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  • Raumflieger

341 Beiträge seit 12.08.2024

Demokratie ist, wenn geheim, unabhängig und frei gewählt werden darf.

Zumindest hab ich das so vor etwas mehr als 25 Jahren in der Schule so gelernt.

Warum sollte man also geheim, unabhängig und frei wählen dürfen?
Weil sich das gegenseitig bedingt. Damit ich frei wählen kann, muss ich unabhängig meine Wahl treffen können und muss niemanden sagen, wen ich gewählt habe. Sobald ich mich rechtfertigen muss für meine Wahl, ist es keine freie Wahl mehr. Und wenn mir jemand sagt, wen ich (nicht) wählen soll, ist die Wahl auch nicht mehr unabhängig, und natürlich auch nicht mehr frei.

Demnächst stehen Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg an und weder Medien noch Vertreter verschiedenster Parteien werden müde, den Sachsen und Brandenburgern zu erklären, welche Partei sie bitte nicht wählen sollten. Klar, um welche Partei es geht.
In Sachsen könnte die AfD knapp hinter der CDU Platz 2 belegen und hätte Sperrminorität nach Abzug der "Sonstigen". In Brandenburg liegt die AfD vor der SPD auf Platz 1, hat aber insgesamt weniger Stimmanteil als in Sachsen. Dort braucht die AfD die BSW als Oppositionspartner, wenn es um Blockaden von 2/3-Mehrheitsbeschlüssen geht (Sperrminorität).

Koalitionenspielerei Sachsen:
Q: https://dawum.de/Sachsen/

In Sachsen dürfte die Koalitionsbildung "relativ" einfach sein: hier genügt es, wenn Ministerpräsident Kretschmer weiterhin mit SPD und Grünen koaliert. Das reicht für eine knappe Parlamentsmehrheit. Die AfD hat die Sperrminorität und braucht die BSW dafür auch nicht. Die Linke sitzen mit drin, wenn sie ihre 2 Direktmandate behaupten kann. Fliegt sie raus, verschiebt sich das Verhältnis nicht: Schwarz-Rot-Grün bleibt Parlamentsmehrheit.

Allerdings ist diese Wahl halt symptomatisch: die "Wahlverlierer" stellen die Regierung, d.h. SPD und Grüne verlieren beide an Stimmanteilen, die nur teilweise durch die CDU aufgefangen werden können. Die "Wahlsieger" nach Stimmgewinnen bleiben außen vor: BSW und AfD.

Spannend wird's nur, wenn die Sachsen wahlweise der SPD oder den Grünen den Weg ins Parlament versperren. Dann spielt die BSW den Königsmacher - und müssten Farbe bekennen.

Spielerei Brandenburg:
Q: https://dawum.de/Brandenburg/

In Brandenburg wird das noch spannend werden. Grüne und Linke sind Wackelkandidaten. Ob sie überhaupt in den Landtag einziehen, wenn auch nur mit Hilfe von Direktmandaten, ist ja heute nicht bekannt. Flögen beide raus, würden deren jeweiligen 5% auf den Rest verteilt werden. Damit blieben vier annähernd gleich große Parteien übrig und nur mit der AfD ist eine Zweiparteienkoalition möglich. Das BSW müsste also Farbe bekennen und mit der CDU und der SPD in einer Dreiparteienkoalition die Regierung bilden, um die AfD aus dem Rennen zu nehmen. Das BSW könnte aber auch mit der AfD eine knappe Zweiparteienkoalition bilden und hätte Parlamentsmehrheit. Bequemer wird's mit SPD und CDU, die aber gewiss nicht mit der AfD koalieren werden.

Wenn Grüne ODER Linke in den Landtag kämen, ist eine Zweiparteienkoalition AfD-BSW nicht mehr möglich unter Beibehaltung der Parlamentsmehrheit. Dann stehen in jedem Falle Dreiparteienkoalitionen ins Haus unter Beteiligung der Grünen/Linke, je nachdem, welche Partei es schafft. Nur mit der AfD könnten entweder SPD oder CDU eine Zweiparteienkoalition bilden.

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Ich sehe hier also erstmal grundsätzlich demokratische Prozesse am Wirken. Es gibt halt auch mal Ergebnisse, die den Regierenden nicht gefallen, weil man auf einmal gezwungen ist, zu verhandeln und Standpunkte auf Durchsetzbarkeit abklopfen müsste.

Bedenklich empfinde ich, dass im Vorfeld der Brandenburger Landtagswahl schonmal von "Verfassungswidrigkeit" gesprochen wird, weil möglicherweise der AfD zu viele Überhangmandate zufallen würde und damit der Landtag zu viele Mitglieder hätte - es verzerrt ja die Stimmverhältnisse. Aber was dann? Neuwahlen? Verfallen lassen? Nachrückerkandidaten?

Q: https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/forscher-warnung-vor-verfassungswidriger-mandatsverteilung-nach-wahl-11910638.html

Dann wäre natürlich die gleiche Frage zu stellen, wieso eine Partei, die an der Fünfprozenthürde scheitert, über Direktmandate trotzdem einziehen kann, wenn man der AfD Überhangmandate aberkennt mit der Begründung der "Verzerrung des Abstimmergebnisses". Immerhin werden die "Doch-Einrücker" nicht mit zusätzlichen Sitzen bedacht, sondern nehmen Abgeordneten anderer Parteien Sitze weg.

Vielleicht sollte man lieber das Wahlrecht überprüfen, wenn es nicht in der Lage ist, die Verteilung der Stimmen im Landtag richtig abzubilden. Vielleicht sollte man keine Direktmandate in's Parlament wählen, sondern auf die Liste der jeweiligen Partei und erst dann die Listenwahl durchführen. Dann gibt's kein Poker wegen der Hürde mehr (entweder die Liste ist drin oder nicht) und auch das Thema Überhangmandate hat sich vielleicht erledigt.

Oder man akzeptiert es, wie's ist und fängt nicht schonmal an, Verfassungsrechtler in Position zu bringen, um eine Wahl anzufechten, nur weil das Ergebnis nicht passt und eben, wie in der verlinkten Quelle geschrieben wurde, die AfD sonst Sperrminorität hätte und beispielsweise Verfassungsänderungen blockieren könnte.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (12.08.2024 15:01).

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