Der Artikel-Autor schreibt Eingangs zu lokalen altruistischen Taten:
Als es im Dezember 2010 in Frankreich besonders kalt war, sprangen fast jeden Tag Menschen in eiskaltes Wasser, um andere zu retten. Diese Meldungen tauchten jedoch nur in den jeweiligen Lokalmedien auf.
Damit beschreibt er mitunter bereits selbst, auf welcher Ebene Altruismus noch "am einfachsten und direktesten" seine Anwendung findet: da, wo sich Menschen direkt begegnen. Je "abstrakter" die Wahrnehmung oder Tuchfühlung anderer Menschen wird bzw. je mehr diese abnimmt, desto schwieriger wird es mitunter. Krasses und bekanntes Gegenbeispiel: Kampf-Pilot*innen, die ihre Opfer nicht mal mehr sehen. Das macht es "einfacher", Bomben und was auch immer zu werfen oder zu schießen und Andere zu "entmenschlichen".
Entsprechend ist die Presse, je überregionaler sie wird, m.E. auch abgehobener und hebt oft genug vom Menschen ab. Mal abgesehen von der "Arbeitsteilung" zwischen verschiedenen Presse-Ebenen, die notwendig verschiedene Abstraktions-Ebenen bedienen müssen.
Das bedeutet m.E. keines Wegs, dass wir Alle zurück zum "Dorf" müssen, wo jede jede*n kennt. Es bedeutet jedoch m.E., dass, je größer und komplexer gesellschaftliche Systeme werden, es scheinbar schwieriger wird. Und es einfacher wird für Menschen, sich von anderen Menschen in einer (mitunter überheblichen) Weise abzuheben. Stichwort auch: Welche Regeln gibt sich die Gesellschaft? Und werden pseudowissenschaftliche und von Beginn an widerlegte Axiome wie die "Trickle-Down-Theorie" (Gesamt-Nutzen-Mehrung und Kapital-Anhäufung bei Wenigen diene "automatisch" Allen und vor Allem auch den Ärmsten) oder in John Rawls' (neo)liberalem Klassiker "Eine Theorie der Gerechtigkeit" das "Mehr-haben-wollen" zu angeblich grundlegenden und "natürlichen" Regeln und Verhaltensweisen von Menschen erhoben?
Wir sehen Alle, dass die gegebenen gesellschaftlichen Regeln momentan kaum hinreichen, die Umverteilung von unten nach oben wirksam zu beschränken.
Auf Telepolis wurden schon früher und vor mitunter längeren Jahren Studien kommentiert, die bspw. folgende Ergebnisse zeitigten:
- Erst vor einigen Monaten: Je kleiner und weniger komplex das gesellschaftliche System, desto überschaubarer und einfacher soll es "steuerbar" und damit auch politisch "erfolgreicher" sein (in seiner Pauschalität m.E. durchaus diskutabel, doch in einigen Feststellungen m.E. hierauf anwendbar). Dabei ist m.E. schon mal wichtig, zu definieren, was der Maßstab des "Erfolgs" ist. Entsprechend wurden kleinere Länder wie die Schweiz, Österreich, Schweden oder Dänemark etc. als Beispiele genannt, die schlicht überschaubarer zu "steuern" seien und daher auch das "besser funktionierende" Abgaben-, Finanz- und Sozial-System hätten. Ob das so wirklich stimmt? Wurde damals m.E. kaum wirklich belegt, es blieb im Wesentlichen bei einem Kreis-Schluss (Tautologie). Dass ein kleineres Staats-Gebilde vor neoliberaler, menschenfeindlicher Politik keines Wegs automatisch schützt - schon allein, weil ein kleineres, für sich (also ohne Unterstützung etwa der EU) stehendes Staats-Gebilde weniger vor der Machtpolitik Anderer schützt -, zeigt m.E. das Beispiel Griechenland. Auch Ungarn und andere Staaten können leicht als Gegen-Beispiele genannt werden.
Zudem war es ausgerechnet der für seine neoliberale Rechtsprechung bekannt EU-Gerichtshof, der kürzlich das Sanktionieren unters Existenzminimum (m.E. begrüßenswerterweise) komplett für grundrechtswidrig erklärt hat. Ganz anders als das von der "CDU/CSU" dominierte Bundesverfassungsgericht, das es geschafft hat, innerhalb von nur 9 Jahren seine Sanktions-Rechtsprechung komplett um 180 Grad zu wenden (natürlich, nachdem u.A. erst kurz vor Urteils-"Findung" beide Präsidiumsposten des BVerfG von "verdienten" ranghohen "CDU"-Politikern besetzt wurden). Das BVerfG wird m.E. immer Grundrechts-feindlicher und Neoliberalismus- wie Kriegs-freundlicher, diese politisch gewollte Linie zeichnet sich m.E. immer mehr ab.
- Zwei weitere und m.E. mit die wichtigsten und treffenden Studien, viel früher hier veröffentlicht:
Einerseits: dass der wichtigste Faktor, der Menschen glücklich macht, "gelingende zwischenmenschliche Beziehungen" seien. Also nicht nur irgendwie Beziehungen. Sondern gelingende. Ich fand das eine der treffendsten Studien der vergangenen Jahrzehnte. Beziehungen (also jeder Art) können auch schief gehen. Und wir Alle wissen, wie wir uns dann fühlen. Deshalb keine zu haben, ist jedoch auch keine Option, weil eine soziale Grundveranlagung so ziemlich die meisten Menschen prägt. Stichwort auch: das natürliche Bindungsbedürfnis, das entwicklungspsychologisch nachgewiesen ist.
Andererseits: dass ab einer bestimmten Kappungsgrenze zu großer Reichtum einen Menschen keines Wegs (automatisch) glücklich macht (wirtschaftlich abgesichert sicher, doch deshalb keines Wegs automatisch glücklich). Und dass die Ungleichverteilung gegenüber anderen Menschen einen mitunter auch selbst unruhiger schlafen lässt. In einer gerechten Gesellschaft schläft es sich schließlich besser, als wenn mensch ständig irgendwo Angst oder Sicherheitsbedenken hat, dass mensch - mitunter "zu Recht" - für einen auch selbst als ungerecht empfundenen Reichtum "zur Rechenschaft" gezogen wird. Oder weil eine*n eben doch noch irgendwo die eigene Moral juckt, tief verbuddelt im eigenen Nirvana. Auch, wenn viele Reiche letztlich davon kommen, heißt das keines Wegs, dass sie deswegen glücklicher sind, als Menschen, die "nur" genug zu einem guten, mitunter auch mal luxuriösem Leben haben.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (30.12.2019 16:34).