Interessant finde ich vor allem die Tatsache, dass wir eigentlich gar keine Gerichte mehr brauchen. Auch die Polizei erscheint überflüssig. Ermittelt werden Verstöße heute nicht mehr von Polizisten und geahndet wird nicht mehr durch die Justiz. Die "Community-Richtlinien" der Konzerne erledigen das alles heute für uns mit Hilfs-Personal.
Die Gerichte scheinen nur noch dafür da zu sein, dem gröbsten Unrecht der Konzerne Einhalt zu gebieten. Es entscheidet kein Gericht mehr darüber, ob und wem die Redefreiheit entzogen wird. Dies tun die Konzerne. Die Gerichte kommen nur noch ins Spiel, wenn sich jemand gegen den Entzug seiner Redefreiheit rechtlich wehrt.
Verkehrte Welt? Das Unrecht wird zum Recht. Die Unschuldsvermutung wird belanglos. 99,99% der Menschen denen man heute die Redefreiheit entzieht haben gegen kein Gesetz verstoßen, wurden nicht von einem ordentlichen Gericht zum Schweigen verurteilt. Es reicht aus, wenn ein Konzern einen Verstoß einfach nur behauptet.
Keinen Verstoß gegen ein allgemein anerkanntes Gesetz, sondern nur einen Verstoß gegen die eigenen frei dehnbaren "Community-Richtlinien". Rechtsstaat ade?
Tja, da bleibt einem eigentlich nur die Feststellung, dass Sie in vier kurzen Absätzen das Problem wesentlich treffender beschrieben haben als der werte Hr Erle in einem ellenlangen Aufsatz. Das wirkliche Problem ist nicht, dass es halt sehr viele ... (setzen Sie den Begriff ein, der Ihnen am liebsten ist) gibt, die sehr viel gequirlte Dummheit in die Welt raus posaunen und der Umgang der Plattform-Betreiber mit denen. Das ist ein Phänomen, das die Menschheit seit Anbeginn kennt, und zu diesen ... gehören nicht nur die kleinen Nazis von nebenan, sondern auch viele Politiker, Religionsführer, Firmenchefs und was weiß ich. Das hat die Demokratie aber noch nie gefährdet.
Das wirkliche Problem ist, dass es keine Strafverfolgung gibt, wenn gegen Gesetze verstoßen wird. Und um dieses Versagen "der Politik" zu kaschieren, werden untaugliche Mittel wie das NetzDG erfunden und die Strafverfolgung in einer Pseudo-Form an private Unternehmen, nämlich eben die Betreiber von sozialen Netzwerken, "outgesourced". Das ist es, was die Demokratie gefährdet. Und dieses Versagen wird auch nicht durch eine wolkige "Charta der digitalen Redefreiheit" behoben, von deren sieben Punkten allerhöchstens der erste überhaupt das wirkliche Problem adressiert.
Tut mir leid, aber insgesamt ist der Artikel ein wunderschönes Beispiel des klassischen Politik-Ansatzes "wie rede ich so am wirklichen Problem vorbei, dass es auch progressiv klingt".
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (24.01.2021 11:08).