einem Parlament an, die dann wenig später auch statt fanden. Seine Familie hat nach seinem Tod 1909 mehrfach versucht das Parlament gewaltsam wieder aufzulösen, um die absolutistische Herrschaft wieder herzustellen, was misslang. Wenig später fielen gleichzeitig Truppen des russischen Imperiums von Norden und des englischen Imperiums von Süden in den Iran ein, um sich jeweils die Oberhoheit zu sichern. Das blieb so bis 1917, der russischen Revolution. Diese Auseinandersetzungen zweier Imperien und die eigenen Machtkämpfe im Iran von 1909 bis 1917 kostete ca. 1/4 der iranischen Bevölkerung das Leben.
Noch vor der deutschen Regierung, die ja die russische Revolution in Gang gesetzt hatte, anerkannte der Iran als erstes Land die Sowjetunion an, und löste sich damit auch gleichzeitig von allen Zwangs-Verträgen mit dem zaristischem Russland. Im Friedensvertrag von Brest-Litowsk vereinbarte die Sowjetunion auch den Abzug aller russischer Truppen aus dem Iran. Als das geschehen war, zwangen die Briten die iranische Regierung zum anglo-iranischen Vertrag von 1919, was den Iran defacto zu einer britischen Kolonie machte.
Wikipedias Epilog (Auszüge):
"Die Jahre 1919 bis 1921 sollten zur großen Bewährungsprobe des iranischen Parlaments werden. Die Abgeordneten widersetzten sich dem massiven britischen Druck und weigerten sich trotz der Zahlung erheblicher Bestechungssummen standhaft, den von der Regierung unterzeichneten Anglo-iranischen Vertrag von 1919 in Kraft setzen zu lassen. Die Briten scheiterten am iranischen Parlament.
Die von der konstitutionellen Bewegung erkämpfte Verfassung sollte mit nur wenigen Änderungen bis 1979 Bestand haben."
Der amtierende Monarch Ahmad Schah ernannte 26. Oktober 1923 Reza Chan zum Premierminister und verlies am selben Tag das Land und zog nach Paris. 1925 ernannte das Parlament Reza Chan zum neuen Monarchen als Reza Schah Pahlavi.
Im 2. WK hatte sich der Iran der Neutralität verpflichtet. und wurde darauf hin wieder besetzt, wieder von Briten und Russen, diesmal sowjetischen. Die Briten wollten während der 40er und 50er einen von ihnen ernannten Vizekönig einsetzen, was sich aber schwierig gestaltete da das Land derweil in 3 Teile zerlegt war, Norden sowjetisch, Süden (Ölquellen) britisch, und die Mitte iranisch. 1941 zwangen die Besatzungsmächte den Shah zum Rücktritt, was der dann auch tat, aber nicht wie gefordert auch mit Wirkung für den Thronfolger und seinen Sohn, Mohammad Reza. Um dessen Verhaftung durch die Besatzungsmächte zu verhindern, wurde er Agenten-Krimi artig ins iranische Parlament geschmuggelt, wo er als Nachfolger vereidigt und zum neuen Shah ernannt wurde.
Seit 1933 beuteten die Briten mit der Anglo-Iranian Oil Company (AIOC, heute: BP) die iranischen Ölquellen aus, und überliessen dem Iran lediglich nur 8 % der Nettogewinne aus dem Ölverkauf. das führte 1950 zu der vom Parlament eingesetzten Kommission, die sich mit den Ölkonzessionen befassen sollte, der Vorsitzende Mohammad Mossadegh. Im Jahr 1950 verhandelte auch die US-amerikanische Arabian-American Oil Company (ARAMCO, heute: Saudi Aramco) mit den Saudis über ein neues Abkommen, das eine 50/50-Aufteilung der Nettoöleinnahmen vorsah. Die Iraner wollten mit der britisch geführten AIOC eine vergleichbare Regelung erzielen. Während der Verhandlungen wurde Premierminister Razmaras am 7. März 1951 von Chalil Tahmasebi, einem Mitglied der radikalislamischen Fedajin-e Islam, erschossen. Am Tag nach der Ermordung Razmaras wurde von der Ölkommission des Parlaments die Verstaatlichung der Ölindustrie beschlossen.
"Für die kommunistische Tudeh-Partei war die Verstaatlichung ein wichtiger Schritt in Richtung eines sozialistischen Irans. Für Mohammad Mossadegh und seine Partei der Nationalen Front ging es eher um politische Souveränität und nationale Ehre. Die islamische Rechte verfolgte eine Politik gegen die Verwestlichung (gharbsadegi) des Iran." wiki
Den Rest kennt man ja mittlerweile ganz gut, Operation Ajax ff.
Das die Iraner mit dem Mullah-Staat keine guten Lebensumstände haben, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, das die 70 Jahre Einmischung von Imperien von 1909 bis 1979 im Iran, die immer dann, wenn sich im Iran eine eigenständige Politik entwickelte mit Militär ihre Interessen durchsetzten, auch das keine wünschenswerte Alternative darstellt. Und darüber waren sich bereits 1950 Kommunisten, Nationalisten und Religiöse Iraner einig. Und was mit dem iranischen Öl nach einem vom Westen herbei geführten wiedermaligen Umsturz im Iran passieren wird, ist wohl auch klar.
By the way I.: habe neulich ein Interview bei Jung & Naiv mit einer iranisch-stämmigen Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik, aus Berlin-Wilmersdorf (ja, die!) gehört, das sehr gut das aktuelle politische System im Iran erklärt. Fast neutral ...
By the way II.: In Deutschland ist die "Partei" der Nichtwähler bei fast allen Wahlen, die rein rechnerisch größte. Was will uns eigentlich das sagen?
Iran-Expertin Azadeh Zamirirad - Jung & Naiv: Folge 456
https://www.youtube.com/watch?v=HRw7xaU_gTY
Lasst die Iraner in Ruhe, hört auf sie zu sanktionieren und helft ihnen, aber ohne Militär und sie werden einen Weg finden. Der Iran hat eine längere demokratische Tradition als fast alle anderen Länder der Region, und hat trotz Mullah-Regime mehr Frauenrechte, eine der größten jüdischen Diaspora ausserhalb Israels, und hat noch nie seit über 100 Jahren von sich aus ein Land angegriffen - was man von den selbsternannten "Rettern der Demokratie und Frauenrechte im Iran" so nicht behaupten kann.
Edit: letzter Absatz
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.02.2020 13:32).